III, Einakter 11, Der tapfere Cassian. Puppenspiel in einem Akt (Generalprobe), Seite 12

11. Der tapfere Cassian
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ehpe Gewährp
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Ausschnitt aus:
vom: #######
Jutrn
Kleines Cheater.
Zwei Einakter von Artur Schnitzler wurden
gestern gestern gegeben. Den Schluß machte die be¬
kannte, schon öfters hier gewürdigte Revolutions¬
Groteske „Der grüne Kakadu“, in der
Spiel und Ernst einer gewaltig aufgestörten
Zeit sich so überaus wirkungsvoll mnischen. Im
einzelnen blieb manches hinter früheren Aufführungen
zurück, namentlich hinter der ersten, kaum zu ver¬
gessenden des ehemaligen (Brahmschen) Deutschen
Theaters, in welcher Kainz den Schauspieler
Henri und Rittner den Tanten=Mörder spielte. Aber
die Vallentinsche Gesamtregie, insbesondere der
letzten Massenszenen, gab den mächtigsten Eindruck
einer fiebernden, rasenden Zeit, in der nichts Un¬
gewöhnliches mehr unerwartet kommt, in der
Haut= goüt zur Tagesspeise wird und Natur
zum Raffinement. Der Darsteller des Henri,
fiel im übrigen durch ein
Herr Moissi,
starkes Ausdrucksvermögen und allerlei Sturm und
Drang auf, von dem wir sehen möchten, ob er künftig
entwicklungsfähig sei.
Voran ging ein kurzer Einakter „Der tapfere
Kassian“ der sich jetzt plötzlich „Ein Puppen¬
spiel“ nannte. Diese Nebenbezeichnung trug er bei
seiner ersten Veröffentlichung vor ein paar Monaten
in der „Neuen Rundschau“ nicht. Er wurde gestern
ganz im Puppenspiel=Stil gespielt. Möbel, Wand¬
bilder, Menschen erschienen puppenhaft stilisiert und
„verhölzert“. Die Hauptdarsteller Herr Ekert,
Frau Eysoldt und Herr Licho bewegten sich, ab¬
gesehen von einem gewissen, nicht gut zu verleugnen¬
den Überschuß des Eigenlebens, in bestimmt abge¬
zirkten, automatischen Linien, wie Apparate, die auf¬
gezogen sind und nun ihr Pensum herunter¬
chnurren. An sich gewiß ein interessanter
Versuch, der auch hier im Anfang seine Komik
nicht verfehlte, und der bei ganz verdrehten,
barocken, jeder Wirklichkeit spottenden oder sie ver¬
spottenden Zerrbildern gelegentlich wohl am Platze sein
würde. Von diesem Stücklein aber hatte ich ehemals
beim Lesen und gestern beim Sehen durchaus nicht
den Eindruck, daß es ursprünglich als ein „Puppenspiel“
geplant sei. Dem widerspricht einmal die ursprüng¬
liche Fassung. Dazu sind auch manche Einzelstellen
viel zu fein gedacht und empfunden, und haben an
und für sich viel zu sehr ihre Richtigkeit und Bedeu¬
tung. Das kurze Spiel stellt sich als eine Abenteurer¬
farce dar, bei der, in innerer Verwandtschaft
mit dem „grünen Kakadu“, kaum noch zu unter¬
scheiden ist, wo tolles Leben einer ungebundenen
Zeit und Wirrsale verlumpter Gesellschaftsparasiten
oder eitle Renommage und halb nur bewußte
Münchhauseniade vorhanden sind. Derartiges kann
man im groteskesten Molièrestil spielen, meinet¬
wegen ganz als Rüvel= und Hanswurst¬
komödie. Die Puppenspielerei aber windet
jeden Maßstab aus den Händen, läßt zu überhaupt
keinem Standpunkte kommen. Sie rührt sowohl den
gelegentlich aufblitzenden Ernst, wie die beziehungs¬
vollere Persiflage in einen unterschiedslosen Brei zu¬
sammen, bei dem keines der Ingredenzien auf seine
Kosten kommt. Das Stückchen ist im übrigen für
Schnitzlersche Verhältnisse nicht besonders übermütig
und unterhaltend. Es wurde ziemlich still und
meistens auch wohl unverstanden entgegengenommen.
Paul Mahn.
Deutadh-Hmesba „ —
box 34/10
St. Feterseurg
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt ausReichs Anzeiger, Beriin
24 1. 1904
vom:
Theater und Musik.
Kleines Theater.
Ein reizvolles Experiment war am Dienstag die Erstaufführung des
Puppenspiels „Der tapfere Kassian“ von Arthur Schnitzler.
