Das Maerchen box 7/2
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NEUE LITTERARISCHE BLATTER.
unendlich schwierige Aufgabe, an deren Lösung
höchstens da, wo der Dichter einer satirisch¬
selbst die bedeutende Begabung eines Karl Pauli
humoristischen Laune folgt, wie z. B. bei der
scheitern musste. Die Einheit des Ortes und
Schilderung der Frauenemanzipationsversamm¬
der Zeit, welche für den Roman nicht existirt,
lung, getrüct wird.
aber im modernen Drama in Hinsicht auf un¬
eein dem erden Bande beiliegender
sere hentige Bühne mit Recht mehr als früher
Prospekt besagt, wird demnächst die in der
gewürdigt wird, konnte nicht gewahrt wercen.
Schweiz spielende Fortsetzung dieses Romans
Seelenregungen, zu deren Zergliederung der
erscheinen, der bei einem Leserkreise, dem c5
Erzähler viele Seiten verwenden kann, mussten
nicht hauptsächlich auf mehrere glücklich ver¬
lobte oder verheiratete Pärchen im Schluss¬
bloss angedentet, ju selbst ganz übersprungen
kupitel ankommt, wohl berechtigtes Interesse
werden. Auf diese Weise hat nicht nur der
erregen dürfte.
äussere, sondern auch der innere Zusammen¬
Hugo Stümcke
Heidelberg.
hung des Ganzen gelitten. Trotzdem ist das
Werk sehr beachtenswert; namentlich die
Charakteristik ist gut, teilweise sogar vortreff¬
lich. Ich bin überzeugt, dass Pauli frei von
Mederne Dramen.
den Fesseln einer dem Drama direkt feindlichen
poctischen Form, Hervorragendes leisten würde.
Besprochen von Jos. Schmid-Braunfels, Wien.
Das Buch kann allen Anhängern und Geghern
der Friedensidee bestens empfohlen werden,
Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen
und zwar um so mehr, als sein Preis trotz der
von Arthur Schnitzler. Dresden und
hübschen Ausstattung nur 50 Pfennige beträgt.
Leipzig. E. Pierson’s Verlag.
Ich habe schon einmal in diesen Blättern
Die Kugel. Schauspiel in fünf Aufzügen von
gelegentlich einer Besprechung des „Anatol“
Max Nordau. Zweite Auflage. Berlin.
über Schnitzler geurteilt. Auch dieses Drama
Ernst Hoffmann & Co.
gehört zu jenen Dichtungen, die unter die Schlag¬
worte Decadenee und fin de siecle fallen. Der
Die Bücher Nordau's werden von der ge¬
Schriftsteller Fedor Denner kämpft gegen das
sammten gebildeten Welt verschlungen. In
Vorurteil, das die moderne Gesellschaft den
seiner eminenten Begabung alten, längst Gemein¬
gefallenen Mädehen entgegenbringt, als er aber
gut aller gewordenen Ideen ein anziehendes,
Pentdeckte, dass der Gegenstand seiner Liebe
sprachliches Gewand zu geben, liegt das Geheim¬
fuch eine solche Gefallene ist, weiss er seine
nis seiner grossartigen litterarischen Erfolge.
Handlungsweise nicht mit seine Überzeugung
Auch das vorliegende Schauspiel bietet weder
in Einklang zu bringen. Das Vorurteil ist zu
im Stolle noch in der dramatischen Technik
mächtig in ihm und er verlässt sie. Er hut
etwas Neues. Ein junger Streber der sich
nicht den „Mut des Vergessens“ wie John
seiner ungebildeten Mutter, einer gewesenen
Heury Makaysichausdrückt, weilerein Schwäch¬
Herrschaftsköchin, schämte, weil er glaubte,
ling ist. In seiner inneren Zerfahrenheit, in dem
dass sie ihm in seinem Emporkommen hinder¬
Zwiespalt zwischen Denken und Handeln ist
lich sei, kehrte reumütig zu ihr zurück, als er
Denner typisch für die herrschenden Gesell¬
in einer schweren Schicksalsstunde ihr goldenes
schaftsklassen, welehe nicht reif sind für die
Herz entdeckt — so etwas ist wohl schon oft
neue Welt. Auch die übrigen Personen sind
dagewesen. Der einzige wirkliche Vorzug des
lebenswahr; Fanny die Gefallene, ihre mora¬
Werkes ist der priekeinde Dialog. Der allein
lische Schwester Klara, welehe einen bezopften
macht aber noch lange kein Drama, bas Buch
Bureaukraten heiraten will, lediglich um ver¬
wird, wie alle Bücher Nordau's, viel gelesen and
sorgt zu sein die beiden Studenten Witte und
gelobt werden. Es ist ja die richtige Kost für
Berger, in d nen sich Dummheit und Cynismus
die grosse denkfaule Herde der litterarischen
paart, und Emmy Werner, welche zum Theater
Wiederkäuer.
