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8. Die letzten—
Caféhausliteraten, die freilich in all' ihren Pointen um die
Wissenden vom Bau“ verstehen werden, Reiz und Wirkung geben
kann. Selbst Frl. Serda, die die meisten Wendungen des oft aller¬
dings mehr witzelnden, als witzigen Dialogs mit dem nötigen
Humor gab, war nicht Bohemienne genug, um zu ihrem geliebten
Baron, der von Herrn Franz ebenso charmant in seiner uulitera¬
rischen Geistesverfassung, wie glänzend in seinen Bonvivantallmten
repräsentiert wurde, den nötigen Kontraft auszumachen. Sehr
geschickt hatte sich Herr René die Rolle des Gilbert zurecht
gelegt; er verhalf der für ein Hoftheaterpublikum in den gewagten
Wendungen sehr leicht peinlich wirkenden Figur zu einem ent¬
schiedenen Erfolge,
der der Wirkung des ganzen Stückes zu gute
kam. — Das Beste in Darstellung wie Stimmung gab der den
Abend einleitende Einakter „Unsteiblichkeit, ein drama¬
tisches Gedicht von Königsbrun=Schaup, das gestern mit so nuch¬
drücklicher Wirkung seine Uraufführung auf unserer Hofbühne
erlebte, daß der anwesende Dichter, auf das Lebhafteste applaudlert,
wiederholt vor der Gardine erscheinen mußte. Gewiß ist nicht alles
gut an dem neuen Weike — es arbeitet bisweilen mit zu vielen
und zu großen Worten, äußerlichem Pomp und melodiamatischen
Effekten, die das klare Erkennen der Grundidee des Dramolets
erschweren,
— aber es ist alles in allem die Gabe eines echten
Dichters, der all' den Farbenglanz, den er sieht, und all' das
Leid, das aus den tragischen Schicksalen zweier Seelen fließt,
mit der Buntheit des Lebens auf die Bühne bannt. Man fühlt es
allenthalben, auch da, wo der tiefgründige Sinn des Dramas, das
übrigens heute in einer typographisch mustergültigen Ausgabe in
E. Piersons Verlag (Dresden) als Buchausgabe erscheint, hinter
dunklen Worten sich birgt, daß Königsbrun=Schaup aus reichen
Schätzen schöpft; darum dringt seine Poesie, mag manches an ihr
auch mystisch oder romantisch, katholisierend oder romanisierend
anmuten, in die Tiefen des Herzens und der Geschehnisse, eigreift
und erfreut überdies durch eine Fülle guter Beobachtungen. Die Fabel
klingt leise an Historisches an, an einzelne Briefstellen Petraicas,
des gefeierten Sängers der Laura=Lieder, der im Mannesalter,
da er als das „dritte Haupt der Christenheit“, als der Freund des
Papstes und Colonnas weit über Gebühr gevriesen wurde, des
Lebens satt war und an die Episode mit der Madonna Lauia nun
in leiser Resignation noch dachte, die Bitternis der „dichterischen
Indiskretion“ in schweren Vorwürfen durchkostend. Den Schlüssel
zur Lösung des dramatischen Konfliktes geben die Worte Peitarcas:
—
„Ich wagt' es,
Erhob'nen Haupts, heut' vor Dich hinzutreten,
Weil ich verschmähler Liebe Leid bezwungen!
Und wie bezwang ichs? Was hab' ich erduldet?
Ich schlie es aus, mein Leid!
Ich sang von Dir,
Und Deinen Namen wob ich in das Lied —
Verriet, entweihte Dich und mein Geheimnis!
Und sang mit solcher Glut und Macht, daß sich
Ein tauien' facher Widerhall eihob
Und Du vom Zauberklang des Ruhms ergriffen
Zum Opfer fielst, dem Lied, das mich befreite.
Entweihung und Veirat war meine Kunst!
Dir zum Verderben lockte ich den Ruhm.
