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1. Der tapfere Cassian
R
er Einfachheit. Auch Käte Hannemann als Puppenspiel, eine Burleske nennt Schnitzler
des Freiherrn Tochter war sehr nett und schlicht, das kleine Ding, andeutend, daß die Personen nicht
aber sie hat eben nur diesen einen Ton. So= ernst zu nehmen sind, vielleicht aber der tiefere
Sinn der kurzen Komödic. Sophie liebt Martin.
n
Martin aber muß sie verlassen, er liebt heimlich
bald sie darüber hinausgehen und leidenschaftlich
eine andere, Eleonore Lambriani, die be¬
werden soll, versagt sie. Den Assessor gab
rückende Tänzerin, zu ihr will er, eine einzige
Julius Gessendörfer ziemlich farblos,
süße Liebesnacht verbringen, und wenn er daran
Grete
während Julius Strobl und
sterben müßte. Da erscheint der tapfere Cassiau.
in kleineren Rollen ganz vortrefflich
Gallas
Im Nu hat er all seine abenteuerlichen Erlebnisse
Sch.
wiekten.
erzählt, im Nu dem Freund sein Geheimnis ent¬
lockt, Sophiens Liebe gewonnen, Martin
Hab und Gut im Spiel abgewonnen, im Nu
Kleines Theater.
hat er ihn erstochen, ist er willens Sophie zu ver¬
lassen, um Eleonore zu erobern. Da sich Sophie
Der tapfere Cassian“ „Der
deshalb aus dem Feuster stürzen will, springt er
grüne Kakadu“ von Arthur Schnitzler.
ihr nach, fängt sie in der Luft auf, vereinigt sich
Schnitzlers Werdegan, zu beobachten, ist
mit ihr und schon hört man das Posthorn blasen,
eine der interessantesten und dankbarsten Aufgaben
das ihn zu neuer Tat, zu neuer Lust führen soll,
eines modernen Literaturschreibers. Im „Mär¬
während der sterbende Martin seine Flöte, auf der
chen“ und den ersten Gesprächen des „Anatol¬
er seinen Schwanengesang blasen wollte, wegwirft.
Cyclus“ noch gänzlich Produkt seines Milieus der
Ein Puppenspiel nennt Schnitzler sein Stückchen,
schwächlichen Reflexwirkung unbedeutender äußerer
ein Puppenspiel menschlicher Leidenschaften,
Ereignisse, sein Schaffen noch umwebt von dem
ein Symbol des rasch und rücksichtslos
Dunstkreis einer literarischen Caféhaus=Atmosphäre,
dahinströmenden Lebens, des Sieges des
hat er sich in der „Liebelei“ bereits fast völlig frei
Tatenmenschen über den Zanderer und Träumer.
gemacht. Nun zieht es aber Schnitzler mächtig aus
Dabei versäumt er nicht, sich über den Bramarbas
seinem gewohnten Milien. Die Farbenprächte der
lustig zu machen und in dem zehn Minuten
Historie reizen ihn auf. Er will in gleißenden
währenden Spiel vierer Personen eine Lebens¬
Träumen schwelgen, die Größe der Größten lockt
auffassung und vier Temperamente anzudeuten.
ihn, ihn, der gerade im kleinen Rahmen der Größte
Die Kürze, die des Witzes Würze ist, wird hier
gewesen. So entsteht der „Schleier der Beatrice",
nur zur Allzu=Kürze, die Pferchung der Ereignisse
jenes flatternde Band zwischen echter Poesie und
läßt kaum die Deutung zu, die man allzu gerne
gequälter Stimmungssuche, jene Tragödie für das
hinter dem launigen Spiele, dem die preciöse
Burgtheater, das sich weigerte, das Stück des
Sprache trefflich zu Gesichte steht, suchen will.
