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10. Der Puppenspieler
unter dem Protektorat der Fürstin Lothar geschätzten Freund das Kostbarste verschenkt, alles,
was eigentlich für ihn selbst bestimmt war: Ruhe,
Metternich=Winneburg steht, drei Einakter von
Theater und Kunst.
Frieden und Schaffenskraft und die treueste
Artur Schnitzler. Die Studie „Der Puppen¬
Liebe einer guten Frau. Vergeblich hüllt er sich
spieler“ zum ersten Male. Wie sich Künstler
)#4 Artur Schnitzler-Abend.
jetzt in seine posierte Ueberlegenheit, in seine
menschlich zu ihrem Erfolg verhalten oder wie sie
Dämonie, in seinen Freiheitsdrang, wie ein
Es müssen jetzt schon ganz besondere Gelegen¬
sich mit ihrer Unfähigkeit abfinden, gehört zu
armer Mann sich frierend in abgetragene Kleider
heiten kommen, damit der bedeutendste dra¬
den Problemen, die Schnitzler sehr beschäftigen.
hüllt: vergeblich will er auch jetzt noch sich über
matische Dichter Wiens einmal auf einer Wiener
Ibsens Hjalmar Ekdal hat ihn bei diesen
die Situation emporschwingen. Er bleibt tief
Bühne zur Aufführung gelangt. Dieser lächer¬
Gängen durch die innersten Räume der Seele
unter ihr, beginnt es zu ahnen, und flieht, um
liche Zustand währt nun schon einige Jahre und
oft begleitet und geleitet. Das Schnitzlerische
wenigstens die letzten Reste von Selbsttäuschung
wird wahrscheinlich noch lange andauern, denn
dabei: daß die Menschen ihr Schicksal nicht ver¬
noch zu retten. Herr Jarno hat diese komplizierte
Herr Schlenther kann es Herrn Artur Schnitzler
stehen, und daß aus diesem Mißverständnis
Gestalt vortrefflich gespielt und die mit Hochmut,
nimmer verzeihen, daß er sich vom Direktor des
Pointen von Welthumor und Lebenstragik sich
Prahlerei, mit stolzer Scham und kindischer
n
Burgtheaters nicht hat zum Besten halten lassen.
ergeben. „Der Puppenspieler“ hat einmal, vor
Wichtigkeit zugedeckte Verbitterung des unfähig
Als damals, in jener Affäre des „Schleier der
langer Zeit, irgendeinen Erfolg gehabt. Das
Gewordenen, Schiffbrüchigen, des geistigen Bank¬
Beatrice“ dem so unbedenklich getäuschten und
heißt, es ist einmal in ihm ein Licht auf¬
rottierers ergreifend sichtbar gemacht. Ihm stan¬
geschädigten Dichter der Geduldfaden riß, war
gegangen, das dann erlosch. Die Finsternis und
den leise und künstlerisch diskret Frau Wagen
es mir für kurze Tage wohl möglich, die Wiener
Leere, die nun in ihm zurückbleibt, die Impotenz
und Herr Claar zur Seite.
Kritik gegen direktoriale Willkür und Treulosig¬
Die beiden anderen Einakter gehören
und die Sterilität täuscht er sich selbst mit allerlei
keit zu einen. Aber die auf der bekannten Protest¬
Schnitzlers Zyklus „Lebendige Stunden“ an.
wirren und in sich selbst verlogenen wunderlichen
erklärung mit Unterschrift besiegelte Solidarität
Großartigkeiten hinweg. Er hält sich für dämo¬
In „Die letzten Masken“ gab Herr Heine den
hielt nicht lange vor. Bei manchen waren es die
nisch, unter anderem. Sein Schaffenstrieb, meint
Rademacher, den sterbenden Journalisten; er
Herren Chefredakteure, die es für klüger hielten,
spielte auch in „Literatur“ den Gilbert. Herr
er, sei zu groß, um mit Feder und Papier sich
mit dem Burgtheater zu paktieren, andere Kri¬
Heine hat in Wien seine besten Leistungen außer¬
genugzutun. Er spielt mit lebendigen Menschen,
tiker wieder erwiesen sich — als der Anfall von
halb des Burgtheaters verrichtet. Auch gestern
wie man mit Puppen spielt. Lenker irdischer
Schneid vorüber war — als Friedensfreunde aus
zeigte er, wie viel wir an ihm verlieren, und
Geschicke, das ist ihm gerade gut genug. So
Temperament, noch andere hatten noch andere
wie leichtfertig er für uns verloren ward, der ein¬
kommt er zu einem Jugendfreund, der immer
Gründe, und zuletzt zog die Wiener Wurschtigkeit
fach der beste Charakterdarsteller, der th ater¬
ein bescheidener, unbedeutender Mensch gewesen.
