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10. Der Puppenspieler
Seite 27.
„DER PLENNV‘
Aus der Feder des in russischer Kriegsgefangenschaft gewesenen Dr. Burghard Breitner
erschien soeben das neueste Werk
* 4
Erstklassig ausgestattet, in Seidenleinen gebunden mit Schutzdeckel auf Kunstdruckpapier gedruckt.
Dieses prächtig geschriebene Buch soll jeder ehemalige Kriegsgefangene lesen!
Burghard Breitner, der im Interesse abertausender kranker und verwundeter Kriegsgefangener
gewirkt hat, verdient es, daß wir sein neuestes Werk kaufen.
Zu beziehen durch den VERLAG OTTO NEUGEBAUER, WIEN, XVI/1, Postfach Nr. 32.
Für Mitglieder der B.e. ö. K. kostet das Buch statt S 4·— nur S 2-50.
Heimreise; genau abgezählt, in Viererreihen aufgestellt,
Der Plenny spielt Theater.
traten wir den Weg zum Bahnhof an. Hier stand bereits
Von Burgschauspieler Julius Karsten.
eine Zugsgarnitur mit Gefangenen, die von Neapel ge¬
(Fortsetzung und Schluß.)
kommen waren; mit dieser fuhren wir gegen Rom.
Schnitzlers Werk in Sibirien.
Die Bevölkerung war uns etwas freundlicher ge¬
sinnt, man verkaufte uns Wein und mancher hat seine
Nun noch die Schilderung einer großen Vor¬
Freude mit soviel des süßen Rotweines begossen, daß
stellung:
er erst nüchtern wurde, als wir bereits an der
Das in Nowo-Nikolajewsk am Ob durch
österreichischen Grenze waren. Wir durchfuhren das
schwedisch-dänische Munifizenz umgebaute komfortable
ehemalige Kriegsgebiet, kamen an die Riviera, sahen
Lagertheater feiert seine Wiedereröffnung mit Schnitzlers
hier die zum Teil bereits wiederhergestellten Gebäude,
„Lebendigen Stunden“, unter welchem Gesamttitel (nicht
Brücken u. dgl. m. Vor Udine hielt der Zug auf freier
ganz richtig) „Der Puppenspieler“, „Die letzten Masken“.
Strecke. Hier arbeitende österreichische Soldaten erzählten
und „Literatur“ zusammengefaßt waren. Nach 60 tägiger
uns von den Wiederaufbauarbeiten, bei denen sie ver¬
Probenarbeit von durchschnittlich 10 Stunden Dauer
wendet wurden. Kaum setzte sich der Zug in Bewegung,
kounter. mit ruhigem Gewissen die Einladungen, in der
als einige der dort arbeitenden Soldaten einen unbe¬
Lagerdruckerei fein säuberlich vervielfältigt, in die Stadt
wachten Augenblick dazu benutzten, um zu uns in den
ergehen, konnte der Kassier nach der ersten halben
Zug zu springen. Glücklich brachten wir sie durch,
Stunde des allgemeinen Kartenverkaufes das Schildchen
das heißt, es kümmerte sich von den Italienern niemand
„Ausverkauft“ vor seinen Verschlag hängen.
um sie. In Warmbad, das ist eine Station vor Villach,
An diesem Septembertag des Jahres 1919 merkte
wurden wir dem österreichischen Kommando übergeben;
man im ganzen Lager, das 300 Offiziere der verbündeten
ein Major hielt eine sehr herzliche Begrüßungsrede, wobei
Armeen beherbergte, die Aufregung des „großen Tages“.
es an mannigfaltigen Versprechungen nicht fehlte. Leider
Das Lagerorchester probte noch einmal das im Zeichen
erfüllte sich all das nicht. Man behandelte uns auf der
wienerischer Musik stehende Programm, die Darsteller
weiten Heimreise nicht gerade als Verräter, aber doch
sind seit 2 Uhr nachmittags in ihren Garderoben, um
als etwas Ahnliches. In Warmbad, wo bekanntlich heiße
turnusmäßig geschminkt zu werden, denn bei ihrer
Quellen sind, durften wir ein Bad nehmen, bekamen
Sachunkenntnis in der edlen Maskenkunst und der nur
zu essen und mußten einen ganzen Tag warten auf die
in einer Auflage vorhandenen Schminkgarnitur ließ sich
Weiterreise. Selbstverständlich im Viehwagen brachte
dieses Opfer an Unbequemlichkeit und Anstrengung
man uns durchs Gesäuse nach St. Pölten. In Amstetten
nicht vermeiden. Farbenfroh prangte ein neuer Prospekt,
spielte sich noch ein Zwischenfall ab, den ich nicht
Wien vom Kahlenberg aus gesehen, über der Hinterfront
unerwähnt lassen möchte. Während man uns in den
der Bühne, liebevoll mit allen Details bemalt, mit
anderen Stationen, wo wir längeren Aufenthalt hatten,
denen ein sehnsüchtiges Malerauge seine ach so ferne!