ersten Wiener Dichters — wenn es auch sein
Dieser Deutung schien sich auch das Publikum
aufzuführen. Dasselbe
schwächstes gewesen
gestern verschließen zu wollen. Es nahm das
Burgtheater mußte auch den „Grünen Kakadu“
Puppenspiel als solches, als einen Scherz des
den wir gestern wieder zu sehen bekamen,
Dichters, einen Witz, den er über das Drama, die
auf höheren Befehl schleunigst vom Repertoire
Theaterspielerei machen wollte und — der Zeiten
absetzen. Die glühenden Farben der Revolution
des Ueberbrettls sich erinnernd — mischte es in
waren für das höfische Parkett zu heiß; fast sind
Beifall deutliches Zischen.
spärlichen
den
sie es auch für die Kunst geworden. Das von
Sorg¬
Kleine Theater hat viel
Das
Brahm und der Schillerbühne her wohlbekannte
Auf¬
und
Ausstattung
an die
falt
Stück, welches wir gestern an der dritten Berliner
beiden Einakter verwendet.
führung der
Bühne begrüßten, ist wohl das wirkungs¬
Der tapfere Cassian wurde durchaus im
svollste, das Schnitzler geschrieben. Aus
Stil der Puppenkomödie gespielt; köstlich war
dem Farbenspiel der Renaissance, das nochmals in
Frau Eysold in jeder ihrer Gesten, auf ihrem
der „Frau mit dem Dolche“ aufleuchtet, aus den
mit dickem Rot bemalten Gesichte lagen Humor
Gluten der Revolution ist Schnitzler zu ein¬
und verständige Klugheit. Herr Eckert und
samer Höhe zurückgekehrt, zu jener schmerzlichen
Herr Licho hielten den Stil nicht so exakt fest.
Resignaten, welche bedeutenden Menschen, die an¬
Die Wirkung war die ber eits erwähnte.
fangen über dem Leben zu stehen, eigen ist. Der ein¬
Vortrefflich waren Inszenierung und Dar¬
same Weg ist der Ausdruck dafür; vielleicht das
stellung des „grünen Kakadu“. Nur vergaßen die
allerbeste, was Schnitzler bisher geschrieben hat.
Darsteller, daß die Revolution, die in einem kleinen
So vornehm und still wie seine Resignation, so
Theater vor sich ging, und schrieen ein wenig zu sehr.
voll, so frisch und saftig ist der Humor, der sie be¬
Besonders Herr Moissi, der prächtige Momente
gleitet. Wie schillert er in der „Literatur“, wie
hatte und in seiner Leidenschaft überzeugte, war
tanzt er im „Reigen“, wie hübsch spottet er
allzulaut; sehr charakteristisch spielte Herr Leopold
„tapfern Cassian“ der gestern
im
zum ersten Male aufgeführt wurde. Einlden Wirt, demütig und verschmitzt, wie er sein soll,
MRA
NDATENAN
Herr Burg den echten Strolch. Frl. Durieuz
war eine vornehme und lüsterne Marquise, Herr
v. Winterstein hätte als Herzog hinreißender
wirken können Frau Eysoldt bot wieder ein
kleines Kabinetstück weiblicher Tücke als Léocadie,
und alle übrigen Mitwirkenden ergänzten stimmungs¬
voll das bewegte Bild in der Schänke zum grünen
Kakadu.
Nach Fallen des Vorhangs hob starker Beifall
an. Man wollte die Kühle nach dem „tapferen
Cassian“ wieder gut machen und dem geschätzten¬
Dichter persönlich seine Symvathien beweisen. Wohl
fünf Minuten lang nach dem Abgang der Schauspieler
klatschte das Publikum, darunter Otto Brahm,
vor geschlossenem Vorhang, bis endlich Arthur
Schnitzler zweimal vor der Rampe erschien
und die Symvethiekundgebungen seiner Freunde
und Verehrer seiner Muse dankend entgegennahm.
