III, Einakter 10, (Marionetten. Drei Einakter), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 27

10. Der Puppenspieler
Ausschnitt aus:
Spzällgemein: Zeitung, Wier
vom: 30 Mll. 1313


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Aue.
„Neue Wiener Bühne.) Albert Basser¬
ma#'n fühlt (neuestens das Bedürfnis, seine erhebliche
Wandelbarkeit nicht mehr im Lause eines Wochenrepertoires,
sondern im Rahmen eines Abends zu erweisen. Diesmal
gaben drei Schnitzlersche Einakter, alle drei von früheren
„Aufführungen befannt, den Anlaß, Zwei davon gehören
einem Zyklus an, das eröffnende Stück marschierte sozu¬
sagen allein, jügse sich (indessen frefflich ein; Schnitzler
variiert ja noch immer dieses, fein Lieblingsthema: Zwei
Männer und eine Frau und irgendwo in der Vergangen¬
heit ein Erlebnis, das in der späten Aussprache, die den
Inhalt der Szene jeweils bildet, ein ganz anderes Antlitz
erhält. Zweimal ernsthaft dramatisch, einmal ironisch ge¬
führt. Die wertvollste Leistung bot Bassermann wohl
im „Puppenspieler“ Da haftete diesem abgerissenen,
verschlossenen, wortkargen Wandeter wirklich ein Schimmer
erdenferner Phantastik an: einer, der irgendwoher kommt,
der irgendwohin geht, der keine Spur zurückläßt, der
keinen Schatten besitzt. In den „Letzten Masken“
war die Maske eine Ueberraschung. Ein prachtvoll auf
Bedeutung frisierter Kopf, ein dunkel gefärbter, repräsen¬
tativ flatternder Vollbart. Was dunn nachfolgte, war
Enttäuschung. Komödiantisches Pathos, dessen Notwendig¬
keit man nicht eigentlich begriff; ein so lächerlich
selbst¬
gefälliger Patron ist dieser Dichter Weihgast denn
doch
nicht. Und endlich „Literatur“ das Lustspiel,
dessen
Humor schon bedenklich ausgeraucht ist: Clemens:
Albert
Bassermann. Glattrasiert. Man freute sich,
dieses
edle Schauspielergesicht gleichsam demaskiert zu sehen.
Die
Hohe, wunderbar elastische Figur; jeder Zoll ein Herren¬
reiter. Die Schultern, die Hände, der Gang, alles hoch¬
aristokratisch. Das zerdehnte, tonlos mannheimerisch¬
wienerische Näseln aber uncharakteristisch und wenig
amüsant. Und auch mit der Borniertheit dieses Clemens
wars nicht weit her; einer, der weit über dem Platz ist,
da er zu stehen vorgibt. Das erste Stück ausgenommen,
hatte man später die Empfindung, daß der Künftler mit
seinen Rollen spiele, daß wohl das Handgelenk, aber nicht
viel mehr dabei interessiert sei. Herr Iwald ausge¬
zeichnet in der ruhigen Ueberlegenheit des kleinen, von2
allen Problemen unberührten Verstandes gegenüber dem
schiffbrüchigen Schwärmer. Als Literat Gilbert weniger
glücklich. Herr Neuß zu überhitzt, grimmig röhrend, der
sterbende Rübezahl. Herr Schulbaur gab nicht ein¬
mal die notdürftigen Umrisse des Jackwerth; nicht
das
flackernde Ungestüm des Schwindsüchtigen, nicht
die
gespenstische Komik des kleinen Provinzschauspielers.
Gar,
nichts. Fräulein Ernik bald dilletantisch unsicher,
bald
rührend einfach im Ton, so daß man überrascht auf¬
horchte. Fräulein Balten erfreute durch den angenehmen
Plauderton.
Ausschnitt aus: firbeiier-Zeitung, Wier
20 Mgl 1973
vom:

