III, Einakter 9, (Lebendige Stunden. Vier Einakter), Literatur, Seite 24

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Klose & Seidel
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bestorganisierte Bureau Deutschlands.)
Zeitung: Berliner Ztg. am Mittag
Berlin
Ort:
Datum:
17.Mai
Schnitzler-Auffährungen.
Man muß nach Charlottenburg oder nach
der Köpenicker Straße gehen, um Schnitzler zu
sehen. Die Neue Freie Volksbühne er¬
füllte ihrem Publikum gegenüber die Ehren¬
pflicht, zu des Dichters 50. Geburtstag mit der
entzückend wehmütigen Tragödie des kleinen
süßen Mädelchens, die „Liebelei“. Toller
Uebermut, schmerzhafte Ironie, Seligkeit, Ban¬
gen, Empörung und Todesmut spielte sich vor
leuchtenden und vielfach tränenden Blicken ab.
Und war auch manches in der Darstellung nicht
so fein abgetönt, wie es gerade diesem am feinsten
abgetönten Dichter tragischer Halbheiten und
Zwischenspiele zukommt, so schadete es doch bei
dem Volksstück nicht. Die „jungen Leute“ von
Johannes Riemann und Aurel Nowotny, die
Christine Martha Angersteins und Else Bäcks
Mizi waren respektable Leistungen. Ebenso ist
Robert Müller und Anna Rubner zu nennen.
Nicht zu gleich starker Wirkung konnte der präch¬
tige Einakter „Literatur“ mit seiner Sa¬
tire auf verlogene Literatengefühle kommen.
Im Charlottenburger Schillertheater
konnte man sich an den drei geistvollen Einaktern
freuen, in denen sich „Spiel und Wirklichkeit“
seltsam verweben. Direktor Pategg hatte
allen eine sorgfältige Inszenierung zuteil werden
lassen. In der „Gefährtin“ fand neben Max;
Reimer und Conrad Wiene Fräulein Hedwig
Pauly herzliche Töne, im „Paracelsus“ war Heinz
Bernecker ein biederer Waffenschmied und tüch¬
tiger Gegenspieler Hans F. Gerhards, der, in
der Maske halb Charlatan, halb Heiliger, den
Theophrastus Bombastus Paracelsus klug sprach
und mimte. Im „Grünen Kakadu“ wandelte
sich der kühle Paracelsus“ zum leidenschaftlichen
Komödianten, und mit ihm halfen Georg
Paeschke, Conrad Wiene, Richard Wirth und das
übrige Volk von Paris der glänzenden Revo¬
lutions=Groteske ihre dramatische Wirkung üben.
Jedenfalls mag sich der Bühnenverein bei den
beiden Bühnen bedanken. Sie allein haben in
Berlin bei diesem Anlasse das Programm der
50. Geburtstagsfeier innegehalten, das uns so
feierlich verkündet und mit so viel Nachdruck
immer wieder in Erinnerung gebracht wurdel)