III, Einakter 9, (Lebendige Stunden. Vier Einakter), Literatur, Seite 23


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Arthur Schnitzler.
nennt, die reizendste Vertreterin dieser seiner
zarten Geschöpfe gezeichnet. In Christine, die
im Herzen des jungen Fritz Lobheimer nach einer
langen Reihe seiner Liebeleien endlich die reine
Liebe erweckt, ist eine Gestalt geschaffen, die
zu dem Unvergänglichsten gezählt werden muß,
was die moderne Literatur kennt. Martha
Angerstein lieh ihr in der gestrigen Auffüh¬
rung ihre ganze Anmut und ihre ganze reife
Kunst. Ihr Partner, Johannes Riemann,
fand den rechten Ton für die heiteren und tief¬
tragischen Seiten seiner Rolle. Aurel Ro¬
wotny und Else Bäck zeigten, wie ein Wiener
verliebtes Pärchen lacht, tollt und busselt, und
das war sehr nett. Robert Müller machte aus
der kleinen Rolle des Violinisten Weising ein Ka¬
binettstückchen. Schade, daß er uns bald verläßt.
Eröffnet wurde der Abend mit der witzigen
Charakterkomödie „Literatur“ in der der
Verfasser die drei köstlichen grundverschiedenen
Typen eines aristokratischen Stutzers, eines
größenwahnsinnigen Literaten und eines leicht¬
sinnigen Weibchens gegeneinander ausspielt, die
von Bella Wagner, Aurel Nowotny und
Robert Müller vorzüglich nachgezeichnet
wurden.
Bdg.
Seai mepas

Drei Einalter im Schislertheater.
„Die Gefährtin.“ — „Paracelsus.“ —
„Der grüne Kakabu.“
(Im Charlottenburger Hause.)
In diesen drei Einaktern, die von seiten der
Schillerbühne eine treffliche Wahl bedeuten,
ommt Arthur Schnitzlers ganze Wandlungs¬
ähigkeit zu fäst restlosem Ausdruck. In der „Ge¬
ährtin“ ist es das moderne Liebesproblem,
essen tausendfältigen Wegen kein anderer so wie
ieser zart empfindende Wiener Seelenarzt nach¬
uspüren vermag. Es ist eine schlichte Episode,
ie er in diesem Akt gibt, diese langsam im Be¬
jußtsein des alternden Gatten aufdämmernde
Jahrheit über das geheime Liebesleben seines
eben der Erde übergebenen jungen Weibes. Und
s sind verhaltene, zarte, empfindsame Worte, die
ie Menschen in dieser von dumpfer Schwermut
rfüllten Szene sprechen: Menschen und Worte
on Schnitzlers unendlich feiner Art. In ver¬
ändnisvoller Nachschöpfung erwuchs das kleine
Schauspiel dank der feinsinnigen Wiedergabe zu
inem starken Eindruck. Max Reimer, Con¬
ad Wiene und Hedwig Pauly gaben die
rei Hauptfiguren mit viel Takt und der aus der
anzen Stimmung gebotenen Zurückhaltung.
Etwas kräftigere Nüancen findet der Dichter
n „Paracelsus“. Es ist ein gereimter Scherz,
in Schwanken zwischen Spiel und Wirklichkeit.
Schnitzler benutzt die Figur des berühmten Arztes
Paracelsus zu einer Analyse weiblicher Empfin¬
gungen, und in dem scheinbaren Spiel, das der
mittelalterliche Hypnotiseur mit der Frau
Justina treibt, offenbart sich dem staunenden und
verblüfften Gatten die reiche Skala der Liebes¬
jegungen, die auch im Herzen einer treuen
Hattin schlummern und der Erweckung fähig sind.
Die Justina Elsa Wasas hätte hier mehr Farbe
seigen dürfen; Herr Gerhard gab mit ein¬
achen, aber eindringlichen Mitteln den Para¬
selsus; die Herren Bernecker (Cyprian),
Bildt (Dr. Copus) und Braun (Junker An¬
selm) trafen gut den Ton des Versspiels.
Den Beschluß machte die figurenreiche Revo¬
utionsgroteske „Der grüne Kakadu“
hier zeigt Schnitzler seine ganze große dramg¬
ische Gestaltungsfähigkeit und wie das Finale
#s lebensprühenden Einakters aus tollem Spiel

zum wuchtigen, aufrüttelnden Drama erwächst,
wie sich hier aus einer Einzelepisode der gran¬
diose Sturm eines weltgeschichtlichen Moments
emporringt, das gehört zum Packendsten, was
die moderne Dichtung hervorgebracht. Georg
Paeschke, Richard Wirth, Hans F. Ger¬
hard, Heinz Bernecker, Conrad Wiene
und Else Wasa machten sich um die Wieder¬
gabe sehr verdient.
M. L.