II, Theaterstücke 3, Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen, Seite 33

3. Das Maerchen
1ae e SAna
7
box 7/2
Die Zukunft.
370
sind keine reinlichen Doktrinäre mehr, wenn sie sich auch noch so ausdrücken,
sie sind auch keine Anarchisten des Bluts, über die Jahre sind sie auch schon
hinaus; sie sind Wiener aus der Gesellschaft, sensualistische Skeptiker, keine
armen Teufel, die in der Dachstube deliriren oder im dritten Stock des Hinter¬
hauses ihre Artikel für sozialistische Blätter verfassen. Sie haben auch ein
anderes Temperament. Keine Bierschwere, kein Alkoholfeuer. Eine bewegliche,
komplizirte Sensibilität, die leicht in Müdigkeit und Ekel ausläuft; gar nichts
von der „Kraftnatur“, die es so nahe zur Stupidität hat. Sie sind schwierige
Herren, die viel verlangen und sich wenig weismachen, Nervenmenschen ohne
Dumpfheit, deren Seele ein empfindliches Saitenspiel ist, das keinen harten
Griff vertrüge, außerdem „jüngstes Deutschland“ unter Berliner Einflüssen.
Sogar so stark, daß sie sich im Gegensatz zu den landläufigen Vorzügen „die
Sensitiven“ nennen, daß sie ihr ganz natürliches Feingefühl als etwas Super¬
latives betrachten, etwas unheimlich Zartes. Sie möchten selbst gern Kraftkerle
sein; sie sprechen viel von „gesunden Schmerzen“, „schmerzloser Liebe“, „schmerz¬
loser Begeisterung"; sie „räumen auf mit den Fabeln im Reiche der Gedanken“.
und sind auf dem besten Wege, „über den Empfindungen“ zu stehen.
Aber da kommt das Weib in ihr Leben, das unser jüngstes Deutschland
wenn es ehrlich ist — sonst gewiß wenig derangirt. Und diese Mänrer, die
so unpersönlich theoretisiren, werden auf einmal ganz individuell stark und
unbegreiflich empfindende Persönlichkeiten, Menschen mit sehr subjektiven inneren
Gesetzen und Traditionen, mit denen sie nicht nur nicht brechen wollen, sondern
die sie als ihren eigensten, intimsten Werth empfinden und festhalten. Und die
Theorie von der freien Liebe tritt in ein ganz neues Stadium. Bisher hatte
man nämlich nur von der Liebe, aber nicht von der Nachfolge in der L’ebe
geredet. Im Prinzip war sie — die Nachfolge — natürlich anerkannt. Der
Mann war frei und das Weib war frei und sie blieben natürlich nicht ewig
wie die Kletten an einander hängen; Das war ja eben das Schöne und Sittliche
bei der Sache. Auf diesem Punkt wurde das Problem — und zwar bereits
gelöst — aus den reinen Händen der Theoretiker in die zweifelhaften Finger
der Sensitiven übergeben, gewiß nicht ohne Befürchtungen von Seiten der
Männer des einfachen und klaren Denkens. Und richtig hat dieser sensitive
Arthur Schnitzler auch gleich das Wasser getrübt. Ein ganz einfacher Schrift¬
steller wie Herr Fedor Denner=Schnitzler will nicht der Dritte sein, um keinen
Preis, obgleich seine Jenny sogar eine angehende berühmte Schauspielerin ist.
Warum will der Mensch nicht der Dritte und Gatte einer in allen Blättern
gerühmten Schauspielerin sein?
Sollte er sich dabei auf Weismanns „Teleycnie“ stützen? Einem Schrift¬
steller, der außerdem auch Arzt ist, ist alles Mögliche zuzutrauen. Theorie
gegen Theorie; Das wäre eben so häßlich wie frivol, denn bei solchen Sachen
der sittlichen Gesinnung soll man nicht Physiologie treiben. Jedenfalls versteckt
er es gut, denn der junge Schriftsteller Fedor Denner ist kein physiologischer
Doktrinär, wie seine Antipoden soziale Doktrinäre sind, — er hat gar nichts
Anderes anzuführen als seinen Widerwillen, einen Widerwillen, der stärker ist
und die Genüsse, die Jenny ihm so wenig versagt wie
als seine Verliebt
Ihm so wenig versagt wie seinen Vorgängern —: Das ist
seinen Vorgänge
licht hinweg kommen.
es, darüber kan
Das D ist ein sehr feines und anscheinend auch sehr bühnen¬