Näch solch' schwerer Anklage wirkt die Katastrophe, der Laura zum
Opfer fällt, doppelt erschütternd; sie bringt auch die Kathaisis, die
Reinigung für Petrarca, der unter den Klängen eines mystischen
Hymuus zum „Heiligen“ geht, zu seinem Richter, nachdem ihm
vother ein Giuß der Jugend in Lauras Tochter begegnet, der
„Unsterblichkeit“ jener echten Laura, der seine Lieder galten, die
ihn berühmt vor aller Welt gemacht. Die Darstellung der Dich¬
tung war vortrefflich. Vornehmlich Herr Wiecke, der ihr den
sieghaften Glanz seines für Aufgaben dieser Art besonders geeigneten
Talentes lieh, war als Petraica auf ragender Höhe, gab den
schwungvollen Worten mit rednerischer Schärfe höchste Eindring¬
lichkeit und machte in dem von Fantos feinen Händen entworfenen
historisch echten Prunkkostüm eine interessante Figur. Neben ihm
nahm sich Frau Salbach mit größter Hingebung der Madonna
Laura an, ohne freilich bei allen Wendungen in ihrer schwierigen
Rolle gestern so recht innerlich zu wirken. Die Herren Winds;
(Markgraf Guidobald), Müller (Clemens) und Neumann (der
Gartenvogt) bildeten im Verein mit Frl. Politz (die junge Laura)¬
ein befriedigendes Ensemble. Die Ausstattung, wie die ganze
Inszenierung des Werkes durch Heirn Oberregineur Lewinger, der
auch für die beiden anderen Einakter als Svielleiter — mehr
—
Tempo!
verantwortlich zeichnete, war glänzend, die von
Tavernier der Tichtung beigegebene Bühnenmusik wirkte im höchsten
Gende illusionsfördernd, so daß äußerlich das Werk völlig in dem
Rahmen auftrat, den seine künstlerische Qualitäten verlangen und
verdienen.
P. A. Wolff.
Ma
8. Die letzten—
Caféhausliteraten, die freilich in all' ihren Pointen um die
Wissenden vom Bau“ verstehen werden, Reiz und Wirkung geben
kann. Selbst Frl. Serda, die die meisten Wendungen des oft aller¬
dings mehr witzelnden, als witzigen Dialogs mit dem nötigen
Humor gab, war nicht Bohemienne genug, um zu ihrem geliebten
Baron, der von Herrn Franz ebenso charmant in seiner uulitera¬
rischen Geistesverfassung, wie glänzend in seinen Bonvivantallmten
repräsentiert wurde, den nötigen Kontraft auszumachen. Sehr
geschickt hatte sich Herr René die Rolle des Gilbert zurecht
gelegt; er verhalf der für ein Hoftheaterpublikum in den gewagten
Wendungen sehr leicht peinlich wirkenden Figur zu einem ent¬
schiedenen Erfolge,
der der Wirkung des ganzen Stückes zu gute
kam. — Das Beste in Darstellung wie Stimmung gab der den
Abend einleitende Einakter „Unsteiblichkeit, ein drama¬
tisches Gedicht von Königsbrun=Schaup, das gestern mit so nuch¬
drücklicher Wirkung seine Uraufführung auf unserer Hofbühne
erlebte, daß der anwesende Dichter, auf das Lebhafteste applaudlert,
wiederholt vor der Gardine erscheinen mußte. Gewiß ist nicht alles
gut an dem neuen Weike — es arbeitet bisweilen mit zu vielen
und zu großen Worten, äußerlichem Pomp und melodiamatischen
Effekten, die das klare Erkennen der Grundidee des Dramolets
erschweren,
— aber es ist alles in allem die Gabe eines echten
Dichters, der all' den Farbenglanz, den er sieht, und all' das
Leid, das aus den tragischen Schicksalen zweier Seelen fließt,
mit der Buntheit des Lebens auf die Bühne bannt. Man fühlt es
