III, Einakter 10, (Marionetten. Drei Einakter), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 31

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10 Der Puppenspieler
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
on, Wien
schnitt aus:
1:

mann die Erscheinungen aus Sudermanns
Neue Wiener Bühne.
und Arthur Schnitzlers Werken. In
Das Gastspiel des bekannten Berliner
„Stein unter Steinen“ gelang es
Schauspielers Albert Bassermann, eines
dem Gaste, jenen Besuchern, die das alte Burg
Lieblings der hohen Finanzkreise im Tiergarten
theater nicht mehr kennen lernten, zu imponieren
viertel und bewährten Matadors für Kinemato¬
und in den drei Schnitzterschen Einaktern
graphen, nahm während des ganzen Monates
„Die Puppenspieler", „Die letzten
Mai seinen von einem nicht unbedeutenden
Masken" und „Literatur“ stellte er
Kassenerfolge begleiteten Fortgang an der
drei grundverschiedene Typen aus der entarteten
„Neuen Wiener Bühne“ und mußte
Gegenwart auf die Bühne, die sicherlich einer
sogar bis zum 6. Juni verlängert werden.
gewissen Lebenswahrheit nicht entbehrten. Ins¬
Das wirklich kunstverständige Publikum hielt sich
besondere der einfältig ehrliche und dabei
Bassermann gegenüber recht reserviert, die
liebenswürdige Clemens im letzten Lustspiele war
minder Gebildeten aber und jene, die für das
sehr naturgetren: Bassermann verkörperte
Ideale weniger schwärmen als für die Mätzchen
in ihm das Prototyp des dekadenten Reichen,
und episodistischen Groteskeinfälle der Hyper
der sich von einem schlechten Weibe um die
modernen, jubelten Bassermann zu, als
Nase drehen und heiraten läßt und dabei über
ob er der Vertreter kad exochem einer neuen
glücklich ist. Eine Idealsigur freilich ist dieser
und besseren Richtung in der Schauspielkunst
Baron ebensowenig wie die meisten anderen
wäre. Offen gestanden halten wir diesen Reklame¬
Menschen Schnitzlers. Und daß der viel¬
Propheten der Moderne für nichts weiteres als
genannte Gast aus dem Norden keine Ideal¬
einen recht geschiekten Mimen, der sich hie und
figuren darzustellen imstande ist, kann wohl nie¬
da geschmacklose Auffassungen leistet, ganz gewiß
mand bezweiseln, der diesen interessanten Schauspieler
Akbar.
aber nicht für einen erstklassigen Künstler. Der
beobachtend mimen gesehen.
Liebling der reichen Leute an der Spree reicht
weder an unseren Reimers oder Girardi
und am allerwenigsten an Baumeister und
die vorstorbenen Meister Gabillon, Sonnen¬
thal, Robert, Lewinsky und Hart¬
mann heran. Denn bei ihm ist alles berech¬
nende und berechnete Mache und nirgends findet
man eine Spur der vom Herzen kommenden
Innerlichkeit, welche, insbesondere in klassischen
Werken, einen Charakter zu einem einheitlichen
Ganzen fassen und lebenswahr durchstrahlen muß,
um die Gedanken des betreffenden unsterblichen;
Dichters und Denkers in greifbare Natürlichkeit
umzuwerten und die Begeisterung der wirklich
Gebildeten auszulösen.
So wurde denn der Venedikt des Herrn
Bassermann in Shakespeares
wundervoll witzigem und geistvollem Lustspiele
„Viel Lärm um nichts“ zum klassischen
Veispiele, wie man die Klassiker nicht spielen
darf. Der lebensfrohe Kauseur, welchen seiner¬
zeit Gabillon, Mitterwurzer und
Hartmann so meisterhaft wiedergaben sank
zu einer Figur herab, welche der längst ver¬
flossenen „Kasperlbühne“ Prehausers ent¬
nommen schien. Bassermann zerpflückte!
den so sympathischen Charakter in abgerissene
und unbegründete Teile; er unterbrach die Rede,
durch häßliche Grunz= und Gurgeltöne, er legte
sich auf den Fußboden und schlug mit Reitstock!
und Händen umher, als ob die Bühne zur
Manege geworden wäre und er selbst zu einem
Clown im Gewande der Renaissancezeit. Von
dem verfeinerten Geschmack der Zeit Michel
angelos, der Shakespeares herrliches
Werk durchweht, war gar nichts mehr übrig
geblieben: aus dem Edelmann von Padna wari
ein ostelbischer Landwirt anrüchigster Herkunft
geworden: eine Art adeliger Flaneur ohne Herzs
und ohne Geist, ein moderner sezessionistischer
Witzbold widerlicher Art. Schlimmer noch ging
es der lustig klugen Beatriee in der Gestaltung
durch Frau Bassermann; man glaubter
da eine schnippische Grisene aus dem Osten
Berlins vor sich zu haben, die sich in einem¬
Ballhause pikant unterhalten will: eine Geschmack