Die Handlung, im Kern eine bittere Satire auf die Liebestragödie,
ist in der Form so recht im Marionettenstil gehalten. Vereinfachung
und Uebertreibung des Motivs, naive Ausdrucksweise in Ver¬
bindung mit einer tragischen Unterströmung im Vorgang
bilden eine Art die Welt zu sehen, die gerade in unserer
Zeit, mit ihrer rücksichtslosen Härte auch in Kunstdingen, wie
etwas Wohltuedes, fast Erlösendes erscheint. Die typische
Gestaltung der Motive und Figuren, die daraus sich ergebende
humoristische Stimmung weist der Kunst einen neuen Weg, den
weiter zu verfolgen sich vielleicht verlohnte. Die Handlung ist kurz
folgende: Martin und Sophie hatten einander lieb. (
ist
aber im Begriff, sie um einer Tänzerin willen zu verlassen.
Da tritt der tapfere Kassian, ein bramarbasierender Landsknecht auf
und bezaubert die wegen Martins Untreue jammernde Sophie auf den
ersten Blick, sodaß sie sich nun ganz ihm zuwendet. In einer Spiel¬
und Eifersuchtsszene ersticht Kassian den Martin, und Sophie wirft
sich, nun ganz befreit, dem Mörder an die Brust. Doch dieser hat
von Martin die Rose der Tänzerin erhalten und wird seinerseits
nun mit dieser anbinden. Darüber verzweifelt, will sich Sophie
aus dem Fenster stürzen. Kassian aber springt ihr nach
und rettet sie. Man hört die beiden mit der Post von
dannen fahren, während der
zu Tode getroffene Martin,
nachdem er noch die Flöte geblasen hat, einsam stirbt. Es hätte
vielleicht nicht schaden können, wenn die Darstellung den Realismus
noch mehr abgestreift hätte und die Bewegungen noch puppenhafter
gewesen wären. Im ganzen lösten aber die Herren Ekert, Licho,
Großmann und Frau Eysoldt ihre Aufgaben mit großem Geschick. —
Es folgte dann die seinerzeit im Deutschen Theater aufgeführte Groteske
„Der grüne Kakadu“ desselben Verfassers. Die Kraft der in Frankreich
zur Revolutionszeit spielenden Handlung und die angemessene Darstellung
verfehlten auch gestern nicht ihre Wirkung. Die Hauptrollen lagen
in den Händen der Herren von Winterstein, Hartau. Ekert, Leopold,
Moissi, Vallentin, Burg, Sauermann und der Damen Eysoldt,
Durieux u. a. Der anregende Abend erweckte bei den Zuschauern
lebhaften Beifall.
Das Programm des morgen im Königlichen Opernhause
stattfindenden IV. Symphonieabends der Königlichen Kapelle
hat eine Aenderung erfahren. Zur Aufführung gelangen unter Kelir
Weingartners Leitung folgende Werke: Ouvertüre zu „Benvenuto
Cellini“ von Berlioz; „Ueber allen Zauber Liebe“, II. Satz aus der
Symphonie von F. Klose; Variationen über ein lustiges Thema
von Georg Schumann: Schottische Symphonie von Mendelssohn;
Ouverture „Leonore“ Nr. II von Beethoven.
Im Berliner Theater findet morgen die Erstaufführung von
Ein Teufelskerl“ Komödie in drei Akten von Bernard Shaw, in
der deutschen Uebersetzung von Siegfried Trebitsch, statt. Die Haupt¬
rollen sind mit den Damen Carlsen, Kollendt, Roland, den Herren
Connard, Pittschau, Rohland, Schindler und Wehrlin besetzt. Die
Inszenierung hat Dr. Ernst Welisch übernommen.
Im Nationaltheater findet die Erstaufführung der nächsten
Operettennovität, Die Millionenbraut“, am 2. Dezember statt. Die
Titelrolle spielt Fräulein Saccur, die männliche Hauptrolle der be¬
liebte Münchener Operettentenor Fritz Werner als Gast.
Morgen, Freitag, gelangt im Lustspielhause Kadelburgs
Lustspiel „Der Familientag“ zum ersten Male zur Aufführung. Die
Direktion hat für dieses Stück, das ein außerordentlich großes
Personal erfordert, für zwei Hauptrollen Fräuein Tilly Waldegg
und Herin Julius Sachs verpflichtet, ferner sind Frau Ida Becker
und Frau Klara Wenck, die vom nächsten Jahre an in den Verband
des Lustspielbauses tritt, (sowie das gesamte Personal des Lustspiel¬
hauses beschäftigt.