II, Theaterstücke 4, (Anatol, 1), Die Frage an das Schicksal, Seite 12

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an das Schicksal
Frag
Die
4.1. bieiige das Scheisen
M
Geliebte, Cora, ihm auch wirklich treu sei. Endlich sieht er ein! Gespielt wurde unter der künsilerischen Leitung von Herrn
Mittel, alle Zweifel zu beenden: in der Hypnose spricht Jeder die[ Vischer — mit Ausnahme des oben erwähnten Fehlers — ganz
reinste, lauterste Wahrheit. Er versenkt Cora in hypnotischen Schlaf, vortrefflich. Besonders war es Frl. Illing, die die Vittoria
aber er findet nicht den Muth, die schicksalsschwere Frage an sie zu ihren mustergiltigen Darstellungen Ibsenscher Frauengestalten
#richten. Selbst die qualvollste Ungewißheit zieht er der Möglichkeit gleichwerthig zufügen kann. Neben ihr gebührt Herrn Lettinger
volles Lob für seinen Abenteurer, dessen fortreißende Phantasie,
schwerster Enttäuschung vor. Dieser amüsante Stoff ist nicht ganz
überquellende Lebenskraft, sinnliche Genußfreudigkeit er vorzüglick
mit der spielenden, liebenswürdigen Grozie behandelt, die andere
zur Geltung brachte. Ganz reizend, frisch und lebensvoll war
Schnitzlersche Plaudereien auszeichnet; bisweilen glaubt man gar
Frl. Wendt als Cesarino. (Warum hatte man sie auf dem Zette
nicht den Urwiener Schnitzler zu hören, sondern eine elegante Ueber¬
setzung eines geistreichen französischen Dialogs. Dazu kam, daß die schnöde unterdrückt?) Auch der Damen Nolewska (Redegonda)
Darstellung schwerflüssiger, fast möchte ich sagen: norddeutscher[ Deklon (Marfisa), sowie der Herren Jessen (Lorenzo) un
war, als dem Stile der Bluette entsprach. Zwar Frl. Nolewska[ Spira (Salaino) sei anerkennend gedacht. Die „Freie litterarisch
war in Erscheinung und Spiel ganz prächtig, doch konnte ihre Vereinigung“ darf mit Stolz auf das trefflich gelungene Experimen
winzige Rolle den Eindru“ des Ganzen nicht beeinflussen. Aber so= zurückblicken; wenn man in Wien und Berlin geglaubt hatte, di
wohl Herrn Botz, wie Herrn Lettinger, sehlte doch die nöthige blühende Rhetorik Hofmannsthals durch brutale Striche bühner
Lässigkeit des vornehmen Müßiggängers. Es war Alles ganz gut gerecht machen zu müssen, so zeigte die Breslauer Aufführung, da
und verständig, aber bei derartigen Werken ist es gar nicht gut, zu man anderwärts die Aufnahmefähigkeit des Publikums für d
verständig zu sein. Da Herr Lettinger unmittelbar darauf die eigenartigen Gebilde des eigenartigsten Poeten unter den Moderne
H. Hr.
große und bedeutsame Rolle des Abenteurers Casanova, in die erzu niedrig eingeschätzt hatte.
sich völlig einzuleben wußte, zu spielen hatte, waren kleine Mränge“
der ersten Rolle um so entschuldbarer.
Ging von dem ersten Stücke viel durch die bedauerliche Unrul
des Hauses — je später einer kam, um so mehr schien er das Be
dürfnis
spüren, sich unliebsam bemerklich zu machen — verlorer
Hofmannsthals dramatischem Gedicht leider vieles durt
sog
unde
Sprechen auf der Bühne verloren. Sicherlich war vo
ie Absicht der Regie des Herrn Vischer lobensweril
vornhe
den intimen Reiz des feinen Stimmungsbildes dadurch voll zu
Geltung zu bringen, daß Alles in gedämpfter Abtönung gesproche
wurde, daß Alles wie eine weiche, zarte Melodie vorgetragen wurde
deren Ton durch Sordini noch verschleiert wurde. Nur durfte die
nicht so weit gehen, daß denjenigen, die das Werk nicht gelesen hatten
ganze Partien unverständlich, d. h. akustisch unverständlich blieben
Vielleicht blieb übrigens dem Einen oder Anderen auch manche
inhaltlich unverständlich. Um in dem glänzenden Gewirr bunte
Seidenfäden das Muster deutlich zu erkennen, muß man wenigsten
einigermaßen mit den luxuriösen, laxen Sitten des achtzehntei
Jahrhunderts, namentlich in den romanischen Ländern, vertrau
sein, und man muß bei der Beurtheilung des Charakters der Haupt
figur sich von dem Gedanken emanzipiren können, daß vornehm
glänzenden Abenteurer=Erscheinungen, wie Casanova, Cagliostr
und andere, irgendwelche Aehnlichkeit mit unseren großstädtische
Hochstaplern, Falschspielern oder Heirathsschwindlern haben. In
ewunderbarer Klarheit tritt, von Scene zu Scene sich deutlicher ent
hüllend, das Charakterbild Vittorias und Casanovas — bei Hof
mannsthal Baron Weidenstamm genannt — hervor; in ergreifender
Gegensatz. Vittoria, der die flüchtige Liebe des galanten Abenteurer¬
zum Lebensschicksal ward, der die Erinnerung an das kurze, be¬
rauschende Glück die Künstlerseele schuf, und Casanova, der nack
fünfzehn Jahren zurückkehrt und die kurze Episode längst vergesser
hat, der seinen eben gefundenen Sohn lächelnd verläßt, nachdem er
ihm — seine Börse mit Gold geschenkt, wie er sie, ein mitleidiger
Verschwender, jedem Bettler reichen würde. Auch Casanova ist
„ein Träumer und er hängt am Weibe“. Das Werk Hofmannsthals
ist, als es in der Bücherausgabe erschien, an dieser Stelle eingehend
besprochen worden, so daß ich glaube, ein weiteres Eingehen auf
seinen Inhalt und seine Eigenart mir ersparen zu müssen.