13. Die Gleitenden
GRATIS
SULSTE HAORRLOHF
8. JUMT
Haus Rimbeck, bisher am Augsburger
Stadttheater, wurde als jugendlicher Komiker und
Bonoivant für Schauspiel und Operette und als Spiel¬
leiter des Schauspiels an die städtischen Bühnen
Planen verpflichtet.
Kammersänger Gruberist jnfolge seines Gesund¬
heitszustandes in gütlichen Einvernehmen mit der
Theaterleitung aus dem Verbande des Nürnberger
Stadttheaters zur Wiederherstellung seiner Gesund¬
heit ausgeschieden.
Am Dienstag, 7. Juni, gelangen im Nationaltheater
Mannheim die beiden Einakter aus dem Nachlaß
von Arthur Schnitzler „Die Gleitenden“
7
und „Anatols Größenwahn zur reichsdent¬
schen Uraufführung. Anschließend wird die einaktige
Komödie „Komtesse Mizzi“ von Schnitzler in
neuer Inszenierung gegeben. In der Oper gelangt in
Fortführung der Neuinszenierung des „Ring des
Nibelungen“ von R. Wagner am Mittwoch,
Juni,
„Die Walküre“ neuinszeniert unter musikalischer Lei¬
tung von Josef Rosenstock und unter Regie von Dr.
Richard-Hein zur Aufführung.
DAUSGABE
RheinischMestfäliegte uie. Pesona. d. .
1932
10.5
Zwei Schnitzler-Uraufführungen
— im Mannheimer Narkonarryenter¬
* Mannheim, 9. Juni.
Da hat man zwei jahrzehntealte bisher unaufgeführte Ein¬
ein¬
akter dem Schreibtisch des Verstorbenen entnommen und
studiert. Zuerst „Die Gleitenden“ ein echter Schnitzler. Sie
Ffragen nach dem Inhalt? Oh, die übliche Schnitzelei: Wer ist wem
(natürlich) untreu, ohne auf Abwegen sonderlich Tiefes zu er¬
eben? Es sind eigentlich armselig=harmlose Kaninchen, die da sich
kangweilend und darum sündigend vorübergleiten. Der berühmte
Chirurg liebeleit so ein bißchen firmchen=feinsinnig mit der Frau
des befreundeten Malecs. Dieser und die betrogene Aerztegattin
verschwören sich, durch anonyme Briefe argwöhnisch geworden,
gegen die beiden Missetäter. Im weiteren Verlauf suggeriert dann
der betrogene Maler mit der Pose eines Zigeunerprimas der be¬
krogenen Freundesgaitin platonische Gefühle. Das ganze gleitet
chließlich geistvollerweise ohne happy end oder Pistolen ganz
infach aus. Dann folgt „Anatols Größenwahn“ oder:
sein paar Augenblicke aus dem Lebensabend schrecklich langweiliger,
ber rentenschwerer Junggesellen. Fast möchte der Unbefangene
auf Courths=Mahler raten, um sich aber noch rechtzeitig zu er¬
knnern, daß es ja mehr Dékobra — Dékobra aus Wien — vom
geistreichen Schnitzler ist. Geistreich und feinsinnig ist es zum
Beispiel, von diesen resignierenden, alten Junggesellen zu hören,
daß es unmöglich sei, eine Jungfrau aufzutreiben, was als Be¬
hauptung gemein, als Witz so ärmlich wirkt, daß der billigste
Kabarettist bis hinter die Ohren rot wird, wenn ihm solch ein
„Bonmot“ entschlüpft.
Inszenierung (Hermann Albert Schröder) und Darsteller
katen ihr Bestes, den schemenhaften Gestalten etwas Leben einzu¬
hauchen. Die misera plebs, die profane Masse bewundert im
Kino jahraus, jahrein Flimmerbilder, die von Langeweile und
unsichtbaren Renten gequälte Wesen zeigen, solchermaßen für
acht Groschen einen Abend lang den Hauch der „großen Welt“
enießend. Damit auch die Gebildeten nicht zu kurz kommen, da¬
für hat dankenswerterweise Arthur Schnitzler aus Wien gesorgt.
Jedem das Seine. Das Publikum war begeistert. Dr. W. G.
box 34/10
„OBSERVEI
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZELLE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
vom:
Berliner Rörsch-orurter, Berlin
14. 0
1932
Schnitzler und Halbe — Uraufführungen
horumstehen, herumsitzen, herumlaufen. Er
wird nervös und das Publikum auch.
