II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 142

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chiedssouper
4.5. Ab
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Feuilleton, amusant zu lesen, wenn man, die
Zigarette im Mund, im Schaukelstuhl sitzt und nichts
tutz als verdauen. Ich glaube übrigens meiner
Sathe sicher zu sein, daß ich den losen Vogel schon
einmal über irgend eine Münchener Bühne habe
flättern sehen, Gespielt wurde das Ding von Frl.
sottmann und den Herren Birron und
Kraumann mit jener spielerischen Nonchalance,
die allein dafür taugt. Auch das letzte Stück, Lu#¬
wig Fuldas Schauspiel „Die Zeche“ ist nicht
von heute; es ist gerade zehn Jahre alt. Ein klapp¬
riger Baron, der von seinen vielen Sünden in einem
Fleines Feuilleton.
Bade Heilung sucht, trifft dort unvermutet mir
[Residenztheater.] Die drei Einakter, die
einer Jugendgeliebten zusammen. Der alte Roné,
an Sonntan zür selben Stunde ihre Premiere erleb¬
der eine Pflegerin sehr gut brauchen könnte, bietet
teit als draußen im Künstlertheater der Erler'sche
der Wiedergefundenen seine Hand. Sie dankt aber
„Rust“ zum Ereignis wurde, sind gestern vor fast
ergebenst. Es geht ihr ganz gut, sagt sie, und außer¬
leerem Hause zum erstenmale wiederholt worden.
Sehr viele Aufführungen werden sie also wohl nicht dem habe sie einen Sohn — von ihm, für den sie lebe
(es ist der Badearzt, der den Baron behandelt);
mehr erleben. Rätselhaft ist es, wie das Schauspiel
„Ein Sonnenstrahl“ von Robert Wach den dieser Sohn betrachte aber seinen Vater als ge¬
Weg ins Residenztheater gefunden haben mag. Ein storben. So muß der Herr Baron verzichten und
sein Alter allein weitertragen. Er bezahlt seine
derart jämmerlicher Schmarren ist mir wirklich
Zeche — in doppeltem Sinne —- und reist ab. Das
schon seit langer Zeit nicht mehr vorgekommen. Man
Stück ist literarisch absolut belanglos; aber es ist
beleidigt sogar die Gartenlaube, wenn man be¬
geschickt gemacht und unterhält gut; und mehr will
hauptet, dieses Stück passe in dieses ehrwürdige
es wohl auch nicht. Der alte Baron ist eine der
Familienblatt. Sollte dieser Herr Robert Wach
vortrefflichsten Figuren, die Herr Höfer bis jetzt
nicht am Ende ein pfeudonymer Blaustrumpf sein?
hier geschaffen hat. Ihr zu liebe könnte man sich
Oder irgend jemand anderer, der mildernde Um¬
das Stück sogar ein zweites Mal ansehen. Frl.
stände gelten machen kann? Wir wollen es hoffen
[Dandler lieh der Jugendgeliebten alle ihre Vor¬
und im übrigen die tapferen Darsteller bedauern,
zige und ließ es so jeden deutlich fühlen, was der
in deren Leid gewiß kein Sonnenstrahl fiel. Herr
Baron an ihr für immer verlor. Herr Letmann
[Wohlmuth stellte einen prächtigen Oberforst¬
wa ein liebenswürdig=weltmännischer Badearzt.
meister auf die Beine. Frl. Wimmer als
Försterskäte hielt sich ganz wacker — man will sie, Die Inszenierung der drei Stücke hatte Herr D.
wie es scheint, allmählich und sachte in das Reubte=Kilian durchgeführt. Eine gewisse Sorgfalt im
fach einschmuggeln; was wird das Publikum dazus einzelnen fiel auf; sonst hatte der Regisseur hier
keine Gelegenheit zu Taten.
sagen? — und Herr Jacobi und Frl. Schwarz
taten, was sie konnten. Nur das Auditorium
streikte. Dann gab's etwas Altes: Arthur E


lers Plauderei „Die Frage
liebe, gute, bereits literarhistorische
Anatol hypnotisiert, seine Geliebte in der Absicht, sie
zu fragen, ob sie ihm treu sei. Er hat aber nicht
den Mut dazu. Ein ganz artiges Nichts, ein

