II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 167

4.5. Abschiedssoun
#per
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Österreichische Casino A. G.
Wien III, Schwarzenbergplatz 5a
„OBSERVER“
I. österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien I, Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Gruzer Zeitime
vom:
27. MAl 1335
Theater, Kunst und Volksbildung.
Stadttheater. „Liebelei“, Schauspiel in drei
Akten; „Abschiedssouper“, Szene aus dem
„Anatol=Zyklus“ beide von Artur Schnitzler.
Frl. Hanke spielte als Gast Christine und Annie
und bewies, daß sie gleich tüchtig ist im Tragischen
wie im Komischen. Ihre seelenvolle Christine gehört
zu jenen schrankenlos Liebenden, denen Liebe Schick¬
sal ist. Ein sympathisches Organ, eine schlanke Er¬
scheinung, ausdrucksvolle Mimik, vor allem aber ein
schön verhaltenes Spiel, das besonders in den hin¬
gebenden Liebesszenen voll schlichter Wahrheit und
ergreifender Innigkeit ist, dazu der richtige Wiener
Ton hoben ihre Christine weit über den Durchschnitt
des „süßen Mädels“ empor. Es ist die Tragödie
eines jungen Weibes, das in Glück und Qual seinem
unerbittlichen Schicksal entgegengeht. Mit sicheren
Strichen zeichnete Frl. Malin die ungemein lebens¬
volle Charakterfigur der Freundin. Den gleichen
Typ, nur leichter und oberflächlicher, ohne den
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Wien III, Schwarzenbergplatz 5a
„OBSERVER“
I. österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien I, Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
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Grazer Tagespost, Graz
u ABENDAUSGABE
MAl935
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zungenfertig Vorwürfe ausspielt. Nichts klang wie
ein erbittertes, ausfälliges „zur Verantwortung¬
Theater, Kunst, Literatur
ziehen“. Bis zum Schlußwort, das erst eindeutige
Anklage ist, war alles sehr schön und so reichlich
„Liebelei“ und „Abschiedssouper“.
von Gefühl überblüht, daß man ohne Ernüchterung
Im Stadttheater am Montag.
mitempfand, immer nur das Herz und keinen
sonst so oft mitunterlaufenden advokatischen Ton
Die zwei Werke von Artur Schnitzler wur¬
den nochmals, und zwar mit Hausbesetzung zweier
hörte.
Frl. Malin konnte diesmal ihre urwüchsige,
weiblicher Hauptvollen gespielt.
lustige Mizzi im „Abschiedssouper“ in noch wirk¬
In „Liebelei“ war Frl. Cilli Posch ein
samer gesteigerter Art fortsetzen. Ein sehr fröh¬
sofort auch äußerlich gewinnendes Abbild des treu¬
liches Gegenstück zur Christine diese Annie, deren
herzigen, allzu seelenvollen Wiener Mädels, der
Herz ein Wanderpokal aus Halbedelmetall ist.
Christine. Eine jener weiblichen Typen des vori¬
Annies festlich alkoholisierter Abschied von der
gen Jahrhunderts, die noch nichts vom klugen
Liebe zu Anatol übertrug sich durch den fidelen
Flirt ahnten, nichts von Abbremsvorrichtungen
Charakter, den ihm die Darstellerin gab, in seiner
des Herzens, sondern die zu jenen zählten, welche
Heiterkeit rasch auf das Publikum, das ihr so gern
„sterben, wenn sie lieben“ (mindestens seelisch ster¬
dankte, wie es Frl. Posch für ihre schöne erste
ben; daß man auch ihren körperlichen Tod miterlebt,
Dr. A. M.
wie in der übrigens geschmackvollen Verfilmung
Leistung gedankt hatte.

der „Liebelei“, ist gar nicht nötig). Manchmal ver¬
mißt man bei der Darstellerin ein wenig die
Melodie der Sprache, aber das wird aufgewogen
durch den gar nicht verschminkten, grundehrlichen
Ton.
Frl. Posch zeigte eine Christine, die durch die
scheue, unbeherrschte Eifersucht, durch den er¬
schrockenen Unterton bei den Überraschungen, die
ihr der vielseitige Freund bereitet, rührend und
immer durchaus echt war.
In der letzten Szene, die für Auffassung und
Können entscheidet, und in denen sich bei den
meisten Darstellerinnen das Gedankliche der
Trümpfe vordrängt, wirkte sie nie als ein
Wesen, das im ungeeignetsten Augenblick (zum
Beispiel bei der Todesnachricht vom Geliebten)
Darstellungskunst. Ein besonderes Lob gebührt
lebenserfahrenen, resignierten Grundton, gab Frl.
Frau Frene; ihre Frau Binder ist das Kab
Hanke mit der Annie im „Abschiedssouper“. Das
stück einer boshaften Tratschen. Güte und verste
bißchen Theatralik und affektierte Pose der „Auch¬
Menschlichkeit gab Herr Czimeg dem alten
künstlerin“ verschwindet bald im übermütigen Cham¬
ring. Die Herren Afritsch, Rainer, Reic
pagnerrausch und zurück bleibt das leichtsinnige und
und Scharwenka stellten gut differenzierte
sinnliche, flatterhafte Mädel von spöttischer Schlag¬
scharf umrissene Männertypen auf die Bühne.
fertigkeit und einem starken Schuß Wiener Vorstadt.
Haus war sehr gut besucht; die Darsteller w
Das alles bringt Frl. Hanke in Detail und Nüance
mit viel Beifall, Frl. Hanke mit schönen Bl¬
voll lebendiger Charakteristik und beweist damit die
Dr.
Spannweite ihrer theatersicheren und routinierten spenden ausgezeichnet.