III, Einakter 10, (Marionetten. Drei Einakter), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 54

aller Trostlosigkeit und Hoffnungslosigkeit
Offizierslager gewesen sein, ein Magnet, der
fahr, daß die Flam¬
etwas gab, woran man sich rettend klammern
655
alle Insassen in seinen Bann zog und überall
men der Kriegsfackel
konnte, daß es sogar schmerzte. Die Kunst
dort anzutreffen war, wo die Kopfzahl der
auch auf andere
war der große Wunderdoktor. Sie bot ein
Internierten zweihundert überstieg. Wissen
Länder überschla¬
bißchen Heiterkeit, ein bißchen Scherz und
schaftliche und literarische Vorträge, Sprach¬
gen, ist groß. Über¬
ein dißchen Ernst. Wohl nie wurde einem
und andere Lehrkurse interessierten immer
all wird gerüstet.
Künstler so herrlicher Dank wie Julius
nur einen kleinen Teil der Kriegsgefangenen
Und jetzt, gerade
9
Karsten durch einen Kameraden in der
und hingen von Fachleuten ab, die das
jetzt wird in Wort,

Kriegsgefangenschaft, der ihm nach den
Bild und Ton von
Kriegsgeschick zufällig in das Lager warf
ersten Vorlesungen folgende ergreifende
und die durch ihre gediegene Bildung in der
den Leiden und
Schrecken des letzten
Zeilen schrieb:
Lage waren, ihren Kameraden etwas
Völkerringens er¬
Wissenswertes zu vermitteln.
„Verwegener Wahnwitz, Sie Unmensch!

zählt. Die Überle¬
Woher nehmen Sie sich die Künheit und das
Solange ein allgemeiner Optimismus mit
Burgschauspieler
Recht, das tote Herz wieder wachzurütteln,
benden der Front¬
der baldigen Beendigung des Weltkrieges und
Julius Karsten
die erkämpfte Ruhe immer wieder zu zer¬
generation heben
damit auch der Kriegsgefangenschaft rechnete
stören? Sie Unmensch.“
warnend die Hand und rufen eindringlich:
und solange die Stimmung und Gemütsver¬
Es ist das liebevolle Grollen eines Men¬
Haltet ein! Sie beschwören die Erinne¬
fassung als ungebrochen und zukunftsfroh
schen, der sich schon zu den Toten zählte, der
rung an das finstere Grauen, an das
bezeichnet werden konnten, genügten für das
das Tor seines Lebens schon geschlossen
große Sterben und an die Kriegs¬
Unterhaltungsbedürfnis bunte Abende mit
wähnte. Er will zurück, ja, er schreit es hinaus,
gefangenschaft, Sie tun es nicht, um
Darbietungen aller Art. Lieder und Quartette,
aber er glaubt nicht recht an das Gelingen
in vergangenen Erlebnissen zu schwelgen,
humoristische Einzelvorträge, musikalische Er¬
des Versuches. Und er legte in das Wort „Un¬
sondern sie halten ihre Erinnerung jenen, die
götzlichkeiten und Gelegenheitsgedichte bis zu
den Krieg noch nicht kennen, als unerbittliche mensch“ alle Dankbarkeit und Liebe, der er
komischen Verkleidungsszenen füllten das
Mahnung vor Augen: So war es, und noch fähig war. Der Zuhörer ist erschüttert und
Programm. Irgendein Schlafsaal in einer
viel schlimmer könnte
russischen Kaserne, eine Barackenecke, von

es sein. Haltet ein!
ihren Inhabern auf ein paar Stunden frei¬



An der Front stehen,

willig geräumt und mit Hilfe einiger zusam¬

800
kämpfen und fallen

mengeschobener Tische in eine Bühne verwan¬


war Schicksal. Aber
delt, waren der Ausgangspunkt von Theater¬

in der Gefangenschaft
gründungen späterer Jahre, die in ihrer Voll¬
leben, das war ein
kommenheit zu einer Sehenswürdigkeit und
Unglück, qualvoller
zu einer ergiebigen Erwerbsquelle für viele
als ein schneller Tod!
wurden.
Haltet ein!
Die ersten Bühnen entstanden im Früh¬
Der Bildungsre¬
jahr des Jahres 1915. Man hatte es dem
Ge¬
der
ferent
theaterfreudigen Sinn der Russen zu danken,
werkschaft der
daß für Theaterzwecke ein leerer Saal oder
Angestellten
wenigstens ein unbenützt gebliebenes Wirt¬
des Handels hat
schaftsgebände (zum Beispiel ein Stall) den
einen guten und
Gefangenen nach vorherigem Umbau zuge¬
glücklichen Griff ge¬
wiesen wurde.
tan, als er für den
November den
7.
Wer stellte die Mittel bei?
Burgschauspieler

