II, Theaterstücke 3, Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen, Seite 47

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Maerchen
3. Das
Das Recicnen
entrückt sein müßte. Niemand hat ein Recht Unnatür=zeichnen versteht: Von dem einen, einzigen und großen
liches zu fordern und Natürliches zu strafen. Und es ist Gefühl der Liebe eingenommen, ist sie ganz Hingebung
nach der Anschauung des Helden im Stücke — an den Geliebten, voll tiefer, sensitiver Empfiudung,
höchst anmaßend von der Gesellschaft, ein Weib einfach ohne Rückhalt und voll Vertrauen. Die erste wahrhafte
dgrum, weil es wahr und natürlich liebte, mit gedanken= Liebe muß sie, wenn sie verschmächt wird, in(s innerste!
loser Verachtung aus ihrem Kreise auszuschließen. Leben treffen. Frl. Gabri hat mit dieser Rolle ihre
Selbstverständlich gilt das nicht von dem Weibe, das schönen Erfolge um einen künstlerischen Gewinu ver¬
sich verkauft oder verschleudert und somit selbst für mehrt. Die übrigen Personen sind eigentlich nur Staffage
rechtlos und des Anspruchs auf die gesellschaftliche in dem ganz vorzüglich getroffenen Gesellschafts=Milieu,
Gleichstellung mit ihren Genossinnen für verlustig er= das durch einen glänzenden Dialog in fesselnder Weise
klärt hat, sondern nur von dem Mädchen, das unter
belebt wird. Frau Laska hatte den richtigen Ton und
dem Zwange eines ehrlichen Gefühls geirrt, das sich
das entsprechende Gehaben für die gutmüthige Be¬
unter der Herrschaft einer heißen Empfindung verloren
schränktheit der Mutter, und Frl. Marbach gab
hat.
Fannys ältere Schwester, eine arme Clavierlehrerin, die
Dieses warme Plaidoyer hält aus der Tiefe seiner
unter dem Zwang der ärmlichen Verhältnisse eine Ver¬
ehrlichen Ueberzeugung heraus der Schriftsteller Fedor
nunfteche eingeht, mit discreter Sicherheit. Dagegen
Denner, der gerne mit allen flachen, althergebrachten
brachte Herr Worlitzsch die correcte Alltagsklugheit
und ohne weitere Prüfung auf uns überkommenen Vor= des Herrn Wandel etwas farblos. Die übrigen Gesell¬
##rtheilen aufräumen und das Märchen von den Gefal¬
schaftstypen, der lebensfrohe, kerngesunde Maler, der
lenen aus der Welt schaffen möchte. Aber — und dar=Lebemann, der nach den Stürmen der Jugend dem
aus entspringt der tragische Conflict — er wird dessen
ehelichen Hafen zusteuert, der ergebene Freund ohne
nur zu bald inne, daß es eines ganz anderen Muthes
eigene Physiognomie, die beiden blasirten Studenten als
bedarf, eine akademisch verfochtene hochherzige Idee am
köstliche Persiflage des hohlen, öden und gedankenlosen
eigenen Leibe praktisch in die That umzusetzen. Mit be¬
Treibens unserer männlichen Jugend, die niedliche Co¬
wußter Absichtlichkeit läßt Schnitzler einen Freund des quette, die nach einem Manne angelt, und die leichtsinnige
Helden fast wörtlich das berühmte Bekenntniß des Grisette wurden durch die Herren Emil Wirth, Le¬
Secretärs aus Hebbel's „Maria Magdalena“ citiren, daß swent, Schlaghammer, Kühne, Rudolf, sowie
ein Mann nicht hinaus kann über die dunklen Schatten die Damen Erneck und Schröffl gut veranschau¬
in dem Vorleben des Mädchens, das er zu seiner Gattin licht. Das Zusammenspiel klappte gut und die Insceni¬
machen will. Die Tragik dieser Ohnmacht erkennt Fedor
rung trug der eigentlichen Stimmung verständnißvoll
bald an sich selbst. Er liebt mit der ernsten Tiefe des
Rechnung.
Dr. A. G.
