III, Einakter 9, (Lebendige Stunden. Vier Einakter), Literatur, Seite 12

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9. Literatur


1dentlich, daß hier ein Thema von ahnungsvoller Tiese ange=jder Einakter Interesse. 2
rührt ist, aus der die Schauer des Tragischen aufsteigen könnten, den Stücke schloß sich in
Feuilleton.
wenn uns der Dichter hätte tiefer hinabschauen lassen in das kbekannte Lustspiel „Lit
abgründige Dunkel menschlicher Geistes= und Willenskrästekler“ in dem Herr Till
über denen doch noch höhere, fatalistisch wirkende Kräfte walten. sund nette Eleganz gefiel
Cheater und Musik.
Daß freier Künstlergeist kein Haften am Herde dulden mag, [der Hartleben=Maske) die
Königliches Schauspielhaus. Ein Einakterabend am Mitt¬
daß das Genie nicht nur mit den Geburten seiner Phantasie, fliebe mit feinem Humor!
woch. Zwischen zwei hier schon gespielten kleinen Stücken gab
sondern mit lebendigen Menschen spielen möchte, daß aber das
man als Novität eine „Studie in einem Aufzug“ von Arthur
Alltäglichgleiche das Ewigmächtige ist und daß der Spieler oft#
Der
„Der Puppenspieler“ betitelt.
sich selbst betrügt, das sind in die Tiefe weisende Züge der!
Werkchens weist schon darauf hin, daß hier nur
Studie, die vielleicht eher mit dem scharfen Griffel des Ra¬
Ansätze. Grundstriche zu einem dramatischen Gebilde gegeben
dierers gegraben als mit dem Pastellstift hingewischt werden
werden, aus dem viel Tieferes und Bedeutsameres noch
mußte. In den feinen Lichtern aber liegt viel von dem an¬
herauszuholen gewesen wäre. Eine seine zarte Studie ist es
mutigen Geiste Schnitzlers ausgesprochen, und der geschickt ge¬
so geblieben, die mit ihren pastellartigen weichen Strichen führte Dialrg, die schnell erzeugte Milienstimmung, das leise
Schwingen der gefühlstiefen Untertöne läßt das Werkchen
deutlich die sichere Hand des Anatol=Dichters zeigt. Eine
doch als eine liebe Gabe des Wiener Dichters an
Peter Hille=Gestalt ist dieser Geord Merklin, der große Anti¬
erscheinen.
Feinfühlig zeigten sich
die Feinfühligen
philister, der lieber seiner Bohemiennatur folgend von Ka¬
es
indem
darstellten,
die
auch die Schauspieler,
Klifornien bis JIndien die Welt durchstromerte, immer den
sie einen leisen, ruhigen, herzlichen Ton in Wort und Geberde;
Funken des Künstlergenies im Haupte anfachend, so sehr
wahrten. Herr Mehnert hielt die Gestalt des Merklin“
Künstler und Phantasiemensch, daß er bis zum Verzicht auf
ganz frei von falschen Posen, mischte den Stolz des Ganzfreien
alle Schaffensäußerungen gelangt ist. In ihm lebt die Kraft
doch mit dem Schmerze des vom Schicksal halb gebrochenen
dir tiefsten Suggestionen, das Geheimnis der Willensüber¬
Sonderlings. Herr Wierth legte in die Rolle des Oboe=
tragung bis zur Vernichtung anderer, schwächerer Individuen.
spielers Jagisch seine natürliche Herzlichkeit und Frl. Ver¬
Aber auch ihn, den Weltenbummler, zieht es wieder einmal
den fügte sich nur in der äußeren allzu mädchenhaften und
mit magischer Kraft nach der Heimat und der Stätte der Ju¬
ein wenig zu eleganten Erscheinung nicht völlig in die Gesamt¬
gendtage, und so kommt es, daß Georg Merklin ins Haus des
stimmung. — So echt dies Dichtungswerk, so unecht wirkte die
Oboespielers Jagisch gelangt, eines Jugendfreundes aus
schönerer, wärmerer Zeit. Wie mit allen Menschen hat Mert=kleine Arbeit von Walther Schmidt=Häßler „Herbst“.
diesmal auf mich. Das Stimmungsmachen in dieser vovellisti¬
lin auch mit ihm gespielt, ihn als seine Puppe an den Fäden
schen Skizze arbeitet mit zu blassen und abgebrauchten Mit¬
seines Willens sich bewegen lassen, ja durch ein kühnes Ex¬
teln, die Sprache ist zu familienblättrig und voll von „ver¬
periment aus dem schüchternen, unselbständigen Charalier
heirateten Worten“ (zu dem Worte „Bursche“ gehört natürlich
eine selbstischere Natur geschaffen. Ein Mädchen hat er
sofort „blondlockig“ und so fortl, und die Einführung des
Und
ihm zugeführt, das diese Wandlung vollbrachte.
Todes im Gehrock, wie sich's in einem modernen Totentanzs
nun muß er erfahren, daß dieses Mädchen die Frau
geziemt, ist ohne zwingende Tiese. Man wird auch zuviel aufs
des Musikers geworden ist, obwohl sie eigentlich ihn.
Assoziationen gestoßen, denkt an die milde Poesie des Rethel¬
Merklin den Unbehausten, geliebt hatte. Er aber hatte die
schen Holzschnittes, der uns den „Tod als Freund“ gezeigt hat,
Augen, die ihm zum Verweilen lockten, nicht beachtet und war
und an Hofmannsthals „Der Tor und der Tod“. Welch' ganzs
weiter hinausgestürmt ins Leben, wie er es verstand, in das
andere Dichterkraft spricht sich da aus, wo der milde Tod mit #
Leben des fesselfreien Künstlers und Geistmenschen. Aber auch
schönen Versen als „der große Gott des Schweigens“ den*
mit ihm hat die höhere Macht wie mit einer willenlosen Puppe
Toren aus dem Leben geleitet. Hier kommt er zu einem?
gespielt, während er mit Menschen glaubte spielen zu können,
Weisen, der gelebt hat, reich und glücklich, und führt ihn aus!
und so zieht sie ihn auch jetzt wieder hinaus vom gedeckten Fa¬
Jugenderinnerungen hinweg. Das Ganze ist Melodrama
milientisch und von einem sicheren Herde in die Freiheit des
ohne Musik. Durch das aristokratisch seine Spiel des Herrn
Künstler=Bohemiens. Mit Worten, in denen sich Ironie und
Ueberlegenheit mit Entsagung, Schmerz und Wehmut mischt,]Müller als sterbende Exzellenz und die Darstellung des
verläßt der Puppenspieler das Haus des Freundes. Man spürt! „Fremden“ durch Herrn Froböse in anter Maste erbielt#