II, Theaterstücke 3, Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen, Seite 10

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Das Maerchen
3 . J n eenenen e e
Theater, Kunst und Ziteraiur.
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Deutsches Vallstheater. Herr Arthur Schnitzler,
der junge Wiener Auter, dessen dreiaktiges Schauspiel „Das
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Märchen“ gestern zur ersten Aufführung gelangte, gehört
zu den „Modernen“. Wie man sich zu dieser Richtung auch

stellen mag, sie hat sich die Bühne erobert und man muß mit
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ihr rechnen. Aber selbst derienige, welcher der neuen Strömung
das größte Wohlwollen entgegenbringt, muß zugestehen, daß 1 ##
manche von den Neuen ein besonderes Geschick haben, sich ze
den Leuten im Vorhinein unangenehm zu machen. Bei dem
gestern aufgeführten „Märchen“ ärgert man sich schon über
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den Zettel. „Fedor Denner“, „Robert Well“, „Moritzky“
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und so weiter steht da zu lesen, ohne jede weitere Neben¬
der
bezeichnung. Das ist für das Publikum nun etwas ganz
Ungewohntes. Was verschlägt es denn dem Antor, wenn er
schreibt: „Robert Well, Maler“, „Moritzky, Theateragent",
wie es auf dem deutschen Theater nun einmal üblich ist?
Falls ein solcher Theaterzettel einmal ein Stück mit großem
die
Personal beträse, so konnte man ebenso gut darauf schreiben:
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„Personen, siehe Wohnungsanzeiger“, da stehen die verschie¬
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denen Fischer, Huber, Müller, Meier alle verzeichnet, und in
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Erwartung der Dinge kann sich der Leser einen heraussuchen,
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der ihm gerade paßt. Gehört diese bloße Namensnennung
auch zum „Prinzip“ der Modernen, dann ist das jedenfalls ein
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eine kindische Prinzipienreiterei, die mit dem Wesen der
Sache gar nichts zu thun hat. Das neue Stück selbst seit
behandelt das Thema von den „Gejallenen“ — siehe die unt
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bekanntesten Franzosen und die Wiener „Gefallenen Engel“
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Herr Schnitzler ist aber jedenfalls ein sehr gebildeter Autor,
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das merkt man in dem Stücke; er vertheidigt seine Vorlage:
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„Den Gefallenen muß verziehen werden“ mit Geist, seine
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Sprache ist gewählt und einzelne Wendungen sind von
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frappirender Wahrbeit. Diese spielt selbstverständlich über¬
hoft
haupt eine große Rolle in der Novität, und wir erklären
uns vollkommen damit einverstanden, daß Direktor Bukovics
23.
einem der Modernsten seine Bühne geöffnet, wir müssen aber
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alch konstatiren, daß einige allzu wahre, das heißt allzu
mite
gewagte Dinge dem Publikum nicht sehr behagten. Als
End
Bühnendichter hatte Herr Schnitzler leider keinen wirklichen
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Erfolg zu verzeichnen, sein Stück entbehrt der dramatischen
erbr
Handlung, es wird nur immer gesprochen, sogar immer
Gelt
wieder dasselbe, allerdings, wie schon erwähnt, gut gesprochen,
aber es geht in dem Stücke nichts vor. Ebensowenig hat es
einen, wir wollen nicht sagen „befriedigenden“, das wäre
einem Modernen gleichgiltig, aber eigentlichen Abschluß. In
Gebr
Uebri
der Darstellung traten die Damen Sandrock, Hell,
Zeit
Ihre
Berg, die Herren Nhil, Cppens, Tewele, Weisse
chines
hervor. Frl. Sandrock hatte die „Gefallene“ zu spielen,
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Der
von der Frl. Heli einmal sagt: „Es ist doch meine Pflicht,
militä
über dies Kind zu wachen.“ Natürlich konnte Frl. Sandrock
auch nur die schwer dramatischen Momente tressen, während
die Rolle sonst nicht für sie paßte. Sehr hübsch führte sich
Frl. Bock vom Burgtheater ein und ein ganz kleines
Episodenröllchen fand in Frl. Gribl eine charmante Ver¬

treterin. Den schauspielerischen Haupterfolg des Abends
hatten aber die Herren Kutschera und Giampictro.
Es geht einem jest wirklich schon in die Nerven, wenn
man — im Schauspiel, im Lustspiel, in der Posse, im
Ballet — immer wieder Gigerl auf der Bühne sieht, aber
die beiden genannten Darsteller waren so köstliche echte
Wiener Gigerl, daß sie mit jedem Worte Heiterkeit erregten.
Nach den beiden ersten Akten wurde Herr Schnitzler mit den
Darstellern mehrfach hervorgerufen, am Schlusse gab es leb¬
I. b.
hafte Opposition.
te
Theaterzeitung.
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Deutsches Volkstheater. Ein junger Wiener
rau Arzt, der sich als geistvoller Novellist einen Namen gemacht
e zu
hat, erschien gestern mit dem dreiactigen Schauspiel
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„Das Märchen“ auf dem Plane. Das Jahrhundert
ion
liegt in den letzten Zügen und die Aerzte gehen unter
ses
die Schriftsteller. Sie horchen auf den Puls¬
vei
schlag der Zeit, klopfen die Gesellschaftsordnung ab,
er¬
halten der Menschheit einen Spiegel vor und
schreiben unleserliche Recepte. Arthur Schnitzler, der
ich
er
Verfasser der gestrigen Novität, ist ein sehr begabter
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Mann, dem wir an dieser Stelle wiederholt Lob und
Preis gesungen. Nun betrat er zum ersten Male die
Bühne und hielt dort, wenn man mit Rücksicht auf
die Ungenirtheit des dargestellten Schauspiels so
sagen darf, seine