den jedesmal so beliebten Schwamm auch über
freudigste, entwicklungsfähigste Schauspieler ist,
Der Puppenspieler hat ihn stets verachtet, hat
diese Geschichte. Es ist also nur zu begreiflich,
den wir jetzt an der Burg hatten. Herr
einmal ein Mädchen beredet, daß es sich für einen
weimn man in einer Stadt, in der die Gesinnungs¬
Schmidt war im ersten Stück der Weihgast,
Sommerabend in den armen Musikanten verliebt
lethargie so chronisch geworden, dem Publikum,
keineswegs von so durchscheinendem Humor wie
stelle. Der bescheidene, unbedeutende Freund
den heimischen Dichtern und der lokalen Presse
Bassermann, aber eindringlich genug. Herr
sollte das Glück der Weiberzärtlichkeit kennen
einfach alles bieten darf. Und geraten heute, nach
[Treßler versah es in beiden Stücken; als
lernen, es aus des Puppenspielers Händen emp¬
dem Artur Schnitzler=Abend, den wir gestern
Florian in den „Letzten Masken“, wie als Egon
fangen. Nun findet er nach Jahren das Mädchen
sahen, einige ins Staunen, warum denn dieser
in der „Literatur“. Der Florian ist keine solche
als die Frau des Verachteten, findet den kleinen,
Dramatiker so glatt von unserer Bühne ver¬
Marionette, und der Clemens kein Gigerl aus
unbedentenden Jugendgenossen als Gatten, als
schwunden ist, so sei hiermit an die Vorgänge von
den Pschütt=Karikaturen. Frau Retty war als
Vater, glücklich und im Gleichgewicht des Lebens.
damals erinnert, die beweisen, daß wir uns in
Felix Salten.
Margarethe reizend.
Wohl hat er hier ein Menschenschicksal bestimmt.
Wien unsere besten und frischesten Kräfte er¬
Aber die Triebkraft des Daseins schlug Wurzel
sticken lassen, ohne auch nur empfindlicher darauf
und das duftendste, üppigste Laubwerk des
zu achten.
Lebens schoß aus jener Laune eines Sommer¬
Gestern hörte man, in einer Wohltätigkeits¬
abends empor. Außerdem: der Puppenspieler
vorstellung im Carl=Theater zugunsten des
Ersten öffentlichen Kinder=Krankeninstituts, das hat an jenem Abend abnunaslos an den gerina¬
10. Der Puppenspieler
unter dem Protektorat der Fürstin Lothar geschätzten Freund das Kostbarste verschenkt, alles,
was eigentlich für ihn selbst bestimmt war: Ruhe,
Metternich=Winneburg steht, drei Einakter von
Theater und Kunst.
Frieden und Schaffenskraft und die treueste
Artur Schnitzler. Die Studie „Der Puppen¬
Liebe einer guten Frau. Vergeblich hüllt er sich
spieler“ zum ersten Male. Wie sich Künstler
)#4 Artur Schnitzler-Abend.
jetzt in seine posierte Ueberlegenheit, in seine
menschlich zu ihrem Erfolg verhalten oder wie sie
Dämonie, in seinen Freiheitsdrang, wie ein
Es müssen jetzt schon ganz besondere Gelegen¬
sich mit ihrer Unfähigkeit abfinden, gehört zu
armer Mann sich frierend in abgetragene Kleider
heiten kommen, damit der bedeutendste dra¬
den Problemen, die Schnitzler sehr beschäftigen.
hüllt: vergeblich will er auch jetzt noch sich über
matische Dichter Wiens einmal auf einer Wiener
Ibsens Hjalmar Ekdal hat ihn bei diesen
die Situation emporschwingen. Er bleibt tief
Bühne zur Aufführung gelangt. Dieser lächer¬
Gängen durch die innersten Räume der Seele
unter ihr, beginnt es zu ahnen, und flieht, um
liche Zustand währt nun schon einige Jahre und
oft begleitet und geleitet. Das Schnitzlerische
wenigstens die letzten Reste von Selbsttäuschung
wird wahrscheinlich noch lange andauern, denn
dabei: daß die Menschen ihr Schicksal nicht ver¬
noch zu retten. Herr Jarno hat diese komplizierte
Herr Schlenther kann es Herrn Artur Schnitzler
stehen, und daß aus diesem Mißverständnis
Gestalt vortrefflich gespielt und die mit Hochmut,
nimmer verzeihen, daß er sich vom Direktor des
Pointen von Welthumor und Lebenstragik sich
Prahlerei, mit stolzer Scham und kindischer
n
Burgtheaters nicht hat zum Besten halten lassen.
ergeben. „Der Puppenspieler“ hat einmal, vor
Wichtigkeit zugedeckte Verbitterung des unfähig
Als damals, in jener Affäre des „Schleier der
langer Zeit, irgendeinen Erfolg gehabt. Das
Gewordenen, Schiffbrüchigen, des geistigen Bank¬
Beatrice“ dem so unbedenklich getäuschten und
heißt, es ist einmal in ihm ein Licht auf¬
rottierers ergreifend sichtbar gemacht. Ihm stan¬
geschädigten Dichter der Geduldfaden riß, war
gegangen, das dann erlosch. Die Finsternis und
den leise und künstlerisch diskret Frau Wagen
es mir für kurze Tage wohl möglich, die Wiener
Leere, die nun in ihm zurückbleibt, die Impotenz
und Herr Claar zur Seite.