mit ziemlich kalten Blicken, so von oben herab betrachtet
Heimt sieht.
wollte man sich in Amstetten nicht mit dem bloßen
In langem Zuge, zu Fuß und im Wagen bewegten
Anschauen begnügen; man beschimpfte uns, ja man
sich die Gäste aus der Stadt dem hochgelegenen Lager
machte schon Miene, tätlich zu werden. Nur der Be¬
zu, an einem verwitterten Obelisken vorbei, dessen
sonnenheit der betreffenden Gefangenen war es zu
Bronzebuchstaben von den ersten Kriegsgefangenen
danken, daß Tätlichkeiten vermieden wurden. Wirklich
erzählen, die Peter der Große in seinen Kämpfen mit
herzlich empfing man uns in St. Pölten; in dieser Stadt
Karl XII. von Schweden bis hierher verschickt hatte;
lag doch im Frieden unser Regiment und man wußte,
ein seltsames Band, das hier die Geschichte über zwei
daß mit diesem Transport einige hundert 21er kommen
Jahrhunderte schlingt. Bald ist das Theaterchen mit
sollten, daher gab man sich Mühe, uns recht lieb zu
seinen 440 Plätzen übervoll, und an den Fenstern
empfangen. Meine Angehörigen hatte ich telephonisch
drücken sich viele die Nasen platt, um wenigstens einen
von meiner Heimkehr verständligen können und so kam
Ausschnitt der Bühnenvorgänge zu sehen, wenn schon
es, daß mich mein Vater in Krems abholte. Als wir
nicht zu hören. Schon will ich das Zeichen zum Anfang
über den Sauberg hereinfuhren, war mir so sonderbar
geben, da auch die angesagte Generalität der damaligen
ums Herz. Da lag der liebe Heimatort, genau so wie
Koltschak-Regierung sich bereits eingefunden hat, als
ich ihn vor drei Jahren verlassen hatte. Wie viel war
donnernde Willkommenrufe die Bohlenwände erzittern
aber unterdessen in der Welt vor sich gegangen!
machen: Elsa Brändström, der Engel Sibi¬
10. Der Puppenspieler
Seite 27.
„DER PLENNV‘
Aus der Feder des in russischer Kriegsgefangenschaft gewesenen Dr. Burghard Breitner
erschien soeben das neueste Werk
* 4
Erstklassig ausgestattet, in Seidenleinen gebunden mit Schutzdeckel auf Kunstdruckpapier gedruckt.
Dieses prächtig geschriebene Buch soll jeder ehemalige Kriegsgefangene lesen!
Burghard Breitner, der im Interesse abertausender kranker und verwundeter Kriegsgefangener
gewirkt hat, verdient es, daß wir sein neuestes Werk kaufen.
Zu beziehen durch den VERLAG OTTO NEUGEBAUER, WIEN, XVI/1, Postfach Nr. 32.
Für Mitglieder der B.e. ö. K. kostet das Buch statt S 4·— nur S 2-50.
Heimreise; genau abgezählt, in Viererreihen aufgestellt,
Der Plenny spielt Theater.
traten wir den Weg zum Bahnhof an. Hier stand bereits
Von Burgschauspieler Julius Karsten.
eine Zugsgarnitur mit Gefangenen, die von Neapel ge¬
(Fortsetzung und Schluß.)
kommen waren; mit dieser fuhren wir gegen Rom.
Schnitzlers Werk in Sibirien.
Die Bevölkerung war uns etwas freundlicher ge¬
sinnt, man verkaufte uns Wein und mancher hat seine
Nun noch die Schilderung einer großen Vor¬
Freude mit soviel des süßen Rotweines begossen, daß
stellung:
er erst nüchtern wurde, als wir bereits an der
Das in Nowo-Nikolajewsk am Ob durch
österreichischen Grenze waren. Wir durchfuhren das
schwedisch-dänische Munifizenz umgebaute komfortable
ehemalige Kriegsgebiet, kamen an die Riviera, sahen
Lagertheater feiert seine Wiedereröffnung mit Schnitzlers
hier die zum Teil bereits wiederhergestellten Gebäude,
„Lebendigen Stunden“, unter welchem Gesamttitel (nicht
Brücken u. dgl. m. Vor Udine hielt der Zug auf freier
ganz richtig) „Der Puppenspieler“, „Die letzten Masken“.
