11. Der tapfere Cassian
gesandt hat. Plumpdick sattgegessen von all den Delikatessen,
die er uns vorgesetzt hat, holen wir Guten uns zum Nach¬
tisch den Teufel herauf und prügeln ihm zur Verdauung
weidlich das Fell voll, was immer sehr viel Spaß macht.
Julius Hart.
W 72
Urthur=Schnitzler=Abend im Kleinen Theater.
„Der tapfere Kassian.“
Ein Puppenspiel.
Puppen heben — knack — den rechten Arm. Puppen
heben — knack — den linken Arm. Puppen spreiten —
ratsch — das linke Bein. Puppen spreiten — ratsch — das
rechte Bein. Puppen klappern glupsend mit den Augen,
Puppen klappern wagrecht, sich zu grüßen, Puppen plappern:
Liebe, Wehe, Tod. Eine Puppe nennt sich Flötenbläser,
eine Puppe nennt sich Kriegesmann, eine süße Puppe nennt
sich Fielchen, klappt vom Bläser weg zum Krieger, Krieger
spießt den Bläser nieder, und das Ganze nennt sich Puppen¬
spiel ... Puppchen brauchen nur lebend zu scheinen,
leben nur äußerlich durch Bewegung, inneres Leben vacat,
statt Blut Werg oder Heu, statt Seele Draht. Sehr bequem
für Dichter. Schnitzler ist wenigstens ehrlich. Bekennt sich
endlich einmal offen als Puppenspieler. Seine meisten
Kollegen fabrizieren nichts anderes als ein ewig Puppen¬
spiel, nennen's aber Drama, Schauspiel, Schwank...
Darsteller als lebende Puppen sehr drollig, Ekert
köstlicher Hampelmann, Gertrud Eysoldt himmlische Wachs¬
puppe mit knallroten Bäckchen, Lichos echtester Nu߬
knacker frei nach E. T. A. Hoffmann. Sehr drollig, sehr!
Schlimm nur, daß wir diese Verhölzerung, diese Ver¬
box 34/10
hampelung des Menschlichen drollig finden. Sind wir
wirklich weiser als Kinder, die in den Schwankungen eines
Bezechten den Gipfel des Komischen sehen? Goethe nahm
Abschied von der Theaterwelt, als der Hund des Aubry in
diese Welt einzog. Um wie viel mehr aber ist ein Hund
als eine Puppe.
„Der grüne Kakadu.“
Im wesentlichen ist auch vieser grüne Kakadu nichts als
ein Puppenwerk. Die große Revolution als Hintergrund
für ein Komödiantenspiel im dustren Keller, das ist so recht
spielerische Kunst. Überdies bleibt das Ganze im Skizzen¬
haften stecken. Was in den grellen Gegensätzen an Humor
steckt, das ist nur mit mageren, matten Strichen angedeutet.
Nur in einzelnen Momenten steht die Ausführung auf der
Höhe der Erfindung. Das ist eben der Fluch der Kunst¬
spielerei, daß sie mit Flüchtigkeit identisch ist und sein muß...
Dereinst im Deutschen Theater bei der Erstaufführung
führten Kainz, Rittner, Fischer, Luise Dumont, Marie
Reisenhofer, Biensfeldt das Stück zum Siege. Im
Kleinen Theater hat es Gertrud Eysoldt sehr leicht,
gegen die Erinnerung an die Reisenhofer, Ekert sehr
schwer, gegen die Erinnerung an Kainz anzukämpfen.
Jedenfalls aber gilt er den Komödianten in seiner Art
nicht als Nachahmer. Er gibt ihn weicher, empfindsamer
als Kainz und erzielt gerade damit eine starke Wirkung.
Nur der Kontrast zwischen der Leidenschaftskomödie und der
Leidenschaftswirklichkeit kam so ganz überzeugend nicht
heraus. Mit viel Feinheit spielten auch Winterfeldt und
Tilla Durieux. Trotzdem errang die Aufführung keinen
vollen Sieg. Das Stück krankt denn doch bereits am
Heinrich Hart.
