II, Theaterstücke 3, Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen, Seite 8


macht Fedor seinerseits Fanny eine glühende Liebes¬
rauschend
erklärung und beschwört sie, ihm zu sagen, daß sie ihn
Personal
liebe. Damit schließt der zweite Act, welcher in Fedor's
beiden
Wohnung spielt. Im letzten Acte ist Fanny mit einem
italienisdh
Male durch die erfolgreich gespielte Rolle — natürlich
Sonst u
eine „Gefallene“
zu Namen gelangt. Doch nagt
nicht vie
etwas an ihrem Herzen. Fedor hat sich von ihr ab¬
von Em
gewendet. Seine Anschanungen haben alfo anscheinend
Leistung
den Rtitten Haulungoptoleß dnrchgensicht.
Uisere Er¬
(Wachti.
wartungen haben uns nicht getäuscht; Fedor behandelt
Fräulein
seine Geliebte mit gransamer Kälte, mit einer so
sanglich
bodenlosen Verachtung, daß in Wirklichkeit jede Cour¬
Rolle de
tisane einem derartigen Patron energisch die Thür weisen
Gelegen!
würde. Fanny aber zuckt nicht allein nicht mit der
Nachthei
Wimper, sondern benimmt sich, wie folgende Dialog¬
gezeichne
stelle zeigt:
wachsen,
Fedor. Deine Rolle! Es muß sehr wohl thun, wenn
tischen
man so seine eigenen Erlebnisse zu künstlerischen Zwecken
ausnutzen kann (1!).
mit Dill
das man
Fanny. Herrgott, wenn ich Dich nur allein hätte!
v. Rutte
Ich kann Dir doch hier nicht um den Hals fallen! Fedor,
quäle mich, ja, ja, Du hast recht, ich bete Dich doch an!
dennoch
Fedor. Ich Dich auch — leider.
dermale
Und später theilt Fedor der Dame seines Herzens
Theater
mit, daß er nicht früher kommen konnte, denn „ich
Neuman
mußte zur Hochzeit eines Deiner früheren Geliebten!“
genesen
In diesem Kneipentone geht die Handlung fort und
Landesa
man begreift es nicht, daß es trotzdem Fanny einen
über 189
derartigen Seelenkampf kostet, aller Erniedrigungen und
Zurücksetzungen ungeachtet, einen Engagementsantrag
nach Petersburg anzunehmen, denn selbst dort kann sie
unmöglich mit schneidenderer Kälte behandelt werden
wie in Wien von Fedor.
Anto
Die Nebenfiguren reihen sich mit wenigen Ausnahmen! Lesern so
jenen fadenscheinigen Haupthelden würdig an. Die künstlert
Freunde Fedor's befleißigen sich einer Sprache, die Theatern
Einem, der auch die Prüderie nur vom Hörensagen! Verdiens
kennt, die Schamröthe in die Wangen treiben muß. Die
der Ex)
Frage, die einer dieser Gentlemen stellt, als er in die
literarise
Familie Fanny's eingeführt wird, und die sich auf die System,
Aspecten bezieht, welche der Verkehr in dem Hause! Eifer un
eröffnet, wage ich nicht anzudenten. Wirklich hübschthätigen
gezeichnet mit einer Empfindung, die im grellen Wider=1 Direction
spruch steht mit der Frescomalerei der Anderen, ist nur
aufgefüh
die Schwester Fanny's, Klara, die ehrbar ist und
Annoal
Fanny's Charakter scharf verurtheilt. Um so verletzen¬
Als Ai
der wirkt es, daß diese sich über Klara zu stellen ver¬
legte,
sucht und ihr Vorgehen gegenüber dem der Anderen
Herrn Fr
vertheidigt, die einem braven Manne ihre Hand reicht,
zu über
wiewohl sie ihn so eigentlich nicht liebt. So wirkt
bereitung
in dieser neuesten Seifenblase des Naturalismus
da trat
alles zusammen, um abstoßend zu wirken Schade,
„Wallnei
daß ein so begabter Schriftsteller, wie Schnitzler, sein Hasemar
Talent an so unedle Aufgaben verschwendet, daß er die
des köni,
Sache der Verlorenen zu führen unternimmt, die doch
der Jus
immer — eine verlorene Sache bleiben wird. Schnitz¬
der
ler's Vater war der bekannte Laryngologe Professori Als An
Schnitzler; er hat den Leuten in den Hals gesehen —
des kön
der Sohn bemüht sich, auf andere Art einen Einblick am seitt.