gent, weil sie du leichter eine „gute Partie“
findet, zeigen von scharfer Beobachtung. Das
Drama ist im hohen Grade lesenswert für Alle,
die sich nicht scheuen, einen Blick in die Kluft
Neue Dialektdichtungen.
zu thun, welche Gege# art und Zukunft trennt.
Die Thatsache dass es auf der Bühne keine
Es wird wehl nur wenig Gebildete geben,
nachhaltige Wirkung erzielte, kann an seinem
die den hohen Wert der Pflege mundartlicher
Werte nichts ändern.
Dichtung für unsere hochdeutsche Schriftsprache
in Frage stallen, ja die Zahl der Freunde der¬
Die Waffen nieder! Drama in drei Akten nach
selben ist erfreulicher Weise in stetém Wachsen
Berthavon Suttner von Karl Pauli.
begriffen, wie es die in jüngster Zeit zur
Verlag von Otto Hendel. Halle a. d. Saale.
Hebung der Dialektdichtung entsrandenen Ver¬
50 Pfennige.
eine beweisen. Sind doch die Mundarten die
Wurzeln der Schriftsprache und zugleich die
Einen Roman wie „Die Waffen nieder!“ in
lebendigen Grundlagen einer gesunden Volks¬
ein. dramatisches Gewand zu kleiden, ist eine
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NEUE LITTERARISCHE BLATTER.
unendlich schwierige Aufgabe, an deren Lösung
höchstens da, wo der Dichter einer satirisch¬
selbst die bedeutende Begabung eines Karl Pauli
humoristischen Laune folgt, wie z. B. bei der
scheitern musste. Die Einheit des Ortes und
Schilderung der Frauenemanzipationsversamm¬
der Zeit, welche für den Roman nicht existirt,
lung, getrüct wird.
aber im modernen Drama in Hinsicht auf un¬
eein dem erden Bande beiliegender
sere hentige Bühne mit Recht mehr als früher
Prospekt besagt, wird demnächst die in der
gewürdigt wird, konnte nicht gewahrt wercen.
Schweiz spielende Fortsetzung dieses Romans
Seelenregungen, zu deren Zergliederung der
erscheinen, der bei einem Leserkreise, dem c5
Erzähler viele Seiten verwenden kann, mussten
nicht hauptsächlich auf mehrere glücklich ver¬
lobte oder verheiratete Pärchen im Schluss¬
bloss angedentet, ju selbst ganz übersprungen
kupitel ankommt, wohl berechtigtes Interesse
werden. Auf diese Weise hat nicht nur der
erregen dürfte.
äussere, sondern auch der innere Zusammen¬
Hugo Stümcke
Heidelberg.
hung des Ganzen gelitten. Trotzdem ist das
Werk sehr beachtenswert; namentlich die
Charakteristik ist gut, teilweise sogar vortreff¬
lich. Ich bin überzeugt, dass Pauli frei von
Mederne Dramen.
den Fesseln einer dem Drama direkt feindlichen
poctischen Form, Hervorragendes leisten würde.
Besprochen von Jos. Schmid-Braunfels, Wien.
Das Buch kann allen Anhängern und Geghern
der Friedensidee bestens empfohlen werden,
Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen
und zwar um so mehr, als sein Preis trotz der
von Arthur Schnitzler. Dresden und
hübschen Ausstattung nur 50 Pfennige beträgt.