Theater Und Kunst.
Gastspiel Albert Bassermann. Wieder bietet die
Neue Wiener Bühne einen Abend voll feingeistiger
Schwingungen: drei kleine Dichtungen von Arthur Schuitle
Diesmal steht nicht Bassermann im Vordergrund, sondern
Schnitzler. Ja, Bassermann höpft nicht einmal die ganze Fülle
der dramatischen Möglichkeiten aus. Er gibt dem Georg
Merklin wohl alles, was zum Puppenspieler gehört,
läßt aber nicht wittern, wie sehr jeder Mensch, der ein
Puppenspieler zu sein vermeint, selbst am Puppendraht
hängt. Aehnlich ist es mit der Zeichnung Alexander
Weihgasts, des erfolgreichen Literaten („Die letzten
Masken“). Auch hier zeigt Bassermann nur die Eitelkeit des
Aufgeblähten, ohne es fühlen zu lassen, wie sehr doch alle
Eitelkeit nichts ist als verhüllte Unznlänglichkeit. Prächtig
freilich ist Bassermann als Klemens („Literatur“), als der
Graf, dem aus aristokratischen Empfindungen heraus die
Schamlosigkeit aller Literatur widerlich ist. In diesem Spiel
erst kam Bassermann dem Dichter vollkommen nach ... Von
den anderen Darstellern zeigte Leopold Iwald als Oboe¬
spieler und später als Literat Gilbert gutes Können. Als
Komiker im Spital überraschte Heinz Schulbaur. J. L. 8.—
box 34/9
(Guellenangabe onne Gewanr.]
Ausschnitt aus: Peutsches Tagblati
Ostdentsche Rundschat
Sec. S Wien
vom:
Kunst und Bühne.
Neue(Wiener Bühne. In den drei Schnitzler¬
'schen Einakier „Der Puppenspieler“, „Die
letzten Masken" und „Viteratur“ — Neuheiten
für diese Bühne — die ja gewiß sehr klug erdacht, sehr
geistreig ang zum Teil sogar pöerisch, dabei aber doch,
den mit##ren wiederum in Außeren Einzelheiten fast un¬
möglichen) etwa ausgenouhnen, recht undramatisch sind,
spielte gestern Albert Basßermann das herabgekommene
Genie, den berühmten Salondichter und den bornierten
jungen Hocharistokraten: In einer Weise, wie
man sie sich farbenreicher, plastischer und differen¬
zierter nicht leicht denken kann. Die Verwandlungs¬
fähigkeit dieses bedeutenden Schauspielers besonders
erwies sich hier als geradezu wunderbar. Zu wünschen
blieb, daß er ein bißchen weniger an den Worten klebte,
sie nicht manchmal gar zu sehr zerdehnte. Mit der
kleinsten der drei Rollen, dem übersatten und selbst=,
gefälligen Dichter Weihgast in den „Letzten Masken“
holte er sich wohl den größten Erfolg. Die sonstige Dar¬
stellung war fast durchwegs tadellos, so daß sie für den
Gast keine Folie, sondern einen würdigen Rahmen bildete.
Alwin Neuß als sterbender Entgleister und Zerline
Balten als lebenserfahrene Dekadenzschriftstellerir,
müssen namentlich angeführt werden.
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ieschnitt aus: Neues Wiener Tagblatt, Wien
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Hm:
„Gastspiel Albert Bassermann. Artur
Schnitzlers drei Einakter: „Der Puppenspieler“, „Die
letzten-Masken“ und „Literatur“ — eine wahre Juwelen¬
arbeit moderner dramatischer Kleinkunst, die witzigsten und
gehaltvollsten Satiren auf Dichter und Dichterleben, in die
Höhe echter Poesie emporgehobene Wiener Feuilletons —
fanden gestern, nachdem sie längere Zeit aus dem
Repertoire unsrer heimischen Bühnen verschwunden waren,
eine enthusiastische Aufnahme, als wären sie völlige Neu¬
heiten. Dies danken wir Albert Bassermann, der
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auch diesmal wieder die Mitspieler zur Anspannung ihrer
letzten Kräfte anregte. Bassermanns Kunst setzt die
geheimsten Ahnungen dichterischer Konzeption in lebendiges
Leben um; man möchte darauf schwören, die Gesichter und
Gestalten, in denen er erscheint, schon irgendwo gesehen,
den Tonfall seiner Rede schon irgendwann gehört zu haben.
Er porträtiert nach der Natur und schafft doch Typen für
die feinsten Schattierungen der Schnitzlerschen Ironie: für
die elegische Satire auf den ursprünglich talentvollen
Bohemien Merklin, der mit Menschen wie mit Puppen
spielen zu können vermeinte und darüber sein eigenes Leben
verspielte; für das hohle, falsche Pathos des Routiniers
Weihgast und seine naive Selbstgefälligkeit; für die trockene
Einfalt; des literaturfeindlichen Turfbarons Klemens —
ffür alle diese, einander doch offenbar ausschließende
Charaktere findet Bassermann die zutreffendste Tonart
sund Gebärde. Geist und Technik halten sich bei ihm die
Wage. In den zwei Rollen
des treuherzig
naiven Oboespielers
Jahisch (im
„Puppenspieler“)
und des
Schriftstellers
hitzigen
Gilbert (in
„Literatur") zeigte Herr Iwald auch
diesmal seine be¬
deutende Charakterisierungskunst, sein
poetisches Fein¬
gefühl; mit starker Wirkung spielte Herr Neuß die ver¬
ständnisvoll interpretierte Rolle des Journalisten Rade¬
macher in den „Letzten Masken“, anmutig in ihrer pein¬
flich wirksamen Erscheinung war Fräulein Balten als
Schriftstellerin Margarete in „Literatur“
die um der
guten Versorgung willen so gern auf literarischen Ruhm
verzichtet. Das dichtgefüllte Haus der Neuen Wiener
Bühne feierte Bassermann und seinen Dichter.
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