II, Theaterstücke 4, (Anatol, 1), Die Frage an das Schicksal, Seite 30

Frage an das Schicksal
Die
4. 1 ene .
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vom, 29 Jl. 1899
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—□ (Berliner Theater.] Im Lessing=Theater wurden „Die
Frage an das Schicksal“, Lustspiel in einem Aufzug von Arthur

Schnihter und„Die Erziehung zur Ehe“, Komödie in dret Rüs¬
zugen von Otto Erich Hartleben, zum ersten Mal ausgeführt. Mit
dem kleinen Einncter von Schnitzler hatte das Lessing=Theater kein
Glück: das Stückchen wurde stillschweigend zu Grabe getragen, und doch
#ist die Joee ganz hübsch, die Ausführung voll Schelmerei, wenn auch
vielleicht ein wenig zu lang, und die Darstellung war leicht und fast
völlig den Intemtionen des Dichters entsprechend. Ein junger Lebe¬
mann, Anatol, der ein Mädchen wirklich lieb hat, zittert vor Eifersucht
bei dem Gedanken, daß sie ihm vielleicht untreu ist, und folgert aus den
Freiheiten, die er sich in dieser Beziehung selbst gestattet, auf ähnliches¬
Betragen bei der Geliebten. Ein Jahr seines Lebens gäbe er darum,
die Wahrheit zu wissen. Der Freund, dem er diese Bekenntnisse ablegt,
schlägt ihm vor, das Mädchen zu hypnotisiren, da Anatol dies vermag,
und an sie, während der Hypnose, alle Fragen zu stellen, die zur Auf¬
klärung der Wahrheit nötig sind. Diese Idee erscheint Anatol vortreff¬
lich, und als Cora nun erscheint, wird sie, sehr zu ihrem Vergnügen,
in hypnotischen Schlaf versenkt. Aber nun schreckt Anatol vor der ent¬
scheidenden Antwort zurück, erweckt Cora, und das Stück ist aus. Die
Herren Jarno und Grunwald sowie Frl. Jäger spielten den Einacter
sehr hübsch. Einen sehr starken Erfolg errang die „Erziehung zur Ehe“
von O. E. Hartleben. Der Verfasser nahm diesmal zum Objeet für
seine starke, stets das Ziel treffende Satire jene eigentümlichen An¬
schauungen der sogenannten bessern Gesellschaftskreise, wonach das stärkere
Gesch echt für die Ehe, also für das moralische Familienleben, am besten
und sichersten durch die Immoral vor der Ehe erzogen wird. Das
Stück ist ohne Zweisel nicht frei von Fehlern: es leidet unter dem
Mangel an Handlung, auch dürfte die Figur der Meta etwas weniger
stizzenhaft erscheinen. Daß mitumer gewisse Aussprüche als brutal be¬#
Far
rühren, ist wohl kaum anders möglich, obwohl man vielleicht wünschte,
es wäre nicht gerade die Mutter des jungen Mannes, die sich so offen=