Marasmus senilis.
gesandt hat. Plumpdick sattgegessen von all den Delikatessen,
die er uns vorgesetzt hat, holen wir Guten uns zum Nach¬
tisch den Teufel herauf und prügeln ihm zur Verdauung
weidlich das Fell voll, was immer sehr viel Spaß macht.
Julius Hart.
W 72
Urthur=Schnitzler=Abend im Kleinen Theater.
„Der tapfere Kassian.“
Ein Puppenspiel.
Puppen heben — knack — den rechten Arm. Puppen
heben — knack — den linken Arm. Puppen spreiten —
ratsch — das linke Bein. Puppen spreiten — ratsch — das
rechte Bein. Puppen klappern glupsend mit den Augen,
Puppen klappern wagrecht, sich zu grüßen, Puppen plappern:
Liebe, Wehe, Tod. Eine Puppe nennt sich Flötenbläser,
eine Puppe nennt sich Kriegesmann, eine süße Puppe nennt
sich Fielchen, klappt vom Bläser weg zum Krieger, Krieger
spießt den Bläser nieder, und das Ganze nennt sich Puppen¬
spiel ... Puppchen brauchen nur lebend zu scheinen,
leben nur äußerlich durch Bewegung, inneres Leben vacat,
statt Blut Werg oder Heu, statt Seele Draht. Sehr bequem
für Dichter. Schnitzler ist wenigstens ehrlich. Bekennt sich
endlich einmal offen als Puppenspieler. Seine meisten
Kollegen fabrizieren nichts anderes als ein ewig Puppen¬
spiel, nennen's aber Drama, Schauspiel, Schwank...
Darsteller als lebende Puppen sehr drollig, Ekert
köstlicher Hampelmann, Gertrud Eysoldt himmlische Wachs¬
puppe mit knallroten Bäckchen, Lichos echtester Nu߬
knacker frei nach E. T. A. Hoffmann. Sehr drollig, sehr!
Schlimm nur, daß wir diese Verhölzerung, diese Ver¬
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hampelung des Menschlichen drollig finden. Sind wir
wirklich weiser als Kinder, die in den Schwankungen eines
Bezechten den Gipfel des Komischen sehen? Goethe nahm
Abschied von der Theaterwelt, als der Hund des Aubry in
diese Welt einzog. Um wie viel mehr aber ist ein Hund
als eine Puppe.
„Der grüne Kakadu.“
Im wesentlichen ist auch vieser grüne Kakadu nichts als
ein Puppenwerk. Die große Revolution als Hintergrund
für ein Komödiantenspiel im dustren Keller, das ist so recht
spielerische Kunst. Überdies bleibt das Ganze im Skizzen¬
haften stecken. Was in den grellen Gegensätzen an Humor
steckt, das ist nur mit mageren, matten Strichen angedeutet.
Nur in einzelnen Momenten steht die Ausführung auf der
Höhe der Erfindung. Das ist eben der Fluch der Kunst¬
spielerei, daß sie mit Flüchtigkeit identisch ist und sein muß...
Dereinst im Deutschen Theater bei der Erstaufführung
führten Kainz, Rittner, Fischer, Luise Dumont, Marie
Reisenhofer, Biensfeldt das Stück zum Siege. Im
Kleinen Theater hat es Gertrud Eysoldt sehr leicht,
gegen die Erinnerung an die Reisenhofer, Ekert sehr
schwer, gegen die Erinnerung an Kainz anzukämpfen.
Jedenfalls aber gilt er den Komödianten in seiner Art
nicht als Nachahmer. Er gibt ihn weicher, empfindsamer
als Kainz und erzielt gerade damit eine starke Wirkung.
Nur der Kontrast zwischen der Leidenschaftskomödie und der
Leidenschaftswirklichkeit kam so ganz überzeugend nicht
heraus. Mit viel Feinheit spielten auch Winterfeldt und
Tilla Durieux. Trotzdem errang die Aufführung keinen
vollen Sieg. Das Stück krankt denn doch bereits am
Heinrich Hart.
Marasmus senilis.