II, Theaterstücke 3, Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen, Seite 27

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3.
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Maerchen
Deutsches Volkstheater.
Man fand im letzten Stücke Härchen —
Und Mancher ließ kein gutes d'ran,
War auch der „Talisman“ ein Märchen,
Das „Märchen“ war — kein Talisman.
Im Theater an der Wien hat wieder eine Ausgrabung
Triumphe erlebt. Wäre es nicht besser gewesen, Herr Schnitzler,
wenn auch Sie anstatt Ihres neuen „Märchens“ — ein altes
aufgetischt hätten?
Tan Rarehe
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der der Donnerstag! Herr Dr. Emn Granichstädten
Herließ wieder einmal die gefahrlosen Spalten der alten „Presse“
und betrat den heißen Theaterboden; aber sein Heroismus wurde
schlecht belohnt; der arme Dichter wurde recht unsanft ausgelacht.
Derselbe Emil und derselbe Granichstädten, der vor einigen Monaten
gelegentlich der Aufführung von Schnitzler's „Märchen“, einem Stück,
dem — man mag sonst darüber denken wie man will — kein Ein¬
sichtiger die vornehme Strenge künstlerischer Absichten absprechen
wird, den Ausspruch gethan hat: „Es wird um Reinlichkeit gebeten,“
derselbe Emil und derselbe Granichstädten zerrt da ein Stück sitt¬
licher Verkommenheit auf die Scene, wie es crasser noch kein Fran¬
zose gewagt hat. Wenn man schon so sittenstreng ist, wie Herr Dr.
Emil Granichstädten, dann sollte man doch zuerst in seinem
eigenen Hause für anständige Gesellschaft sorgen. Und nun kommt
das Lustigste! Dieser Stoff, den sich Herr Dr. Granichstädten
aus alletlei modernen Komödien zusammengestückelt hat, ohne auch i
nur ein Streifchen eigenen Gewebes dazuzugeben, dieses PotpourrisI,
aus den verbrauchtesten Motiven der modernen Salondramatik, ist! h.
17.0
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St—g.
Indiocret.
Ich schätze Herrn Robert Nhil. Er svielt verständig, thut
mit Eifer seine Pflicht und lernt jede Woche zehn Bogen.
Auch gibt er sich nett und gemüthlich, ohne die schlimmen
Faxen und Posen seines Standes. Aber gewisse Dinge sollte
er lassen. Er ist — na, mit Freunden ist man höflich, also
sagen wir: er ist indiscret.
Als ich neulich vor der Première des „Märchens“ von
Arthur Schnitzler in das Café kam, wo man die neuere
Literatur zwischen 6 und 7 Uhr macht, war der arme
Dichter schon geliefert. Ein Buddhist, der Alles weiß und
und sogar noch etwas mehr, erklärte, daß diese erste Vor¬
stellung des Stückes auch sicherlich die letzte sei. Ich wollte
begütigen: „Das wird sich doch erst im Theater zeigen!“
Aber er berief sich auf Herrn Nhil. Herr Nhil hatte ge¬
sagt: „Wenn sich die Wienerinnen das gefallen lassen, darf
man ihnen alles bieten.“
Ich schätze auch Herrn Secretär Müller. Er ziert das
Volkstheater sehr und wirkt mit seinem struppigen Haupte
eines Tectosagen ungemein decorativ. Auf der Bühne oben
die winkende Victoria, die sie immer auf alle Oefen stellen,
in der Loge das mondlich milde Schmeergesicht der Direction
und unten in kriegerisch flatternden Locken dieser Johannes
der Täufer der Erfolge — ich möchte ja die edle Harmonie
nicht stören. Aber er sollte seine Zunge etwas hüten. Er ist
leider — na, mit Tyrannen ist man höflich, also sagen wir:
er ist indiscret.