Solange die Zarenherrschaft dauerte und
Julius Karsten zu
die Kriegsgefangenen immerhin auf dem
Szenenbild aus einem Lustspiel. Auch die Frauenrollen müssen
einem Lichtbildervor¬
von jungen Männern gespielt werden
Papier den Anspruch auf Löhnung und Sold
trag über das Thema
hatten, solange die Verbindung mit der Hei¬
einlud: „Theater
mat übers neutrale Ausland auch die Zusen¬
schweigt. Und zieht in Gedanken den Hut vor
hinter Stacheldraht.“ Möge dieser Vor¬
dung von Geldmitteln ermöglichte, wurde das
diesen Helden, die das Unglück de Gesangen
trag von allen anderen Gewerkschaften
Theaterspielen kostenlos besorgt. Lediglich die
schaft ertragen mußten. Ihr Schicksal er¬
und Arbeiterkulturorganisationen in ihr Bil¬
Kosten für Kostüme, Kulissenmaterial und
leichterte ihnen die Kunst, die unmittelbar
dungsprogramm aufgenommen werden. Er
Farben wurden durch einen niedrigen Ein¬
zum Herzen spricht. Hören wir nun, wie sie
kann nicht oft genug gezeigt werden. Bis zum
trittspreis wieder hereingebracht. Als aber
in Sibirien zum Klingen gebracht wurde
letzten Manne sollte unsere Jugend zu diesem
mit der Sowjetherrschaft jede Zuwendung
und welche Anstreugungen dazu gehörten, um
Vortrag einrücken, um ihr zeigen zu können,
zu verhindern, daß sie nicht wieder einfror. aufhörte, jede Verbindung mit der Heimat
wie unsterblich österreichisches Künstlertum
ist, wie in einer Umgebung von Not, Tod







und Erniedrigung der Geist siegreich blieb.




20


Man sieht, welches Erlebnis es für die




W


Kriegsgefangenen in Sibirien war, als sie an




12
Stelle tötender Patronen lebendige Worte

verabreicht erhielten, als sie nicht von einem
850
feindlichen Sturmangriff, sondern von Er¬
griffenheit entwaffnet wurden. Es wurde
Theater gespielt und es wurde aufmerksam

zugehört; nicht, um sich zu unterhalten, son¬

dern um zu vergessen. Um zu vergessen die



Sehnsucht, die heimwärts trieb und am

Stacheldraht verendete, um zu vergessen, daß
man gefangen war. Dichterische Weisheit und
vollendete Kunst legten um die vielen

Tausende einen ehernen Panzer, an dem die

Spitzen des Stacheldrahtes stumpf wurden.

In einer Hölle von Tod und Vergehen blieb
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Sieger und unsterblich der Geist.
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Wir sind Julius Karsten zu tiefem Danke

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verpflichtet, daß er in einer Zeit, die wenig



tut, um die Bestie im Menschen zu erschlagen,
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das Hohelied der selbstlosen Kameradschaft




singt. Wie leuchteten die Augen dieses wun¬
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dervollen Menschen, als er erzählte, wie er in



der Kriegsgefangenschaft damit begann, einem
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Kollegen vorzulesen. Ein Dritter sah bei der
Zurück in die Heimat! Ein Dampher mit Heimkehrern
Tür herein, um nachzuschauen, was sie trieben,
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SCHWARZKOP
Parf.=Großhdlg. K. E. Stepper,
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Erwerbsunternehmen,
inzwischen gegründete
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auf eine Geschäftsordi
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Kriegsgelangene im
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Städten anwesenden
Dänen, Engländern,
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Dann mußte wieder
studiert werden.
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drei Theater auf, unt
Dort wurden die Teil
zu regelrechten Aktie
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genützt bleiben sollte
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zur Verfügung. Ab
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Regisseurs zu beacht
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lockende Idee konnte
zugeführt werden.
wie „Flachsmann
Ernst oder „Alt=Hei
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den berufenen Krit