II, Theaterstücke 3, Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen, Seite 7


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3. Das Maerchen
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die nächstgelegene Wachstude ge.
wurde, Sein Zustand wird als ein fer Föhigung sbiaupiineg
Theaier und Kunst.
(Deutsches Volkstheater.) Gestern ist das dramatische Jung¬
Wien, Jüngst=Wien sogar zu Worte gekommen. Man spielte zum
erstenmale das dreiaktige Schauspiel: „Das Märchen“ von Arthur
Schnitzler. Es ist so viel wie ein Erstlingswerk, und mon
staunte über die merkwürdige Bühnensicherheit, mit der es sich selbst
in den französischesten oder norwegischesten Situationen bewegte. Ohne
Zweifel liegt darin ein starkes Talent, äußeres Leben in natür¬
lichen Farben zu photographiren. Eigentlich auch inneres; in den
beiden ersten Akten deutete mancher vortreffliche Zug darauf, aber
schon von der Mitte des zweiten angefangen sah man, daß der Ver¬
fasser wenigstens nicht ausdrücklich zum Dramatiker geboren ist. Er
wußte immer weniger, wo er hinsteuerte, etwas wie Handlung wollte
sich vollends gar nicht entspinnen, der dritte Akt schleppte sich als ziel¬
loses Gezänk und schloß ohne Schluß. Auch der äußere Erfolg artete danach. Die
se
ersten Aktschlüsse brachten freundliche Hervorrufe, der letzte versagte völlig, ja
er wäre um eine gewisse komische Klippe fast nicht herumgekommen.
„Das Märchen“ also! Wenig fehlt, so erführe man gar nicht, worin
das Märchen besteht. Es ist das Märchen vom gesunkenen und wieder
aufgerichteten Weibe. Da ist Fanny Theren, eine hochbegabte Schau¬
spielerin, die auch ihren . . . Moment gehabt hat, ohne daß die Welt
darüber Bestimmtes wüßte. Fedor Denner weiß auch nichts. Und wenn er#es
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schon wüßte, müßte er sie nicht doch lieben? Er ist ja der Allerentschiedenste
in einer Gruppe von jungen Leuten, die bei Mutter Theren's Thee
über die Wiedererhebung von Gesunkenen äußerst Dumas'sche Reden
führen. „Wir wollen keine Brutalität und kein Vorurtheil,“ sagt er.
„Haben wir Männer keine Vergangenheit?“ Ja, Fanny und er lieben
sich leidenschaftlich. Er würde sie jedenfalls heiraten, wenn ...
Er
erfährt es aber, in den beiden besten Szenen des Stückes; das verräth
sich ohne viel Worte und dann muß sie ihm die ganze bittere Beichte
ablegen. Wie sagte er einen Akt früher? Keine Brutalität
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und kein Vorurtheil! Nun, da die Fabel auf ihn selbst geht, kommt j.,
erst das Vorurtheil und dann die Brutalität. Er bricht einen Streits#
vom Zaun, den bekannten Streit Derjenigen, die vor sich selber Unrecht=#
haben, und verläßt sie. „Er darf mich behandeln wie einen“ (ihr
Schluchzen verwischte das Wort), sie stürzt zusammen und der Vorhang
fällt. Man fragt sich: Was meint der Verfasser damit? Ist er nun¬