Vom Roman zum T heaterstück
Obwohl der Dichter bereits nach dem
Max Halbe hat seinen 1931 erschienenen Ro¬
dritten Akt geholt wurde, gab es nur einen
man „Generalkonsul Stenzel und sein gefähr¬
Achtungserfolg, bei dem ein zaghafter
liches Ich“ in ein Theaterstück umgeschrieben,
Goetz Mayer.
Zischer auffiel.
das unter dem Titel „Ginevra oder der Ziegel¬
stein“ im Münchner Residenztheater zur Ur¬
aufführung kam. Was ist aus dem Roman ge¬
Gedenkfeier in Mannheim
worden, und was ist von ihm übrig geblieben?
Einen Erinnerungsabend für Schnitzler ver¬
Uebriggeblieben sind lediglich die schwa¬
anstaltete das Mannheimer Nationaltheater.
chen Teile des Romans. Uebriggeblieben ist von
Zusammen mit der Komödie „Komtesse Mizzi“
dem Roman der phrasenhafte, gestelzte Ton, in
widerfuhr zwei um die Jahrhundertwende ent¬
dem die Menschen miteinander reden, die —
standenen Einaktern die Ehre der Urauffüh¬
auch 1931 — falsche Vorstellung von der jungen
rung. Beide haben alles, was Schnitzler hatte:
Generation, das Fehlerhafte mancher Thesen
die spielerische Leichtigkeit, die Eleganz der
und Feststellungen. Uebriggeblieben ist die
Sprache, das verträumte Nebenher, die leise
Peinlichkeit vieler Situationen, die im Roman
Müdigkeit, die skeptische Moral, die verspielte
oft verdeckt und durch die Schilderung zurück¬
Theater-Unwirklichkeit: Wiener Luft von der
gedrängt ist. Uebriggeblieben ist eine große
allerbesten. „Die Gleitenden“ ist ein
Verlegenheit. Die wunderliche Geschichte des
Stück vom Zweifel und von der Unsicherheit,
Pflicht- und Arbeitsmenschen Johann Sebastian
von Angst und Eifersucht, von einem ano¬
Stenzel existiert nicht mehr. Seine fixe Idee,
nymen Brief geweckt, durch Ahnungen be¬
nur noch ein Jahr leben zu dürfen, wird nicht
stätigt, durch die Wirklichkeit bekräftigt. —
deutlich. Der Stenzel des Romans ist eine
In „Anatols Größenwahn“ ein Dialog von der
kompakte, etwas schwerfällige, niemals un¬
Unsicherheit der menschlichen Beziehungen,
sympathische Gestalt. Der Stenzel des Theater¬
von der Unmöglichkeit, die Wahrheit in der ##
stückes ist vom ersten bis zum fünften Akt ein
Liebe zu erfahren. Beide Stücke, von unerhör¬
fahriger, aufdringlicher Psychopath. Aus einer
ter Virtuosität, wenn man sie mit den Durch¬
zwar oft nicht befriedigenden, aber doch
schnittsunterhaltungsstücken von heute ver¬
sauberen, immerhin klaren Arbeit, aus dem am
gleicht, wurden unter Regie von H. A.
Ende sogar fast vergnüglichen Roman des
Generalkonsul Stenzel (der übrigens leibhaftig
Schroeder mustergültig gespielt. Willy ?
umgehen soll) wurde eine zerfahrene, unge¬
Birgel und die Damen Overhoff, Ziffe¬
ordnete Arbeit, ein langweilendes, kurzatmiges
rer, Wolf und Ziegler ausgezeichnet. Ein wun¬
derbarer Theater-Abend — was für ein Dialog!
Theaterstück.
Alfons Pape hatte die Aufführung vorbe¬
welche Szenenführung! Aber trotzdem ein#
reitet. Mitten aus der Arbeit heraus hat man
Abend des Abschieds. Die Welt ist anders ge¬
ihn herausgerissen. Die unfertige Arbeit wurde
worden. Die Zeichnung der Herzen ist damit
— Friaz Basil überlassen, einem mäßigen
nicht ungültig geworden: aber das Private
Darsteller (komischer) alter Herren. Es mag
daran hat an Interesse verloren, an Unwichtig¬
nicht sehr anregend sein, in einem solchen
keit zugenommen. So wurde der Schnitzler¬
Falle eine bereits angefangene Arbeit fortzu¬
Abend zu einem Abschied vom Privaten. Ein!
führen. Trotzdem hätte die Aufführung nicht
Schlußpunkt unter Vergangenes.
so disziplinlos, so geistlos ausfallen dürfen.
Hellmut Schlien.
#.