reifen Mannes die Schauspielerin Fanny Theren und
Vom Neuen deutschen Theater. Heute
fühlt sich durch die Gewißheit ihrer starken Gegennei¬
findet eine Aufführung von Trotha's „Hofgunst“, morgen
gung beglückt. Da exfährt er, daß er in Fanny's Liebes¬
Mittwoch von „Die Reise um die Erde in 80 Tagen“
leben nicht der Erste ist, und um die vornehme Kühnheit
statt. Zur Festvorstellung für deu Geburtstag Sr. Majestät
seiner Anschauung von der Haltlosigkeit jenes „Märchens“des Kaisers sind die Preben in vollem Gang. Außer
ist es geschehen. Die allgemeine Giltigkeit seiner hoch= der einactigen Oper „Mara“, welche mit unseren ersten
fliegenden Ideen will auf seinen individuellen Fall nichtOpernkräften, Mathilde Claus, Max Dawison, Wilhelm
passen, er wird verwirrt und unsicher in seinem Urtheil.! Elsner besetzt ist, gelangt die patriotische Ballt=Pantomime
Quälendes Mißtrauen beschleicht ihn in die Aufrichtig¬
„Oesterreichische Märsche“ zur Aufführung, in welcher
keit der Neue des armen Dings, das sein gefoltertes
das gesammte Schauspiel=Personal beschäftigt ist. Der
Herz rückhaltlos vor ihm ausschüttet und sein ganzes Abend wird mit einer von Parcival de Vry äußerst
vergangenes wie gegenwärtiges Empfindungsleben gleich
effectvoll und des feierlichen Anlasses würdigen Apotheose
einem aufgeschlagenen Buche vor seinen Augen aus¬
abschließen
breitet, und nagende Zweifel werden laut in ihm an der
— Vom deutschen Volkstheater. Heute
Möglichkeit einer vollkommenen Erhebung Fanny's, in
wird Max Halbe's Liebesdrama „Jugend“ gegeben.
der er mit einemmal nichts Anderes sehen kann als ein
*.— Capellmeister Robert Erben. Die
für alle Ewigkeit verlorenes Geschöpf. Für Fanny be¬
Gattin des erkrankten Capellmeisters Robert Erben
deutet diese plötzliche Sinnesänderung die moralische
richtete an der Berl. „Börsencourier“ ein Schreiben, in
Vernichtung. Sie, die sich durch den hohen Gedankenflug
dem sie mittheilt, daß nach Aussage des behandelnden
des angebeteten Mannes selbst mit erhoben fühlte in
Privat=Arztes der keineswegs besorgnißerregende Zu¬
eine reinere Sphäre, die zu ihm emporblickte in staunen- stand ihres Gemahls schon in einigen Tagen behoben
der Verehrung wie zu ihrem Heiland, der ihr Entsüh= sein dürfte. Demgegenüber liegt eine Berliner Mel¬
nung und Reinheit wiedergegeben hatte und das An= dung vor, der zufolge die Erkrankung Robert Erben's
recht auf die Wiedergewinnung eines Lebensglücks, das
einen heftigen Charakter angenommen hat.
sie durch ihren kindischen Unverstand für immer ver¬
scherzt zu haben glaubte, sie wird nunmehr mit roher
Kleine Chronik.
Gewalt zurückgestoßen in die finstere Verdammniß, aus
* [Graf Kuenburg.] Wie die „Wr. Mon¬
der es keinen Rückweg mehr gibt.
tagsrevne“ vernimmt, wird der Senatspräsident um
Fedor hat sich selbst und seine Doctrin von dem Obersten Gerichtshofe und ehemalige Minister Graf
überwundenen Märchen ad absurdum geführt. Die un¬
Kuenburg in den Ruhestand treten.
heimlichen, lichtscheuen Gespenster erwiesen sich stärker
* [Abermals ein Eisenbahn=Unglück
als ein klarer, männlicher Wille. Oder ist ldieser Wille
in Niederösterreich.] Sonntag Früh ereignete
gar kein männlich starker? Hat Fedor bloß mit hoch¬
sich in der Nähe von Wien ein Eisenbahn=Unglück fast
trabenden Worten geflunkert? Gewiß nicht. Es war
auf die gleiche Weise, wie die Katastrophe, die vor acht
ihm heiliger Ernst um seine Ideen, aber er ist zu schwach,
Tagen bei Gmünd stattfand. Ein Personenzug der
sie auch durchzuführen. Nun kann ja sicherlich auch ein Westbahn fuhr zwischen Baumgarten und Hütteldorf an
Schwächling in den Mittelpunkt des dramatischen In= einen vorausgehenden der Wiener Stadtbahn=Vororte¬
teresses gestellt werden und der Bruch in der Ueberzeu=linie an, wiewohl dieser Train vorschriftsmäßig gedeckt
gung eines Mannes, in seinem eigenen Bewußtsein, ist
war, was jedoch von dem Locomotiv= und dem Zugs¬
sicherlich ein starkes dramatisches Motiv. Aber derführer des nachfolgenden Zuges nicht beachtet wurde.
Wandel muß, ob er langsam vorbereitet ist oder sich Nur einem Zufalle ist es danken, daß der Zusammen¬
plötzlich vollzieht, psychologisch begründet sein, sonst er= stoß keine Opfer an Menschenleben forderte. Dreizehn
scheint er uns brutal und gewaltsam. Haben wir diese Personen, darunter drei Bahnbedienstete, erlitten leichte
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