dramatische Jungfernrede.
Wir haben es diesfalls mit einem Thesenstück
nach französischen Mustern zu ihun. Soll man eine Ge¬
fallene heiraten oder sitzen lassen? Das ist die Frage.
Ja, brennt denn diese Frage noch immer? Ei freilich,
dieweil sie auf dem Theater so
häufig geschürt
wird! Der Held des Stückes ist ein Dichter, der
in der Theorie über das gesellschaftliche Vorurtheil gegen
die Gefallenen hinaus ist, aber in der Praxis den Muth
seiner Ueberzeugung einbüßt. In der Theorie nennt er
dieses Vorurtheil ein Märchen und in der Praxis handelt
er genau so, wie die Anderen alle. Dieser wunderliche
Philosoph ist sein ersonnen, aber schlecht aus¬
gesponnen. Wol entschlösse er sich, bei dem
Mädchen seiner Wahl der Zweite zu sein, aber er ist der
Dritte, ach, der Dritte — und darüber kommt er nicht
hinweg! Die Heldin, eine wenig sympathische Dame vom
Theater, beschleunigt den Einsturz der aufgestellten Theorie.
Sie ist nicht unglücklich, wie Denise, sondern macht eher
den Eindruck einer gesund entlassenen, mit Koch'scher
Lymphe geheilten Cameliendame. Nach dem ersten Angriff
auf ihr Tugendkapital suchte sie Betäubung in
einer zweiten Liebschaft und will nun, bei einer
dritten angelangt, gewaltsam in die Ehe einrücken.
Durch das Beispiel ihres Philosophen aufgemuntert, redet
auch sie ein Langes und Breites über die verlogene
Gesellschaftsmoral und findet es sehr gemein, daß
sich ihre Schwester behufs Versorgung von einem
ungeliebten Manne
heiraten lasse! In ihrer
maßlosen Sehnsucht, unter eine ehrbare Haube zu
kommen, besucht sie den Helden in abendlicher
Stunde in seiner Wohnung, wirft sich ihm an den Hals
und macht ihn nach einer sehr bewegten Liebesscene zum
vorübergehenden Dritten! Die beiden Aufzüge, in
denen das Für und Wider erörtert wird, sind mit
Talent gearbeitet und trugen dem Verfasser stürmischen
Beifall ein. Im Hause wurde überdies so viel gehustet,
daß es factisch nothwendig gewesen wäre, den jungen
Doctor noch öfter zu rufen, als es ohnedies geschah.
Leider hielt der dritte Act nicht, was seine beiden Vorgänger
versprochen hatten. Der Held und die Heldin fingen an,
miteinander zu zanken, als ob sie schon verheiratet wären,
indeß wuchsen sie nur zusammen, um auseinander zu
gehen. Er wurde brutal und sie unterschrieb aus Zorn
einen glänzenden Vertrag nach Petersburg, worauf das
Stück zu Ende war. Und in Rußland kann es nun geschehen,
daß die von einem simplen Dichter verlassene Gefallene
von einem Fürsten geheiratet wird, der sich über das
Vorleben einer talentvollen Schauspielerin nicht die
geringsten Skrupel macht! Die Begabung des Ver¬
fassers ist jedenfalls bedeutender, als sein Stück,
das sich mangels einer Handlung aus lauter, mit¬
unter allerdings interessanten Gesprächen
zusammen¬
setzt. Auch ist es nicht so naturalistisch, wie sein
Ruf, womit allerdings nicht gesagt sein will, daß
„Das Märchen“ ein passendes Weihnachtsgeschenk
für Kinder sei. Man kann es schlimmsten Falles ein
Fächerstück nennen, ein Stück, in welchem junge, aber
noch erröthende Damen ihren Fächer wiederholt in Ge¬
brauch nehmen. Die Darsteller spielten gut. Fräulein
Sandrock gab die dreimal gefallene Schau¬
spielerin mit lobenswerther Discrection; nur die große
Sceue im dritten Acte sprach sie zu leise, sozusagen
mit gedämpfter Zunge. Herr Nhil redete sich von den
zwei Seelen, die in seiner Brust wohnten, eine heraus,
aber er that dies mit hohem Anstand. Ein gut ge¬
zeichnetes Wiener Gigerlpärchen fand in den
Herren Kutschera und Giampietro vor¬
treffliche Interpreten; manchmal sprachen sie allerdings
flüsternd, als ob sie sich genirt hätten, alle ihre Dialog¬
wendungen öffentlich vorzutragen. In einer kleineren
T#ute
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