III, Einakter 9, (Lebendige Stunden. Vier Einakter), Literatur, Seite 31

Literaten=Endet wirklich in einem köstlichen Spaß: sie beide
habenhre Liebesbriefe drucken lassen. Nur daß zum
Schluß das Weib dennoch impulsiver ist und sein Werk
eigenhändig verbrennt. Daß ihm dieser Schluß entgangen
ist — das kann Gilbert wirklich leid tun. Er ist die einzige
Wahrheit, die bei jeder Frau möglich ist. — Der „Pup¬
penspieler“ (aus den „Marionetten“) ist eines jener
tiefen Gespräche, für die eine Bühne wie die unfrige schon
zu groß ist: es gehört in einen intimeren Raum. Die dra¬
matische Entwicklung fehlt gänzlich: Georg Merklin glaubt
mit den Menschen zu spielen. Aber sie spielen mit ihm, sie
haben mitgespielt wie Kinder. Er ist ein zerbrochenes
Spielzeug, ohne daß er es ahnt. Seine Philosophie ist ihm
geblieben. Er ist der Beweis für den Satz, daß die ver¬
pfuschtesten Existenzen die abgründigsten Philosophen sind.
Und er führt auch wirklich Gedanken im Munde. „Alt
sind die, die morgen sterben“, das ist seine Weisheit. Er,
den die schüchterne Anna liebte. Eigentlich nicht liebte.
Es war „die Sehnsucht, ihn auf den rechten Weg zu brin¬
gen". Der steht nun da, dürftig und abgenutzt vom Leben.
Ein Achselzucken schließt den Akt. Wie man über das
- Und zum Schlusse¬
Selbstverständliche hinweggeht. -
„Der grüne Kakadu“ (aus dem gleichnamigen Zyk¬
lus). Hier ist raffinierteste Technik mit tühnstem Durch¬
einander getoppelt. Ein düsteres Kellerlokal, in das von kadu“ sind noch einige Charaktertypen hervorzuheben. Der.
fern nur der Lärm des heulenden Paris hereindringt.] Herzog (Herr Neufeld), der Dichter (Herr Recke), der
Revolution! Die französische ist für dieses Spektakelstück derbe Wirt (Herr Teller); von seiner Truppe Frl.
des Welttheaters vorbildlich geworden: jede Revolution ist] Sticker, Frl. Bukovics und Herr Kaitan, der
eine französische, wenn sie vielleicht nicht immer franzö= dem Abgeschmackten noch von seiner Abgeschmacktheit da¬
zugab; der Philosoph (Herr Moser) und dann Herr
sisch ist. Schnitzler zerlegt die Ereignisse in ihre wider¬
streitenden Motive und es wird eine Groteske daraus. Das! Bland und Frau Wiesner. Das Publikum applau¬
Volk, das sich in echte Blutgier hinaufschauspielert, indem dierte den Leistungen unseres Ensembles gern und viel
und erlebte einen interessanten Abend, für den der Direk¬
selbst seine Philosophen auf den Tischen stehen und
tion viel Dank zu sagen ist.
schreien. Und der Adel, der weiß, daß es nur Schauspieler
B. M. — „Das Rheingold.“ Das Vorspiel zu der
sind, die Wirklichkeit als Schauspiel beklatscht und an ihr
zugrunde gehen muß. Der Wirt hat da seine Truppe, die großen Trilogie „Der Ring der Nibelungen“ wies, wie
Verbrecher spielt. Der Adel kommt sich amüsieren. Die auch schon die früheren Wagneraufführungen deutlich zeig¬
Atmosphäre wird immer schwüler, immer gespannter; unds ten, einen erfreulichen Zug von Neubelebung, günstiger
plötzlich entlädt sie sich. Heuri, der geniale Mime, macht Umgestaltung und reger Schaffensfreudigkeit auf. Leider
Ernst und ermordet den Herzog von Cadignan, der ihn mit hat auch Direktor Herzkas Regiekunst noch viel mit ver¬
seiner Frau betrogen. Jetzt ist der Bann gebrochen. Die alteten Requisiten und Unzulänglichkeiten unserer Bühne
zu kämpfen, welche jedoch nach Möglichkeit mit seltener
Massen heulen wild das Lied der Freiheit. Wer weiß, ob
das Häuflein Aristokraten lebend aus dem „grünen Ka= Umsicht uns jene Mängel vergessen ließen, welche erst eine
kadu“ entkommen wird. —— Die Aufführung war sehr völlige Neuinszenierung beseitigen kann. Ebenso zeigten?
auch die gesanglichen Leistungen schöne Ansätze, guten
sorgfältig und künstlerisch. Herrn Teller ist als Regis¬
Willen, wenn auch das Terzett der Rheintöchter keine
seur besonders für die szenische Ausstattung des „Grünen
Kakadu“ zu danken. Da blieb wirklich nichts mehr zu tragkräftigen Stimmen aufwies. Herr Schmid=Bloß
bot einen innerlich gefestigten, reifen Wotan, Herr
wünschen übrig. Die kleine Kellerluke, durch die man das
[Pietsch einen ungemein belebten Loge. Die beiden
Volk vorbeihaften sieht, der dumpfe Lärm von der Straße
Gäste, Frl. Paalen als Fricka und Herr Ludwig als
— viel, sehr viel Stimmung. Die Groteske wurde vor¬
Alberich entledigten sich anstandslos ihrer Aufgaben. Eine
trefflich agiert. Herr Mamelok, überzeugend als Henri,
stilvolle Freya gab sich in Fr. Bartsch=Jonas, impo¬
zuerst im hohlen Pathos, dann die echte Leidenschaft.
nierend erschien als Riesenfürst Fasolt Herr Guth als
Herr Strauß, der sich eine recht gelungene Maske zu¬
Gegenstück zu dem prächtigen Mime des Herrn Tramer.]
recht gelegt hatte, ist für diesen brüllenden Scaevola sowie
Herr Kapellmeister Mohn arbeitete manches Detail sehr
für den superklugen Gilbert zu loben. Besonders in „Li¬
nett aus und bemühte sich erfolgreich um das Gelingen des
teratur" traf er den nonchalant=bewußt geistreichen Ton
und holte sich Applaus auf offener Szene. Dann Herrf Abends.
Lenhart, der seinen Strolch mit den eigenartigsten
Zügen aussta ete. Als Merklin leistete er wahrscheinlich
sein Aeußer es; dennoch fehlte dem „Puppenspieler“ die
innere Wärme. Herr Recke war zu geleckt, zu elegant
für einen Oboespieler, der in der Vorstadt wohnt. Und
Frl. Ries paßt einmal nur die moderne oder die Stil¬
toilette. Das sah man an ihr als Leokadie. Die Kleidung
dieser koketten Theaterdame gab ihr Chic, katzenartige
Anmut und den richtigen Ton. Frl. Dürr spielte eine
amusante Literatin. Man glaubte ihr die trunkenen Küsse,
die sie zu Papier gebracht. Und als Maranise führte sie
die Schamlosigkeit des Weibes, das sich unter unbewußt
Ihresgleichen plötzlich gehen läßt, prächtig zur Entfaltung.
Herr Rehberger war wie immer: nahe daran. Er
schließt in seiner Jugendlichkeit eben Kompromisse mit
sich selbst. Sein „Klemens“ sprach wienerisch, hatte aber
gar keine aristokratische Vornehmheit. Er war einer, der
sich aufspielt. Und daher unzureichend. Im „Grünen Ka¬