in das Innere der Menschen zu gewinnen; seine Ob¬
währte R
jectivität scheint ihn dabei jedoch im Stiche gelassen
Theaters“
zu haben.
bildung
Es wäre ein falsches Beginnen, den sehr sympathi¬
Ensembl¬
schen jungen Mann durch eine milde Kritik über seinen
Schöpfer
Fehlgriff zu täuschen. Das „Märchen“ gelangt morgen
den Juse¬
(Freitag) im Volkstheater zur ersten Aufführung.
schätzen.
Ich war mein Lebtag nicht so sehr gespannt auf die arbeiter
Wirkung eines Stückes auf das Publikum, wie in
einen Ne
diesem Falle. Es ist eine Kraftprobe auf den ästheti¬
gestern a
schen Sinn der großen Masse.
S. L.
„Sehl
Pflicht,
Ueber die Aufnahme des vorstehend besprochenen
daß Her
Werkes ehalten wir folgende Depesche:
einem E
Im Volkstheater ließ sich bei der Aufführung des
schöpfung
Mitten
„Marchen“ das Publikum von der geschickten Mache
Thätigkei
und dem discreten mildernden Spiel des Frl. Sandrock
„Lessing=?
(Fanny) und Nhil's (Fedor) Anfangs gefangen nehmen,
unterzeich
so daß es moralische Einwendungen unterdrückte. Nach
und Frei
den ersten zwei Actschlüssell mußte mit den Darstellern,
Arbeitsg.
wenngleich nicht einwandsfrei, auch der Antor erscheinen.
Blume
Die verletzende Entwickelung des Schlußactes rief
Dir.
jedoch allgemeine lebhafte Entrüstung hervor. Der
bescheide
Vorhang fiel unter einmüthigem Zischen.
eigenen
tische Hi
Aus Prag, 30. November wird uns geschrieben: große
Nach einer längeren
durch Indispositionen der Bühnen
— Mitalieder bedingten
e brachte unser deutsches oder §
avität z=Skowionnet'sl müller“
KAber
3. Das Maerchen
box 7/2
m. an e e e ere eren eenenen
h wurde, könnie nicht als stichhaltig getten.
*
Wiener Brief.] Aus Wien, 2. December, wird uns
geschrieben: „Gestern wurde im Volkstheater zum ersten
Male das dreiaktige Schauspiel: „Märchen“ von Arthur Schnitz¬
ler aufgeführt. Die zwei ersten Akte gefielen sehr, der Antor,
wiederholt gerufen, dankte; der dritte Aufzug aber wurde von einem
Theile des Publikums abgelehnt, vom andern beklatscht. Schnitzler
zist ein junger Arzt, der Sohn des kürzlich gestorbenen Leibarztes
Zder Frau Wolter, Professor Schnitzler, welcher sich weit und
Fbreit großer Beliebtheit erfreute. Diese ausgebreitete Bekanntschaft
Fhat der sehr begabte Sohn geerbt. Er gehört der modernen Richtung
gan und breitet in Hemicyelen Schicksale der Menschen aus. Er
führt vor und aus, was sich ereignet und was dabei gedacht, empfun¬
den und gesprochen wurde, er nimmt keine Partei und überläßt es
dem Publikum, zu urtheilen. Also: er baut das Stück nicht wie
eine Pyramide und fordert nicht zur Antheilnahme für und wieder
auf. Das steht Jedem frei; aber solch Entsager darf nicht vom
Publikum, das beim Alten aufgewachsen ist, Triumphgeschrei er¬
warten. Der Duval im „Märchen“ hebt eine Gefallene auf, stößt
sie aber, nachdem er sie einige Zeit hindurch gekannt hat, wieder von
sich, weil er nicht vergessen kann, daß vor ihm auch Menschen gelebt
haben. Er predigt: „empor die Magdalena!“ und erniedrigt sie
dann. So sind wir Alle! will Schnitzler sagen; nun vielleicht hat
er Recht, aber diese kühle Objektivität darf nicht beanspruchen, er¬
wärmen zu können; wie gesagt, der Duval in der „Cameliendame“.
wirkt mehr, und Marguerite Gautier hat doch viel mehr gefehlt als
Schnitzlers Patientin, die doch nur einen Doppel=Beinbruch erlitten.