Gustav Waldau (Stenzel) muß fortwährend
GRATIS
SULSTE HAORRLOHF
8. JUMT
Haus Rimbeck, bisher am Augsburger
Stadttheater, wurde als jugendlicher Komiker und
Bonoivant für Schauspiel und Operette und als Spiel¬
leiter des Schauspiels an die städtischen Bühnen
Planen verpflichtet.
Kammersänger Gruberist jnfolge seines Gesund¬
heitszustandes in gütlichen Einvernehmen mit der
Theaterleitung aus dem Verbande des Nürnberger
Stadttheaters zur Wiederherstellung seiner Gesund¬
heit ausgeschieden.
Am Dienstag, 7. Juni, gelangen im Nationaltheater
Mannheim die beiden Einakter aus dem Nachlaß
von Arthur Schnitzler „Die Gleitenden“
7
und „Anatols Größenwahn zur reichsdent¬
schen Uraufführung. Anschließend wird die einaktige
Komödie „Komtesse Mizzi“ von Schnitzler in
neuer Inszenierung gegeben. In der Oper gelangt in
Fortführung der Neuinszenierung des „Ring des
Nibelungen“ von R. Wagner am Mittwoch,
Juni,
„Die Walküre“ neuinszeniert unter musikalischer Lei¬
tung von Josef Rosenstock und unter Regie von Dr.
Richard-Hein zur Aufführung.
DAUSGABE
RheinischMestfäliegte uie. Pesona. d. .
1932
10.5
Zwei Schnitzler-Uraufführungen
— im Mannheimer Narkonarryenter¬
* Mannheim, 9. Juni.
Da hat man zwei jahrzehntealte bisher unaufgeführte Ein¬
ein¬
akter dem Schreibtisch des Verstorbenen entnommen und
studiert. Zuerst „Die Gleitenden“ ein echter Schnitzler. Sie
Ffragen nach dem Inhalt? Oh, die übliche Schnitzelei: Wer ist wem
(natürlich) untreu, ohne auf Abwegen sonderlich Tiefes zu er¬
eben? Es sind eigentlich armselig=harmlose Kaninchen, die da sich
kangweilend und darum sündigend vorübergleiten. Der berühmte
Chirurg liebeleit so ein bißchen firmchen=feinsinnig mit der Frau
des befreundeten Malecs. Dieser und die betrogene Aerztegattin
verschwören sich, durch anonyme Briefe argwöhnisch geworden,
gegen die beiden Missetäter. Im weiteren Verlauf suggeriert dann
der betrogene Maler mit der Pose eines Zigeunerprimas der be¬
krogenen Freundesgaitin platonische Gefühle. Das ganze gleitet
chließlich geistvollerweise ohne happy end oder Pistolen ganz
infach aus. Dann folgt „Anatols Größenwahn“ oder:
sein paar Augenblicke aus dem Lebensabend schrecklich langweiliger,
ber rentenschwerer Junggesellen. Fast möchte der Unbefangene
auf Courths=Mahler raten, um sich aber noch rechtzeitig zu er¬
knnern, daß es ja mehr Dékobra — Dékobra aus Wien — vom
geistreichen Schnitzler ist. Geistreich und feinsinnig ist es zum
Beispiel, von diesen resignierenden, alten Junggesellen zu hören,
daß es unmöglich sei, eine Jungfrau aufzutreiben, was als Be¬
hauptung gemein, als Witz so ärmlich wirkt, daß der billigste
Kabarettist bis hinter die Ohren rot wird, wenn ihm solch ein
„Bonmot“ entschlüpft.
Inszenierung (Hermann Albert Schröder) und Darsteller
katen ihr Bestes, den schemenhaften Gestalten etwas Leben einzu¬
hauchen. Die misera plebs, die profane Masse bewundert im
Kino jahraus, jahrein Flimmerbilder, die von Langeweile und
unsichtbaren Renten gequälte Wesen zeigen, solchermaßen für
acht Groschen einen Abend lang den Hauch der „großen Welt“
enießend. Damit auch die Gebildeten nicht zu kurz kommen, da¬
für hat dankenswerterweise Arthur Schnitzler aus Wien gesorgt.
Jedem das Seine. Das Publikum war begeistert. Dr. W. G.
box 34/10
„OBSERVEI
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZELLE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
vom:
Berliner Rörsch-orurter, Berlin
14. 0
1932
Schnitzler und Halbe — Uraufführungen
horumstehen, herumsitzen, herumlaufen. Er
wird nervös und das Publikum auch.