dafür, daß Fanny erhoben werde, oder daß sie ihrem natürlichen
Weitersinken überlassen bleibe? Er sprach sich anfangs für ihre R
Rettung aus; nun schweigt er. Oder hatte er überhaupt keine Tendenz?
Was ließe sich auch nach Dumas in dieser Richtung noch vorbringen?
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Wollte er blos ein Bild des grausamen Lebens malen: so ist es und
ich kann es nicht ändern? Dem jungen Wahrheitsmaler sähe dies
ähnlich. Aber das ist kein Theaterstück. Zwei Akte lang fleht Fanny#
den Mann an und verspricht ihm goldene Berge der Liebe; und er weiß
sich immer nicht zu helfen, aber er „quält“ sie, bis er sich endlich drückt.
Im letzten Akte kämpfen diese zwei Unentschlossenheiten mit einander:
Es ist eigentlich schade um die vielen talentvollen Einzelheiten. Es
fehlt nicht an interessanten Wendungen der Situation und an kühnen.
sogar wahren Worten, die oft eine analytische Schneidigkeit haben.
BeX
Dazwischen freilich kommt viel Oftgehörtes, und eine Neigung zu Wieder¬
holungen macht die Sache nicht neuer. Die Darstellung hatte Farbe
und Rundung. Frl. Sandrock spielte die Fanny mit einer gedämpften jet
Leidenschaftlichkeit, die ganz das Richtige traf. Herr Nhil als Fedor#

Satt.
Denner war vortrefflich; selbst als der Charakter schon versumpft¬
blieb er nicht ganz stecken. Die Herren Eppens, Weisse und
Tewele möblirten den Theren'schen Salon gut, noch besser die
Herren Kutschera und Giampietro als zwei gutmüthig be##

schränkte Wiener Lebejünglinge, die Heiterkeit erregten. Fräulein
Hell war als „anständige“ Schwester sehr sympathisch; die Damen
Berg, Trenk und Gribl recht angemessen; Fräulein Bock, das
Mädchen aus dem Burgtheater, wohlgeformt, aber etwas einförmig.
te
ze
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eu.