R. E.
isches Theätere-
Ke
1. Der tapfere Cassian
R
er Einfachheit. Auch Käte Hannemann als Puppenspiel, eine Burleske nennt Schnitzler
des Freiherrn Tochter war sehr nett und schlicht, das kleine Ding, andeutend, daß die Personen nicht
aber sie hat eben nur diesen einen Ton. So= ernst zu nehmen sind, vielleicht aber der tiefere
Sinn der kurzen Komödic. Sophie liebt Martin.
n
Martin aber muß sie verlassen, er liebt heimlich
bald sie darüber hinausgehen und leidenschaftlich
eine andere, Eleonore Lambriani, die be¬
werden soll, versagt sie. Den Assessor gab
rückende Tänzerin, zu ihr will er, eine einzige
Julius Gessendörfer ziemlich farblos,
süße Liebesnacht verbringen, und wenn er daran
Grete
während Julius Strobl und
sterben müßte. Da erscheint der tapfere Cassiau.
in kleineren Rollen ganz vortrefflich
Gallas
Im Nu hat er all seine abenteuerlichen Erlebnisse
Sch.
wiekten.
erzählt, im Nu dem Freund sein Geheimnis ent¬
lockt, Sophiens Liebe gewonnen, Martin
Hab und Gut im Spiel abgewonnen, im Nu
Kleines Theater.
hat er ihn erstochen, ist er willens Sophie zu ver¬
lassen, um Eleonore zu erobern. Da sich Sophie
Der tapfere Cassian“ „Der
deshalb aus dem Feuster stürzen will, springt er
grüne Kakadu“ von Arthur Schnitzler.
ihr nach, fängt sie in der Luft auf, vereinigt sich
Schnitzlers Werdegan, zu beobachten, ist
mit ihr und schon hört man das Posthorn blasen,
eine der interessantesten und dankbarsten Aufgaben
das ihn zu neuer Tat, zu neuer Lust führen soll,
eines modernen Literaturschreibers. Im „Mär¬
während der sterbende Martin seine Flöte, auf der
chen“ und den ersten Gesprächen des „Anatol¬
er seinen Schwanengesang blasen wollte, wegwirft.
Cyclus“ noch gänzlich Produkt seines Milieus der
Ein Puppenspiel nennt Schnitzler sein Stückchen,
schwächlichen Reflexwirkung unbedeutender äußerer
ein Puppenspiel menschlicher Leidenschaften,
Ereignisse, sein Schaffen noch umwebt von dem
ein Symbol des rasch und rücksichtslos
Dunstkreis einer literarischen Caféhaus=Atmosphäre,
dahinströmenden Lebens, des Sieges des
hat er sich in der „Liebelei“ bereits fast völlig frei
Tatenmenschen über den Zanderer und Träumer.
gemacht. Nun zieht es aber Schnitzler mächtig aus
Dabei versäumt er nicht, sich über den Bramarbas
seinem gewohnten Milien. Die Farbenprächte der
lustig zu machen und in dem zehn Minuten
Historie reizen ihn auf. Er will in gleißenden
währenden Spiel vierer Personen eine Lebens¬
Träumen schwelgen, die Größe der Größten lockt
auffassung und vier Temperamente anzudeuten.
ihn, ihn, der gerade im kleinen Rahmen der Größte
Die Kürze, die des Witzes Würze ist, wird hier
gewesen. So entsteht der „Schleier der Beatrice",
nur zur Allzu=Kürze, die Pferchung der Ereignisse
jenes flatternde Band zwischen echter Poesie und
läßt kaum die Deutung zu, die man allzu gerne
gequälter Stimmungssuche, jene Tragödie für das
hinter dem launigen Spiele, dem die preciöse
Burgtheater, das sich weigerte, das Stück des
Sprache trefflich zu Gesichte steht, suchen will.