allenthalben, auch da, wo der tiefgründige Sinn des Dramas, das
übrigens heute in einer typographisch mustergültigen Ausgabe in
E. Piersons Verlag (Dresden) als Buchausgabe erscheint, hinter
dunklen Worten sich birgt, daß Königsbrun=Schaup aus reichen
Schätzen schöpft; darum dringt seine Poesie, mag manches an ihr
auch mystisch oder romantisch, katholisierend oder romanisierend
anmuten, in die Tiefen des Herzens und der Geschehnisse, eigreift
und erfreut überdies durch eine Fülle guter Beobachtungen. Die Fabel
klingt leise an Historisches an, an einzelne Briefstellen Petraicas,
des gefeierten Sängers der Laura=Lieder, der im Mannesalter,
da er als das „dritte Haupt der Christenheit“, als der Freund des
Papstes und Colonnas weit über Gebühr gevriesen wurde, des
Lebens satt war und an die Episode mit der Madonna Lauia nun
in leiser Resignation noch dachte, die Bitternis der „dichterischen
Indiskretion“ in schweren Vorwürfen durchkostend. Den Schlüssel
zur Lösung des dramatischen Konfliktes geben die Worte Peitarcas:
—
„Ich wagt' es,
Erhob'nen Haupts, heut' vor Dich hinzutreten,
Weil ich verschmähler Liebe Leid bezwungen!
Und wie bezwang ichs? Was hab' ich erduldet?
Ich schlie es aus, mein Leid!
Ich sang von Dir,
Und Deinen Namen wob ich in das Lied —
Verriet, entweihte Dich und mein Geheimnis!
Und sang mit solcher Glut und Macht, daß sich
Ein tauien' facher Widerhall eihob
Und Du vom Zauberklang des Ruhms ergriffen
Zum Opfer fielst, dem Lied, das mich befreite.
Entweihung und Veirat war meine Kunst!
Dir zum Verderben lockte ich den Ruhm.
Näch solch' schwerer Anklage wirkt die Katastrophe, der Laura zum
Opfer fällt, doppelt erschütternd; sie bringt auch die Kathaisis, die
Reinigung für Petrarca, der unter den Klängen eines mystischen
Hymuus zum „Heiligen“ geht, zu seinem Richter, nachdem ihm
vother ein Giuß der Jugend in Lauras Tochter begegnet, der
„Unsterblichkeit“ jener echten Laura, der seine Lieder galten, die
ihn berühmt vor aller Welt gemacht. Die Darstellung der Dich¬
tung war vortrefflich. Vornehmlich Herr Wiecke, der ihr den
sieghaften Glanz seines für Aufgaben dieser Art besonders geeigneten
Talentes lieh, war als Petraica auf ragender Höhe, gab den
schwungvollen Worten mit rednerischer Schärfe höchste Eindring¬
lichkeit und machte in dem von Fantos feinen Händen entworfenen
historisch echten Prunkkostüm eine interessante Figur. Neben ihm
nahm sich Frau Salbach mit größter Hingebung der Madonna
Laura an, ohne freilich bei allen Wendungen in ihrer schwierigen
Rolle gestern so recht innerlich zu wirken. Die Herren Winds;
(Markgraf Guidobald), Müller (Clemens) und Neumann (der
Gartenvogt) bildeten im Verein mit Frl. Politz (die junge Laura)¬
ein befriedigendes Ensemble. Die Ausstattung, wie die ganze
Inszenierung des Werkes durch Heirn Oberregineur Lewinger, der
auch für die beiden anderen Einakter als Svielleiter — mehr
—
Tempo!
verantwortlich zeichnete, war glänzend, die von
Tavernier der Tichtung beigegebene Bühnenmusik wirkte im höchsten
Gende illusionsfördernd, so daß äußerlich das Werk völlig in dem
Rahmen auftrat, den seine künstlerische Qualitäten verlangen und
verdienen.
P. A. Wolff.