II, Theaterstücke 3, Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen, Seite 37

Maerchen
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9.—
Der Verfasser ist ein seiner Beobachter,
clamiert wie seine Tochter wie der Schau¬
spieler, wie die anderen. Höchstens einmal
dem psychologische Schärfe und geistvolle
ein bischen kürzere Sätze da oder dort,
Beherrschung des Dialogs zweifellos zu¬
aber keine Leidenschaft, keine Verve, kein
gestanden werden müssen; ich stehe auch
eigener Ton. So wie es in den Schulbüchern
gar nicht an, ihn zu den begabteren Ver¬
steht oder in der philosophischen Abhand¬
tretern der modernen dramatischen Richtung
lung eines Gymnasiallehrers. Dann die
zu zählen, aber ihre Schwächen sind auch
Personen! Sie sind halt wächsern. Der
die seinen. Die Werke derselben bedeuten
Verfasser darf für sich pleidieren, dass es
nur ein Durchgangsstadium, das für die
einige sein sollen. Wohl! Aber dies nicht
Entwicklung des deutschen Dramas gewiss
sein sollen, sinds auch. Und wie vortrefflich
seine Vortheile hat, das vor allem auch
hat sich der Verfasser die Hauptmomente,
zur Schulung der Schauspieler beiträgt,
die er zur Durstellung hätte bringen sollen,
welche sich gewöhnen müssen, durch fein
die blinde Liebe und ihre Folgen, entgehen
pointierte, realistische Züge ihren dramatischen
Gestalten individuelles Leben zu geben, und
lassen! In einem langen, theilweise senti¬
mentalen und unmöglichen Briefe wirds
das uns brechen hilft mit dem Schablonen¬
schnell dargelegt. Ja, dargelegt! Aber ich
haften in der dramatischen Kunst — aber
das deutsche Drama der Zukuaft kann durch
erinnere mich zur rechten Zeit, dass das
der Verfasser gar nicht hat zur Darstellung
solche Werke, wie ich zuversichtlich annehme,
bringen wollen. Das hätt ja was Schönes
nicht repräsentiert sein. Diese nervöse Un¬
gegeben, so was machen die Zola, Con., ,
ruhe in Dialog und Handlung, dieses rast¬
Kretzer. Ich stelle also Anforderungen, die
lose Wühlen in den Wunden der Zeit hat
ich nicht zu stellen habe. Und ich blättere
mit dem Wesen des Dramas und mit
noch einmal durch. Da habe ich die Lösung.
seinem künstlerischen Zwecke nichts zu thun.
Die Hälfte des Buches hat mit der blisnden
Wer mit offenen Augen und mit warmem
Liebe gar nichts zu thun. Da wird' uns
Gemüthe durch seine Tage geht, sieht auch
mit schmerzlichem Empfinden deren sittliche
oder vielmehr der braven löheren Tochter,
die vernünftige Liebe geschildert, diese
Abgründe und für ihn bietet der Dichter
weder Schönes noch Neues und Fesselndes.
anständige= Liebe, bei der des Hers gar
Die anderen aber — und das ist leider
nichts mitzusprechen hat, bei den nun die
der größere Theil — suchen in seinem
Frage gilt: Hat er Geld? Kann ich ein¬
mal schön leben und wir vergnügte Tage
Werke wie im Leben nur nach dem, was
machen und mich putzen? Kann ich eine
die Phantasie erregt und die Sinne litzelt.
Theaterloge haben, große Gesellschaften
Keinem jedoch bietet es, was bei echtem
Kanstschaffen doch der Full sein soll, das
besuchen? — O, ja, das lann
F ReR. ASS
Flott!
Gesühl einer sittlichen Läne ung und inneren
— Also! Und
ich! und wie!.. —
Befriedigung und Befreiung. Der Dichter,
ich habe nichts dagegen zu leisten als, ich
der nur in den Wunden seiner Zeit zerrt,
muss seine Frau werden, gebäre ihm Kinder,
um sie bruten zu sehen, vergisst seinen
commandiere die Dienersa,ist, und das#t
Beruf; erzeige uns die Wege zur Besserung
basta! Man will die Pocst moral##
und deute auf die Heilmittel hin, dann
machen — wohl: wir haben auch etwpas
wird er erst eines geachteten Namens wert.
dabei gelernt. Wir sehen umso schärfer
Wenn man drei Acte lang sich stets
zu, und so finde ich denn diese Frichda,
diese gute, unverlorene Tochter des Pro¬
in einer schwülen, ungesunden Luft bewegt
fessors, die sich so dem Manne verkasift,
hat, athmet man auf wie erlöst darüber,
kehr unmoralisch. Doch davon abgeseshen
dass ian im Leben nicht unbedingt noth¬
wentg hat, in solcher Gesellschaft zu ver¬
ich glaube nicht an die Möglichkeit,
kehren, und nur in diesem Sinne befriedigt
dass sich in so einem jungen Ding nach
legt man das Buch beiseite. Und das Werk
Jahren nicht das Herzchen geregt haben
Schnitzlers ist nur ein Buch=Dramn, darüber
sollte. All davon merkt ja freilich sdas
wird der Verfasser selbst sich kaum im
Publicum nichts. Es liest zum Zeitvertneib.
Unklaren sein. Für die Bühne fehlt, ab¬
Und darum bekommt es auch den schösten,
gesehen von anderem, eine eigentlich be¬
rührenden Schlufs aufgetischt, und die
Kranke stöhnts noch schnell heraus
sihre
deutende, packende Handlung, wenn ich
auch zugebe, dass die Rolle der Fanny
doch (auf
Liebe war in ihrer Blindheit
Und die
für eine gute Darstellerin sehr wirksame
dem rechten Wege. Wirklich?
Momente bietet.
Tyränen, die schönen, hellen, dumsen
Anton Ohorn.
— Ein schönes, rühren¬
Thräuen fließen.
Karl Bienenstein: Kunst und Volk.
des, wahres Buch, sagt die alte Jungfer
Die Cagespresse. — Freie Bühne
Ja, aber die Literatun hat
Tante.
und Volksbühne. Drei Essays. (Neuwied
ge¬
nichts davon, der Kunst ist nicht dami
und Leipzig, August Schupp.)
dient. Aber der Kunst wollen wir dienen
Die sociale Bewegung übt auch auf
und müssens. Wilhelm Holzamer.
Kunst und Literatur einen mächtigen Ein¬
Das Märchen. Schauspiel in drei
flufs aus, der sogenannte vierte Stand
Aufzügen von Arthur Schnitzler. (Dresden
verlangt nicht nur nach politischen Rechten
und Leipzig, Piersons Verlag, 1894|)