Kritik gegen direktoriale Willkür und Treulosig¬
Die beiden anderen Einakter gehören
und die Sterilität täuscht er sich selbst mit allerlei
keit zu einen. Aber die auf der bekannten Protest¬
Schnitzlers Zyklus „Lebendige Stunden“ an.
wirren und in sich selbst verlogenen wunderlichen
erklärung mit Unterschrift besiegelte Solidarität
Großartigkeiten hinweg. Er hält sich für dämo¬
In „Die letzten Masken“ gab Herr Heine den
hielt nicht lange vor. Bei manchen waren es die
nisch, unter anderem. Sein Schaffenstrieb, meint
Rademacher, den sterbenden Journalisten; er
Herren Chefredakteure, die es für klüger hielten,
spielte auch in „Literatur“ den Gilbert. Herr
er, sei zu groß, um mit Feder und Papier sich
mit dem Burgtheater zu paktieren, andere Kri¬
Heine hat in Wien seine besten Leistungen außer¬
genugzutun. Er spielt mit lebendigen Menschen,
tiker wieder erwiesen sich — als der Anfall von
halb des Burgtheaters verrichtet. Auch gestern
wie man mit Puppen spielt. Lenker irdischer
Schneid vorüber war — als Friedensfreunde aus
zeigte er, wie viel wir an ihm verlieren, und
Geschicke, das ist ihm gerade gut genug. So
Temperament, noch andere hatten noch andere
wie leichtfertig er für uns verloren ward, der ein¬
kommt er zu einem Jugendfreund, der immer
Gründe, und zuletzt zog die Wiener Wurschtigkeit
fach der beste Charakterdarsteller, der th ater¬
ein bescheidener, unbedeutender Mensch gewesen.
den jedesmal so beliebten Schwamm auch über
freudigste, entwicklungsfähigste Schauspieler ist,
Der Puppenspieler hat ihn stets verachtet, hat
diese Geschichte. Es ist also nur zu begreiflich,
den wir jetzt an der Burg hatten. Herr
einmal ein Mädchen beredet, daß es sich für einen
weimn man in einer Stadt, in der die Gesinnungs¬
Schmidt war im ersten Stück der Weihgast,
Sommerabend in den armen Musikanten verliebt
lethargie so chronisch geworden, dem Publikum,
keineswegs von so durchscheinendem Humor wie
stelle. Der bescheidene, unbedeutende Freund
den heimischen Dichtern und der lokalen Presse
Bassermann, aber eindringlich genug. Herr
sollte das Glück der Weiberzärtlichkeit kennen
einfach alles bieten darf. Und geraten heute, nach
[Treßler versah es in beiden Stücken; als
lernen, es aus des Puppenspielers Händen emp¬
dem Artur Schnitzler=Abend, den wir gestern
Florian in den „Letzten Masken“, wie als Egon
fangen. Nun findet er nach Jahren das Mädchen
sahen, einige ins Staunen, warum denn dieser
in der „Literatur“. Der Florian ist keine solche
als die Frau des Verachteten, findet den kleinen,
Dramatiker so glatt von unserer Bühne ver¬
Marionette, und der Clemens kein Gigerl aus
unbedentenden Jugendgenossen als Gatten, als
schwunden ist, so sei hiermit an die Vorgänge von
den Pschütt=Karikaturen. Frau Retty war als
Vater, glücklich und im Gleichgewicht des Lebens.
damals erinnert, die beweisen, daß wir uns in
Felix Salten.
Margarethe reizend.
Wohl hat er hier ein Menschenschicksal bestimmt.
Wien unsere besten und frischesten Kräfte er¬
Aber die Triebkraft des Daseins schlug Wurzel
sticken lassen, ohne auch nur empfindlicher darauf
und das duftendste, üppigste Laubwerk des
zu achten.
Lebens schoß aus jener Laune eines Sommer¬
Gestern hörte man, in einer Wohltätigkeits¬
abends empor. Außerdem: der Puppenspieler
vorstellung im Carl=Theater zugunsten des
Ersten öffentlichen Kinder=Krankeninstituts, das hat an jenem Abend abnunaslos an den gerina¬