us
herzig äußerte. Aber diesen, immerhin geringen Mängeln gegenüber steht

der scharfe, treffende Witz des Dialogs, die vorzügliche Charalterzeich¬
„ 10
nung, ein köstlicher Humor und eine Beherrschung auch der ernsten Si=#ea¬
tuation, die dem Stück den Erfolg sicherten. Die Darstellung war durch= pien
Abon
weg sehr gut, in Einzelleistungen seibst vorzüglich. Willy Grunwald
Abon
spielte den blasirten und doch jeder Schürze nachlaufenden albernen
Jungen ganz ausgezeichnet. Karl Waldow riß als Lukel aus Sachsen
durch seine trockene Komik das Publicum zu wahren Lachstürmen hin.
Elise Sauer gewann der armen Meta alle Sympathieen durch ihre
einsache Natürlichkeit, durch einen Herzenston, der sich von inniger
Wärme bis zur Heftigkeit der Leidenschaft steigern kann. Unübertrefflich
war Emma Sydow als Zimmervermieterin; eine Figur von köstlicher
Komik, wie sie dem Verfasser vorgeschwebt hat. Auch die übrigen Rollen
waren sämtlich in den besten Händen. — Im Neuen Theater burde
„Der Hexenmeister“, Lustspiel in vier Acten von Fr. G. Triesch,
gegeben. Wer dieser Vorstellung des „Hexenmeisters“ beigewohnt hat,
der konnte sich überzeugen, daß trotz moderner Richtung, trotz Realis¬
mus und Naturalismus doch noch ein gut Teil des Berliner Theater¬
püblicums sich von den Ueberlieferungen des Benedixschen Geures nicht
hat losmachen können. In dem neuesten Lustspiel des Herrn Triesch
fand man alle die uralten verbrauchten Theaterkniffe und Theater¬
manierismen, die unmöglichen Figuren und ebenso unmöglichen Situa¬
tionen wieder, die vor mehr als dreißig Jahren die damalige Generation
von Theaterbesuchern unterhielten. Kein Wunder, daß die Schauspieler,
die aus diesen Puppensiguren Menschen machen sollten, es nicht ver¬
mochten, und daher fast alle in grobe Uebertreibungen verfielen, um mut
überhaupt etwas Leben in die Sache zu bringen. Am besten zog sich
noch Herr Claudius Merten aus der Affaire, der freilich auch, unter
Larven die einzige fühlende Brust, unter Puppen die menschenähnlichste
Rolle hatter Das Publicum applaudirte und rief sogar den Dichter heraus.
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Kleines Feuilletomosgte¬
J. S. (Berliner Theaterbrief.) Aus Berlin, 21. März,
schreibt man uns: Das Lessingtheater hatte mit der Première
von Otto Erich Hartlebens Komödie „Die Erziehung zur
Ehe“ einen sehr starken, durch das Werk und seine Darstellung
in gleicher Weise wohlverdienten Erfolg. Die dreiaktige „Satire“,
wie das Stück in der Buchausgabe heißt, ist keine Novität, und in
zahlreichen Provinzstädten hat sie bereits ihre sichere Bühnen¬
wirkung bewiesen. Es sind nicht große, abendfüllende Laster und
Schurkereien, gegen die Hartleben seine treffsichere Geißel schwingt:
Die korrekte und wohlgeborene Gemeinheit des Alltags langt er
sich aus den molligen Winkeln hervor, in denen sie ungestört ihr
patriarchalisches Dasein fristet, er geleitet sie mit aller Höflichkeit
auf das weithin sichtbare Schaffot, verabschiedet sich dann mit
jovialem Lächeln von der Delinquentin und überläßt die weitere
Exekution dem geneigten Publikum. Hartlebens Komödiengestalten
sind keine Karikaturen, sondern friedliche Bürger des heiligen
Reiches Philisteria, die der unerbittliche Satiriker in allerhand heikle
Sitnationen bringt, vor allerhand gransame Fragen stellt, durch
die sie wider ihren Willen genöthigt werden, die tiefsten Heilig¬
thümer ihres Herzens zu öffnen und das blamable Interieur den
Profanen Blicken der Spötter preiszugeben. Selbst angesichts der
sollsten Szenen haben wir immer das Bewußtsein, daß nichts
Abertrieben wird, daß diese Leute absolut konsequent handeln, daß
sie sich in der gegebenen Lage eben nothwendig so geberden
müssen, wie sie der Dichter zu unserem Gandium sich geberden
läßt. Zur Ehe erzogen wird der hoffnungsvolle Sprößling eines
begüterten Bankierhauses, Herr Studiosus Hermann Günther. Als
Erzieherin bethätigt sich mit bestem Erfolge die verwitwete Mutter
des jungen Herrn. Um ihn der guten Gesellschaft zu erhalten,
nöthigt sie ihn dazu, daß er eine arme Buchhalterin, die er ver¬
führt hat, ins Unglück stößt. Aber während der liebe Junge mit
dem entlassenen Hausmädchen, der hübschen Jenny, eine weniger
tief gehende und daher dem Mitgliede der guten Gesellschaft
erlaubte Liebelei anknupst, erscheint im Hintergrunde bereits die
rächende Nemesis in Gestalt des Fräulein Bella, der gute
für die der unglückliche Herme
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über dem sonveräuen Humor, gegenüber dem berückend
den das Ganze athmet. Und daß der Schöpfer diese
fein gearbeiteten Szenenreihen etwas mehr ist, als
Spötter und glänzender Humorist, daß sich hintert
lassenen Satire eine große und ernste Dichterpersönlichkeit verbirg
das, glaube ich, empfinden selbst diejenigen, die Hartlebens Geißel
trifft. — Die Darstellung war durchweg vortrefflich. In den
Hauptrollen zeichneten sich Willy Grunwal
Jona (Frau Günther) und Mary Hohenth
Jenny) aus. Von prächtiger Echtheit war die
vermietherin des Frl. Emma Sydow und eine erf
raschuug bereitete uns Frau Elise Sauer, die
Buchhalterin wahrhaft große tragische Töne fanl
Einakter „Die Frage an das Schicksal“
ler, der der Hartlebenschen Komödie vorausging,
flörren Darstellung — Josef Jarno als Anatol — vom Publi
abgelehnt.
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