Vom Roman zum T heaterstück
Obwohl der Dichter bereits nach dem
Max Halbe hat seinen 1931 erschienenen Ro¬
dritten Akt geholt wurde, gab es nur einen
man „Generalkonsul Stenzel und sein gefähr¬
Achtungserfolg, bei dem ein zaghafter
liches Ich“ in ein Theaterstück umgeschrieben,
Goetz Mayer.
Zischer auffiel.
das unter dem Titel „Ginevra oder der Ziegel¬
stein“ im Münchner Residenztheater zur Ur¬
aufführung kam. Was ist aus dem Roman ge¬
Gedenkfeier in Mannheim
worden, und was ist von ihm übrig geblieben?
Einen Erinnerungsabend für Schnitzler ver¬
Uebriggeblieben sind lediglich die schwa¬
anstaltete das Mannheimer Nationaltheater.
chen Teile des Romans. Uebriggeblieben ist von
Zusammen mit der Komödie „Komtesse Mizzi“
dem Roman der phrasenhafte, gestelzte Ton, in
widerfuhr zwei um die Jahrhundertwende ent¬
dem die Menschen miteinander reden, die —
standenen Einaktern die Ehre der Urauffüh¬
auch 1931 — falsche Vorstellung von der jungen
rung. Beide haben alles, was Schnitzler hatte:
Generation, das Fehlerhafte mancher Thesen
die spielerische Leichtigkeit, die Eleganz der
und Feststellungen. Uebriggeblieben ist die
Sprache, das verträumte Nebenher, die leise
Peinlichkeit vieler Situationen, die im Roman
Müdigkeit, die skeptische Moral, die verspielte
oft verdeckt und durch die Schilderung zurück¬
Theater-Unwirklichkeit: Wiener Luft von der
gedrängt ist. Uebriggeblieben ist eine große
allerbesten. „Die Gleitenden“ ist ein
Verlegenheit. Die wunderliche Geschichte des
Stück vom Zweifel und von der Unsicherheit,
Pflicht- und Arbeitsmenschen Johann Sebastian
von Angst und Eifersucht, von einem ano¬
Stenzel existiert nicht mehr. Seine fixe Idee,
nymen Brief geweckt, durch Ahnungen be¬
nur noch ein Jahr leben zu dürfen, wird nicht
stätigt, durch die Wirklichkeit bekräftigt. —
deutlich. Der Stenzel des Romans ist eine
In „Anatols Größenwahn“ ein Dialog von der
kompakte, etwas schwerfällige, niemals un¬
Unsicherheit der menschlichen Beziehungen,
sympathische Gestalt. Der Stenzel des Theater¬
von der Unmöglichkeit, die Wahrheit in der ##
stückes ist vom ersten bis zum fünften Akt ein
Liebe zu erfahren. Beide Stücke, von unerhör¬
fahriger, aufdringlicher Psychopath. Aus einer
ter Virtuosität, wenn man sie mit den Durch¬
zwar oft nicht befriedigenden, aber doch
schnittsunterhaltungsstücken von heute ver¬
sauberen, immerhin klaren Arbeit, aus dem am
gleicht, wurden unter Regie von H. A.
Ende sogar fast vergnüglichen Roman des
Generalkonsul Stenzel (der übrigens leibhaftig
Schroeder mustergültig gespielt. Willy ?
umgehen soll) wurde eine zerfahrene, unge¬
Birgel und die Damen Overhoff, Ziffe¬
ordnete Arbeit, ein langweilendes, kurzatmiges
rer, Wolf und Ziegler ausgezeichnet. Ein wun¬
derbarer Theater-Abend — was für ein Dialog!
Theaterstück.
Alfons Pape hatte die Aufführung vorbe¬
welche Szenenführung! Aber trotzdem ein#
reitet. Mitten aus der Arbeit heraus hat man
Abend des Abschieds. Die Welt ist anders ge¬
ihn herausgerissen. Die unfertige Arbeit wurde
worden. Die Zeichnung der Herzen ist damit
— Friaz Basil überlassen, einem mäßigen
nicht ungültig geworden: aber das Private
Darsteller (komischer) alter Herren. Es mag
daran hat an Interesse verloren, an Unwichtig¬
nicht sehr anregend sein, in einem solchen
keit zugenommen. So wurde der Schnitzler¬
Falle eine bereits angefangene Arbeit fortzu¬
Abend zu einem Abschied vom Privaten. Ein!
führen. Trotzdem hätte die Aufführung nicht
Schlußpunkt unter Vergangenes.
so disziplinlos, so geistlos ausfallen dürfen.
Hellmut Schlien.
#.
Gustav Waldau (Stenzel) muß fortwährend