ersten Wiener Dichters — wenn es auch sein
Dieser Deutung schien sich auch das Publikum
aufzuführen. Dasselbe
schwächstes gewesen
gestern verschließen zu wollen. Es nahm das
Burgtheater mußte auch den „Grünen Kakadu“
Puppenspiel als solches, als einen Scherz des
den wir gestern wieder zu sehen bekamen,
Dichters, einen Witz, den er über das Drama, die
auf höheren Befehl schleunigst vom Repertoire
Theaterspielerei machen wollte und — der Zeiten
absetzen. Die glühenden Farben der Revolution
des Ueberbrettls sich erinnernd — mischte es in
waren für das höfische Parkett zu heiß; fast sind
Beifall deutliches Zischen.
spärlichen
den
sie es auch für die Kunst geworden. Das von
Sorg¬
Kleine Theater hat viel
Das
Brahm und der Schillerbühne her wohlbekannte
Auf¬
und
Ausstattung
an die
falt
Stück, welches wir gestern an der dritten Berliner
beiden Einakter verwendet.
führung der
Bühne begrüßten, ist wohl das wirkungs¬
Der tapfere Cassian wurde durchaus im
svollste, das Schnitzler geschrieben. Aus
Stil der Puppenkomödie gespielt; köstlich war
dem Farbenspiel der Renaissance, das nochmals in
Frau Eysold in jeder ihrer Gesten, auf ihrem
der „Frau mit dem Dolche“ aufleuchtet, aus den
mit dickem Rot bemalten Gesichte lagen Humor
Gluten der Revolution ist Schnitzler zu ein¬
und verständige Klugheit. Herr Eckert und
samer Höhe zurückgekehrt, zu jener schmerzlichen
Herr Licho hielten den Stil nicht so exakt fest.
Resignaten, welche bedeutenden Menschen, die an¬
Die Wirkung war die ber eits erwähnte.
fangen über dem Leben zu stehen, eigen ist. Der ein¬
Vortrefflich waren Inszenierung und Dar¬
same Weg ist der Ausdruck dafür; vielleicht das
stellung des „grünen Kakadu“. Nur vergaßen die
allerbeste, was Schnitzler bisher geschrieben hat.
Darsteller, daß die Revolution, die in einem kleinen
So vornehm und still wie seine Resignation, so
Theater vor sich ging, und schrieen ein wenig zu sehr.
voll, so frisch und saftig ist der Humor, der sie be¬
Besonders Herr Moissi, der prächtige Momente
gleitet. Wie schillert er in der „Literatur“, wie
hatte und in seiner Leidenschaft überzeugte, war
tanzt er im „Reigen“, wie hübsch spottet er
allzulaut; sehr charakteristisch spielte Herr Leopold
„tapfern Cassian“ der gestern
im
zum ersten Male aufgeführt wurde. Einlden Wirt, demütig und verschmitzt, wie er sein soll,
MRA
NDATENAN
Herr Burg den echten Strolch. Frl. Durieuz
war eine vornehme und lüsterne Marquise, Herr
v. Winterstein hätte als Herzog hinreißender
wirken können Frau Eysoldt bot wieder ein
kleines Kabinetstück weiblicher Tücke als Léocadie,
und alle übrigen Mitwirkenden ergänzten stimmungs¬
voll das bewegte Bild in der Schänke zum grünen
Kakadu.
Nach Fallen des Vorhangs hob starker Beifall
an. Man wollte die Kühle nach dem „tapferen
Cassian“ wieder gut machen und dem geschätzten¬
Dichter persönlich seine Symvathien beweisen. Wohl
fünf Minuten lang nach dem Abgang der Schauspieler
klatschte das Publikum, darunter Otto Brahm,
vor geschlossenem Vorhang, bis endlich Arthur
Schnitzler zweimal vor der Rampe erschien
und die Symvethiekundgebungen seiner Freunde
und Verehrer seiner Muse dankend entgegennahm.
R. E.
isches Theätere-
Ke