S
hübsche Kleinigkeit im Zusammenwirken der Damen Schwarz bstellt den
Münchner Theaterbrief. ¼442 und Wimmer mit den Herren Wohlmuth und Jacohi ganz dem Ba#
vorzüglich und stimmungsgerecht. —
Die Plauderei „Eine Agathe
Og München 20. Mai. Im Residenztheater führte am
Frage an das Schicksal“ von Arthur Schnitzler führt erprobtel
letzten Sonntag der neue Regisseur unseres Hofschauspiels,
seinen bekannten Anatol vor, der, selbst nicht besonders „in mit. —
der aus Karlsruhe berufene Dr. Kilian, brei Einakter vor
Treue fest“, gar zu gern wissen möchte, ob er der Treue bei gutb
von denen keiner auf hervorragende Bedeutung Anspruch
seiner schönen Cora vertrauen darf, sie auf den Rat seines in viel I
machen darf, aber jeder für sich doch einen hübschen Beitrag
Freundes Max hypnotisiert, im entscheidenden Augenblick mal an
zu einem gemütlichen Unterhaltungsabend liefert. Und mit
aber, von der Furcht beherrscht, die Antwort könnte ihn Anerken
solcher Art von gewählter Hausmannskost werden wir in dem
aus allen Himmeln stürzen, die Frage nicht stellt, sondern glatt ver
schmucken Hause während dieses Sommers öfter vorlieb
kommen
durch den Zuruf ersetzt: „Wach auf und küsse mich!“ was
nehmen müssen, da die ersten Kräfte vorzugsweise von dem
Im
pünktlich befolgt wird. Max, der sich die Zufriedenheit seines
Künstlertheater im Ausstellungsgebiet in Anspruch genommen
„Wilden
Freundes nicht ganz erklären kann, da er unmittelbar vor
sind und werden. Das Schauspiel „Ein Sonnenstrahl“
der geplanten Fragestellung für einen Augenblick wegge= Raabes
von Rob. Wach schildert einen kurzen Abend in einem ein¬
schickt wurde, meint einfach: Die Weiber lügen auch in der wird mo
samen Forsthause der Kassubei, einem westpreußischen Land¬
Hypnose!“ Was Schnitzler schreibt, atmet Geist und Witz neueinst
strich mit vorwiegend polnisch sprechender Bevölkerung. In
in der 2
und unterhält gut. Leicht, wie die Plauderei gedacht ist, wurde
das gleichförmig düstere und entbehrungsreiche Leben des
sie auch von Frl. Rottmann in Verbindung mit den Herren
Försters und seiner Angehörigen, Frau und Tochter, bringt
Birron und Graumann gespielt. Das Schauspiel „Die
der Besuch des Oberforstmeisters, eines braven, alten Grün¬
[Jeche“ von Ludwig Fulda ist anderwärts schon bekannt, sind im
rocks, der Kopf und Herz am rechten Fleck hat, erwünschte
justiz zu
war hier aber neu. Der stark verlebte Freiherr von Rei¬
Abwechslung. Er hat im Forst alles in bester Ordnung
gersdorf langweilt sich in einem kleinen Badeort, wo er Hilfe sonen ge
befunden, spricht dem Förster seine Befriedigung darüber
aus und eröffnet ihm begründete Aussicht auf Versetzung für seine Gichtbeschwerden und Hustenanfälle sucht. Im Lese= auf die
zimmer begegnet er einer Dame, stellt sich nach kurzem Ge¬ sondere
an einen angenehmeren und besser lohnenden Posten. Eine
spräch vor, und erfährt, daß er Agathe Dorn gegenüber= Opfer 9
alte Feindseligkeit des Forstmeisters gegen den Förster hofft
Mischlin
steht, der er einst ewige Liebe und Treue geschworen, und die
der Oberforstmeister zu überwinden. Wie ein Sonnenstrahl
hellen D
er nach kurzem Glücksgenuß schmählich verlassen hat. Vom
wirkt diese Zusage mitten im Wintersturm auf die Bewohner
geringste
Badearzt kurz vorher daran erinnert daß für einen alten
des stillen Hauses, ihr heißer Dank geleitet den alten Herrn
Opfer zu
Herrn seiner Gattung eine liebevolle Pflegerin ein ganz be¬
zur späten Heimreise, aber schon eine Viertelstunde später
17 ersch
bringt man ihn schwerverletzt zurück. Die Pferde scheuten,sonderer Segen wäre, ist er rasch bereit, seine Sünde von da¬
dem es
der Wagen stürzte, der alte Herr fiel auf einen Grenzstein mals gut zu machen, und bietet Agathen seine Hand, wird
ganz be
aber zurückaewiesen. Die immer noch schöne Frau lebt nun
und zerschmetterte sich die Hirnschale. Nach ein paar Augen¬
für ihren Sohn, des Barons Sohn, der über seinen Vater
blicken ist er tot, und mit ihm ist der Sonnenstrahl erloschen
„Richter
nicht kennt und nach den Schilderungen seiner Mutter ein¬
und die trube Nacht wieder im Försterhause eingekehrt. Das¬
erlöst w
fach verabscheut. Als er am Arm der Mutter am Tische des
ist alles schlicht und einfach, aber glaubhaft geschildert, in
kurzen Zügen, ohne lange Reden, und doch ist jede der vier Barons vorübergeht, flüstert er ihr zu: „Hat zu viel gelebt“ wenn si
Gestalten scharf gekennzeichnet. Aus der ganzen Arbeit leuch= und sie antwortet: „Jetzt zahlt er die Zeche.“ Der Baron Frau
tet eine schöne, beachtenswerte Begabung. Gespielt wird die verlangte tatsächlich vom Kellner seine Rechnung und be= sind auf