Leipzig. E. Pierson’s Verlag.
Ich habe schon einmal in diesen Blättern
Die Kugel. Schauspiel in fünf Aufzügen von
gelegentlich einer Besprechung des „Anatol“
Max Nordau. Zweite Auflage. Berlin.
über Schnitzler geurteilt. Auch dieses Drama
Ernst Hoffmann & Co.
gehört zu jenen Dichtungen, die unter die Schlag¬
worte Decadenee und fin de siecle fallen. Der
Die Bücher Nordau's werden von der ge¬
Schriftsteller Fedor Denner kämpft gegen das
sammten gebildeten Welt verschlungen. In
Vorurteil, das die moderne Gesellschaft den
seiner eminenten Begabung alten, längst Gemein¬
gefallenen Mädehen entgegenbringt, als er aber
gut aller gewordenen Ideen ein anziehendes,
Pentdeckte, dass der Gegenstand seiner Liebe
sprachliches Gewand zu geben, liegt das Geheim¬
fuch eine solche Gefallene ist, weiss er seine
nis seiner grossartigen litterarischen Erfolge.
Handlungsweise nicht mit seine Überzeugung
Auch das vorliegende Schauspiel bietet weder
in Einklang zu bringen. Das Vorurteil ist zu
im Stolle noch in der dramatischen Technik
mächtig in ihm und er verlässt sie. Er hut
etwas Neues. Ein junger Streber der sich
nicht den „Mut des Vergessens“ wie John
seiner ungebildeten Mutter, einer gewesenen
Heury Makaysichausdrückt, weilerein Schwäch¬
Herrschaftsköchin, schämte, weil er glaubte,
ling ist. In seiner inneren Zerfahrenheit, in dem
dass sie ihm in seinem Emporkommen hinder¬
Zwiespalt zwischen Denken und Handeln ist
lich sei, kehrte reumütig zu ihr zurück, als er
Denner typisch für die herrschenden Gesell¬
in einer schweren Schicksalsstunde ihr goldenes
schaftsklassen, welehe nicht reif sind für die
Herz entdeckt — so etwas ist wohl schon oft
neue Welt. Auch die übrigen Personen sind
dagewesen. Der einzige wirkliche Vorzug des
lebenswahr; Fanny die Gefallene, ihre mora¬
Werkes ist der priekeinde Dialog. Der allein
lische Schwester Klara, welehe einen bezopften
macht aber noch lange kein Drama, bas Buch
Bureaukraten heiraten will, lediglich um ver¬
wird, wie alle Bücher Nordau's, viel gelesen and
sorgt zu sein die beiden Studenten Witte und
gelobt werden. Es ist ja die richtige Kost für
Berger, in d nen sich Dummheit und Cynismus
die grosse denkfaule Herde der litterarischen
paart, und Emmy Werner, welche zum Theater
Wiederkäuer.
gent, weil sie du leichter eine „gute Partie“
findet, zeigen von scharfer Beobachtung. Das
Drama ist im hohen Grade lesenswert für Alle,
die sich nicht scheuen, einen Blick in die Kluft
Neue Dialektdichtungen.
zu thun, welche Gege# art und Zukunft trennt.
Die Thatsache dass es auf der Bühne keine
Es wird wehl nur wenig Gebildete geben,
nachhaltige Wirkung erzielte, kann an seinem
die den hohen Wert der Pflege mundartlicher
Werte nichts ändern.
Dichtung für unsere hochdeutsche Schriftsprache
in Frage stallen, ja die Zahl der Freunde der¬
Die Waffen nieder! Drama in drei Akten nach
selben ist erfreulicher Weise in stetém Wachsen
Berthavon Suttner von Karl Pauli.
begriffen, wie es die in jüngster Zeit zur
Verlag von Otto Hendel. Halle a. d. Saale.
Hebung der Dialektdichtung entsrandenen Ver¬
50 Pfennige.
eine beweisen. Sind doch die Mundarten die
Wurzeln der Schriftsprache und zugleich die
Einen Roman wie „Die Waffen nieder!“ in
lebendigen Grundlagen einer gesunden Volks¬
ein. dramatisches Gewand zu kleiden, ist eine