Das „Merchen“ ist Schnitzters Habilitations=Stück; der begabte
Autor wird wohl nicht Privatdocent bleiben, sondern ein berühmte
(Theater=Professor werden. Er wurde gestern brintant affistirt
Zbesonders von der Sandrock.“
M Ce
Novi
ein
Deutsches Volkstheater.
nicht
H—e. „Das Märchen“ ein angebliches Schauspiel in
6. d.
drei Acten von Arthur Schnitzler, einem jungen Arzte und
Sohne des verstorbenen Professors Med.-Dr. Schnitzler, ist kein
Prof
Theaterstück, sondern eine Sammlung von moral=philosophischen Ab¬
handlungen mit „vertheilten Rollen." „Das Märchen“ hat keine
wurd
Handlung; es gibt darin weder Spannung noch Entwicklung, son¬
akad
dern nur eine endlose Reihe von Gesprächen, in welchen der Ver¬
Dire
fasser seine Ansichten über die Stellung gefallener Mäochen und über
Proc
sonstige gesellschaftliche Probleme kundgibt — Ansichten, die mit¬
dung
unter nicht ohne Geist sind, die aber den Zuhörer bald ermüden,
in ei
namentlich, wenn sie mit so leiser Stimme und so schwer verständ¬
nehn
lich vorgetragen werden, wie dies im Deutschen Volksthater der Fall
war. Verständlich sprachen nur die Herren Meixner und Weisse;
land
alle Uebrigen, sowohl Herren als Damen, unterhielten sich mitein¬
Dor
ander in dem vertraulichsten Tone ohne die mindeste Rücksicht auf burg
das anwesende Publicum, für das doch eigentlich gesprochen und wese
gespielt werden sollte. Wenn „Das Märchen“ schließlich vom Publi¬
und
cum abgelehnt wurde, so ist daran nicht etwa blos die unglückliche
musi
Lösung des Conflictes oder das angeblich „Gewagte“ der Situationen, seine
sondern einfach der Umstand schuld, daß „Das Märchen“ ein
an
langweiliiges Stück ist, dem es an Blut und Leben fehlt. Auch war
nich
die Besetzung der Rollen keine glückliche. Den dritten Liebhaber ber
neue
Gefallenen“ hätte nicht Herr Nhil, sondern Herr Kutschera
spielen müssen, der sich dafür zu einem Gigerl zwingen mußte, das
ihm doch Niemans glauben konnte. Herr Giampietro war mit
seiner ewigen Frage, ob mit der oder der „etwas zu machen“ sei,
recht drollig. Die mehrfach gefallene Hldin spielte Frl Sandrock
bis auf das zu leise Sprechen recht gut. Warum hat der Autor diese
war
Gefallene zu einer Schauspielerin gemacht? Sein Thema hat dadurch
dure
an Schärfe viel verloren, da man mit Theaterdamen in diesem Punkte
Mu
überhaupt nicht zu strenge in's Gericht geht, indem man wohl weiß,
wie schwer es ihnen wird, ihre Tugend zu bewahren. In kleineren
Ni
Rollen wirkten Herr Tewele, köstlich wie immer, und die Damen
bei
Hell, Gribl und Bock verdienstlich mit. Das liebenswürdige
lang
Publicum des Deutschen Volkstheaters, obwohl durch die „geist¬
betit
reichen“ Gespräche sichtlich abgespannt, applaudirte dennoch nach den
hört.
ersten zwei Acten und Herr Schnitzler konnte wiederholt dankend auf
jede
der Bühne erscheinen. Der dritte Act aber wurde unbarmherzig aus¬
ima
gezischt.
und
Mo
„ „.0# aimens-