.. Gefahr sei.
*
Vor den Coulissen.
Unser wiener Correspondent schreibt uns:
Die Sonne des Naturalismus ist im Untergange
begeiffen, zumindest in deutschen Landen, und ihre
Apöfkel senken das Haupt. Ehe der feurige Sonnenball
in's Meer gleitet — in diesem Falle wohl in das Meer
der Ewigkeit — hat er aber noch eine Beleuchtungs¬
Probe vorzunehmen: Das Werk eines wiener Schrift¬
stellers, Arthur Schnitzler's, das dreiactige Schau¬
spiel „Das Märchen“ ist es, welches nach dem
Sonnenlicht des Naturalismus dürstet. Der Doctor
Faust muß es Herrn Schnitzler angethan haben. Gleich
diesem hat er eine Menge studirt, hat den Doctorhut
erworben und durch geraume Zeit statt wie jetzt den
Pulsschlag der Zeit, den Pulsschlag der Kranken
geprüft und, wieder gleich Fansten, der Menschheit
Weh erfaßt, worauf ihn vice versa der Menschheit
ganzer Jammer anfaßte. Ging darauf hin und beschloß,
die Welt zu reformiren, vor allem aber die Schäden
der derzeitigen gesellschaftlichen Zustände bloszulegen.
An Geist und Temperament fehlt es dem Himmels¬
stürmer nicht: freilich ist der Pegasus des Naturalismus
ein ungesatteltes Pferd, der eher den Reiter abwirft
als sonst etwas. Die keck zugreifende Art, wie sie auch
Schnitzler zu eigen ist, gefällt uns gerade gut, sie fordert
immerhin Beachtung. Sehen wir uns nur einmal an,
welcher Sache der begabte Sittenrichter und drama¬
tische Scelenarzt seine Kraft weiht.
Das Märchen“ ist eine Art unendlicher Melodie
der moralischen Entrüstung. Schnitzler ist so entrüstet,
daß wir nicht anders können, als auch unsererseits tief
entrüstet zu sein, nur mit dem Unterschiede, daß wir es
nicht über die Sache sind, die der Dichter führt, sondern
nur über diesen selbst.
Hören Sie und entrüsten Sie sich! Der junge
Dichter verficht die Auschauung, daß man mit einem
jungen Mädchen, welches in der Aufwallung einer ersten
Liebe einen Fehltritt begangen hat, darob ebensowenig
strenge in's Gericht gehen dürfe, wie mit einem jungen
Manne. Gleiches Lieberecht für Alle verlangt der
neneste Vertheidiger der Gefallenen, die er aber als
solche nicht gelten lassen wist. Der Held seines Stückes,
der Schriftsteller Fedor Demmer, hält eine wahre
Brandrede gegen das „Märchen von dan Ge¬
fallenen". Unter seinen Inhörringen benädet sich
auch Fanny Theren, eine kleine Schauspielerin, von der Gre
kurz zuvor aus dem Munde einiger redseliger Typen
jener jungen Herrenwelt, in der man sich nicht lang¬
weilt, erfahren, daß sie bereits gestrauchelt sei. Sie ist
rg
aber entschieden besserungsfähig und bereut auscheinend
tentief, daß sie ihren Verstand mit dem Herzen hat durch¬
gehen lassen. Die Worte Fedor's sind ihr Labsal,
umsomehr als sie ihn liebt, von ihm wiedergeliebt
wird und nun hoffen darf, daß sie ihr Lebensgluck an
in
(Fortsetzung in der 1. Beilage.)
95
e
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)
seiner Seite finden werde. Fedor ist aber nur eins entgeg
einer
Maulheld. Sowie er erfährt, daß auch Fanny
war.
Auspruch darauf zu erheben vermag, in das
Märchenland der Gefallenen versetzt zu werden, [Löw
wird sein Glaube an seine eigene Thefe stark als P
im L##
erschüttert. Er vermag es anfangs nicht zu glauben
Fanny kauer
und greift zu dem nicht heroischen Mittel
backen
selbst zu befragen. Sie legt ihre Beichte ab. Aus
der sä
dieser erfährt Fedor, daß auch der Mann, der ihm als
Darst
der vordem Begünstigte Fanny's bezeichnet worden ist,
sonst
nicht der Erste war, dem sie ihr Herz geschenkt. ..
Nummer Eins war die Verirrung der Siebzehnjährigen.
und
Und als sie ihm diese peinlichen Geständnisse gemacht
Häuse
hat, gemacht, trotzdem er ihr vorher die rohen Worte
das
zugerufen:
Vita“
.. Ich habe keine Lust, einen neuen Irrthum in
Ihrem Leben zu bedeuten, und es giebt keinen Beweis da¬
Leistu
für, daß es nicht wieder ein Irrthum wäre .. . Ich weiß
Werk
nicht genau, der wievielte ..
„Cari
- macht Fedor seinerseits Fanny eine glühende Liebes¬
rausch
erklärung und beschwört sie, ihm zu sagen, daß sie ihn
Perso
liebe. Damit schließt der zweite Act, welcher in Fedor's
beiden
Wohnung spielt. Im letzten Acte ist Fanny mit einem
italie
Male durch die erfolgreich gespielte Rolle — natürlich
Sonst
eine „Gefallene“
zu Namen gelangt. Doch nagt
nicht
etwas au ihrem Herzen. Fedor hat sich von ihr ab¬
von C
gewendet. Seine Anschauungen haben also anscheinend
Leistn
den britien Häulungsproceß durchgemacht. Unsere Er¬
Wacl
wartungen haben uns nicht getäuscht; Fedor behandelt
iul
seine Geliebte mit gransamer Kälte, mit einer so
sang
bodenlosen Verachtung, daß in Wirklichkeit jede Cour¬
Rolle
tisane einem derartigen Patron energisch die Thür weisen
Geleg#
würde. Fanny aber zuckt nicht allein nicht mit der
Nachtl
Wimper, sondern benimmt sich, wie folgende Dialog¬
gezeich
stelle zeigt:
wachse
Fedor. Deine Rolle! Es muß sehr wohl thun, wenn
tischen
man so seine eigenen Erlebnisse zu künstlerischen Zwecken
mit D
ausnutzen kann