Als nach dem zweiten Acte neulich Alles klatschte und
den blonden Dichter rief, verkündete der Herr Secretär
Müller: „Das nützt ja doch nichts — der dritte Act fällt
dennoch durch.“
Ich schätze auch die Frau Albertine Schwerdtner. Sie
hat den lieblichsten Beruf: sie frisirt in der Burg die Damen.
Diese lieben, launischen und süßen Köpferln in der Hand zu
haben, muß ein herrliches Geschäft sein. Und sie versteht es
köstlich. Nur ist sie leider halt — na, mit Damen ist man
höflich, also sagen wir: sie ist indiscret.
Wie ich neulich vor dem „Hannele“ bei meinem Friseur
bin, der die berühmte Locke dreht, schimpft er gräßlich: „Wie
kann man in so ein Stück gehen? Die Frau Schwerdtner
hat gesagt: es ist ein Schmarn.“
Herr Nhil, Herr Müller und Frau Schwerbtner sind
nur ein paar Fälle, die ich gerade aus der Menge greife.
Ich könnte die Beispiele häufen. Auch Herr Tyrolt hat in
der ganzen Stadt das „Märchen“ schon vorher verlästert,
und Herr Gabillon hat schon vorher das „Hannele“ ver¬
dammt. Es wird Mode, daß die Schauspieler vor den ##
Premièren Stimmung machen. Diese Sitte reißt immer
weiter ein.
Da möchte ich denn doch namens der Dichter erklären:
wir fallen schon von selber durch, und wenn es nöthig wäre,
sorgen auch die Collegen; die Schauspieler brauchen wir
jedenfalls nicht dazu. Man wird ihnen das gute Recht nicht
nehmen, ihre Meinung zu haben, und jedes Stück nach
ihrem Geschmacke zu richten. Wenn das „Hannele“ der Frau
Schwerdtner nicht gefällt, so ist das gewiß für Hauptmann
sehr traurig, aber er kann da gar nichts thun; er muß halt
geschwind was Anderes schreiben; vielleicht glückt es ihm
schließlich doch. Aber vor der Première soll die Frau
Schwerdtner gefälligst schweigen. Nach der Première werden
wir gern ihre Lehren hören — da kommt es auf etwas
weniger oder mehr schon wirklich nicht mehr an.
Meine Herren Directoren, ich will Ihnen was sagen.
geliebter Max Eugen Burckhard und verehrter Emerich
v. Bukovics! Sie kennen unseren Cassier nicht. Das ist ein
herrlicher Mensch. Der häuft Gold auf mich, immer mehr.
Nächstens ist die Million voll. Da gebe ich, weil ich ja
dennoch eine edle Natur bin, Ihnen dann ein großes Souper.
Alles prächtig geschmückt, Blumen, Licht und Damen. Aber
wenn Sie sich setzen und schmausen möchten, kommt mein
Koch und spricht: „Meine Herrschaften, ich bin der Koch.
Meine Kunst ist unvergleichlich. Aber schmecken wird es
Ihnen doch nicht. Es kann Ihnen nicht schmecken. Die Be¬
reitung ist trefflich, aber mein Herr hat lauter elende Sachen
gekauft. Der Hase ist ein Kater und das Rind ist ein Pferd.
Ich bin groß, aber mein Herr ist ein Esel. Schimpfen Sie
nur ordentlich, daß er sich endlich bessert!“ Ich bin neu¬
gierig, was Sie dann thun. Ich glaube, Sie nähmen mich
vertraulich bei der Hand und sagen mir: „Mein lieber
Freund, es ist bei Ihnen sehr hübsch! Ich danke Ihnen.
Aber nehmen Sie Ihren Koch ein bischen bei den Ohren!“
Meine Herren Directoren, ich kann nur sagen: „Es ist
bei Ihnen sehr hübsch! Ich danke Ihnen. Aber nehmen Sie
Ihre Köche ein Mal ein bischen bei den Ohren!“
Mepherl.