Strecke. Hier arbeitende österreichische Soldaten erzählten
und „Literatur“ zusammengefaßt waren. Nach 60 tägiger
uns von den Wiederaufbauarbeiten, bei denen sie ver¬
Probenarbeit von durchschnittlich 10 Stunden Dauer
wendet wurden. Kaum setzte sich der Zug in Bewegung,
kounter. mit ruhigem Gewissen die Einladungen, in der
als einige der dort arbeitenden Soldaten einen unbe¬
Lagerdruckerei fein säuberlich vervielfältigt, in die Stadt
wachten Augenblick dazu benutzten, um zu uns in den
ergehen, konnte der Kassier nach der ersten halben
Zug zu springen. Glücklich brachten wir sie durch,
Stunde des allgemeinen Kartenverkaufes das Schildchen
das heißt, es kümmerte sich von den Italienern niemand
„Ausverkauft“ vor seinen Verschlag hängen.
um sie. In Warmbad, das ist eine Station vor Villach,
An diesem Septembertag des Jahres 1919 merkte
wurden wir dem österreichischen Kommando übergeben;
man im ganzen Lager, das 300 Offiziere der verbündeten
ein Major hielt eine sehr herzliche Begrüßungsrede, wobei
Armeen beherbergte, die Aufregung des „großen Tages“.
es an mannigfaltigen Versprechungen nicht fehlte. Leider
Das Lagerorchester probte noch einmal das im Zeichen
erfüllte sich all das nicht. Man behandelte uns auf der
wienerischer Musik stehende Programm, die Darsteller
weiten Heimreise nicht gerade als Verräter, aber doch
sind seit 2 Uhr nachmittags in ihren Garderoben, um
als etwas Ahnliches. In Warmbad, wo bekanntlich heiße
turnusmäßig geschminkt zu werden, denn bei ihrer
Quellen sind, durften wir ein Bad nehmen, bekamen
Sachunkenntnis in der edlen Maskenkunst und der nur
zu essen und mußten einen ganzen Tag warten auf die
in einer Auflage vorhandenen Schminkgarnitur ließ sich
Weiterreise. Selbstverständlich im Viehwagen brachte
dieses Opfer an Unbequemlichkeit und Anstrengung
man uns durchs Gesäuse nach St. Pölten. In Amstetten
nicht vermeiden. Farbenfroh prangte ein neuer Prospekt,
spielte sich noch ein Zwischenfall ab, den ich nicht
Wien vom Kahlenberg aus gesehen, über der Hinterfront
unerwähnt lassen möchte. Während man uns in den
der Bühne, liebevoll mit allen Details bemalt, mit
anderen Stationen, wo wir längeren Aufenthalt hatten,
denen ein sehnsüchtiges Malerauge seine ach so ferne!
mit ziemlich kalten Blicken, so von oben herab betrachtet
Heimt sieht.
wollte man sich in Amstetten nicht mit dem bloßen
In langem Zuge, zu Fuß und im Wagen bewegten
Anschauen begnügen; man beschimpfte uns, ja man
sich die Gäste aus der Stadt dem hochgelegenen Lager
machte schon Miene, tätlich zu werden. Nur der Be¬
zu, an einem verwitterten Obelisken vorbei, dessen
sonnenheit der betreffenden Gefangenen war es zu
Bronzebuchstaben von den ersten Kriegsgefangenen
danken, daß Tätlichkeiten vermieden wurden. Wirklich
erzählen, die Peter der Große in seinen Kämpfen mit
herzlich empfing man uns in St. Pölten; in dieser Stadt
Karl XII. von Schweden bis hierher verschickt hatte;
lag doch im Frieden unser Regiment und man wußte,
ein seltsames Band, das hier die Geschichte über zwei
daß mit diesem Transport einige hundert 21er kommen
Jahrhunderte schlingt. Bald ist das Theaterchen mit
sollten, daher gab man sich Mühe, uns recht lieb zu
seinen 440 Plätzen übervoll, und an den Fenstern
empfangen. Meine Angehörigen hatte ich telephonisch
drücken sich viele die Nasen platt, um wenigstens einen
von meiner Heimkehr verständligen können und so kam
Ausschnitt der Bühnenvorgänge zu sehen, wenn schon
es, daß mich mein Vater in Krems abholte. Als wir
nicht zu hören. Schon will ich das Zeichen zum Anfang
über den Sauberg hereinfuhren, war mir so sonderbar
geben, da auch die angesagte Generalität der damaligen
ums Herz. Da lag der liebe Heimatort, genau so wie
Koltschak-Regierung sich bereits eingefunden hat, als
ich ihn vor drei Jahren verlassen hatte. Wie viel war
donnernde Willkommenrufe die Bohlenwände erzittern
aber unterdessen in der Welt vor sich gegangen!
machen: Elsa Brändström, der Engel Sibi¬