II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 157

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4.5. Abschiedssoup
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Naue Tiroler Stimmen, Innsbruck
Kleines Feuilleton.
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Theater.
Die Musen in unserem Stadttheater kommen im
hekrigen Sommer zu keiner Ruhe. Nach Schluß der
Wintersaison kam die Wohltätigkeitswoche, anschließend
daran Dr. Carl Senns „Rattenfänger“ jetzt gibt es
feldgraue Abende, dann kommt Direktor Thurner an die
Reihe und schließlich Frl. Körner mit der Medea. Also
eigentlich eine nur von Zeit zu Zeit unterbrochene
Sommersaison. Und das Theater ist stets sehr gut besucht,
was im Interesse des wohltätigen Zweckes, dem die Auf¬
führungen gewidmet sind, nur zu begrüßen ist.
Gegenwärtig gibt es „feldgraue Abende“ zur Stär¬
kung des Fonds für kriegsbeschädigte und kranke Tiroler
Soldaten. Den Anfang machte Dr. Arthur Schnitzler mit
seinem Einakter: „Das Abschieds=Souper“. Schnitzler
gilt in gewissen literarischen Kreisen, die nicht gerade
unbedingt die christlich=germanische Weltanschauung ver¬
treten, als „der höchste Ausdruck des Wienertums in der
deutschen Literatur, der feinste Gestalter des Wienerischen
Wesens“, „der den Duft und die Farbe, den Zauber
und die musikalische Anmut dieser Stadt in Kunstwerken
wiedergegeben hat, wie kein anderer vor ihm". Und dabei
verweist man immer wieder auf den Anatolzyklus, aus
dem eben „Das Abschieds=Souper“ entnommen ist.
Herr Schnitzler hat schon viele Einakter geschrieben.
Das Aphoristische, teise=Andeutende, das gelinde Säuseln
und schleierhafte Vertuschen, aus dem die Phantasie des
Zuschauers sich nach Belieben alles mögliche herausholen
kann — das ist es, was seiner schriftstellerischen Wesenheit
am besten „liegt. Zu schwächlich und seelenschwind¬
süchtig, um einen großen Wurf wagen zu können, möchte
er uns weis machen, daß er in seinen kleinen Sachen
den großen Gehalt erschütternde Dramen erschöpft und
ihn gleichsam kondensiert — eine Art dramatischen Fleisch¬
extrakt — in Kurs bringt. Vielleicht macht er sich das
auch selbst weis. Dann ist es aber eine gewaltige
Selbsttäuschung. Denn niemals werden raffiniert poin¬
tierte Dialoge mit in Geistreichigkeit schillernden Bonmots
die dramatische Handlung ersetzen. Feuilletons sind eben
keine Theaterstücke.
Die Aufführung des „Abschieds=Souper“ war recht
zufriedenstellend. Man traf den leichten, tändelnden Ton
sehr gut. Herr Duniecki war als Anatol scharmant,
ironisch, sentimental, kurz war der Don Juan von Wien
wie ihn Schnitzler sich vorstellte. Durch Frau Duniecki
erhielt das Stück die nötige Dosis Sektlaune. Herr
Cappi war der offizielle Freund.
Anschließend an Schnitzlers Abschiedssouper gab man
K. Görlitz's Schwank: „Die vollkommene Frau“, einen
öden, nichtssagenden und vollkommen humorlosen Bierulk,
der durch die Uebertreibungen des Herrn Löscher noch
ungenießbarer wurde. Eine Auswechslung dieses Schwan¬
kes dürfte nicht schaden.
Den Schluß bildete die einaktige Operette „Des
Löwen Erwachen“ von J. Brandl. Eine musikalische
Kleinigkeit, beinahe 50 Jahre alt, mit einer gemütlichen;“
keineswegs „reißerischen“ Musik und mit einem Inhalt,
wie man ihn aus den alten Operetten her gewohnt ist,
in welchen Herzöge arme aber schöne Müllerstöchter lieben
und auch heiraten, ohne daß derohalben das Herzogtum
in Fransen geht.
Die Wiedergabe der Operette war alles Lobes
wert. Frl. Schüler spielte die Margarethe trefflich. Herr
Löscher war ein komischer Hofmeister und hielt sich auch
von allzu derben Uebertreibungen fern. Allerliebst war
Frl. Ernau — als Herzog und Dragonerleutnant. Auch
ihre Stimme reicht für diese Sonbrettenrolle aus. Herr
Zötsch vervollständigte glücklich das Ensemble.
Das ausverkaufte Hans nahm alle drei Stücke mit
lautem Beifall entgegen.

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