III, Einakter 8, (Lebendige Stunden. Vier Einakter), Die letzten Masken (Der sterbende Journalist), Seite 11

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8. Die letzten sken
welcher er am Freitag sein kurzes Gastspiel beschloß. Aber in kommen ist, verzichte er voll Mitleid und Weh. Eine Folge von
dieser Partie wird denn doch viel zu viel Kantilene oder sagen allzu breiten Monologen in einem imerqnicklichen Mitien, aber
wir bel canto verlangt, in dem Herr d'Androde mit unserenkünstlerisch von einsach schlichter Charakteristik. Im dritten
beiden ersten Paritonisten durchaus nicht wetteifern kann. Nicht Stück haben ein Vohemien und eine Unge ehrgeizige Bohemienne,
nut, daß seiner Stimme, deren Wirkung vor allem auf gesang=sohne es zu wissen, die Geschichte ihres Verhältnisses beiderseits
licher Intelligen:, unverminderter Kraft und bedeutender Energie zu einem Roman verarbeitet und machen sich drollig gehässige
beruhe, die blühende Schönheit mungelt, sondern auch die Vorwürfe, daß sie das, was sie erlebt haben, der Offentlichkeit
häusige, durch die fortwährend offene und breite Tongebung im Kunstwert preisgegeben haben. Ein satirisches Zustandobild
bewirkte Detonierung war in diesem besonderen Falle sehr auf¬ von glanzender Beobachtung mit einem Witz als Schlußeffekt. In
fällig und vor allem in der großen Klageszene des dritten allen drei Stücken aber der eine Grundgedanke: Künstlertum ist
Altes nit dem obligaten englischen Horn) für musikalische Verhängnis. Wohl steht der Künstler im Leben mitten drin;
Ohren eine zwangvolle Plage. Wenn trotzdem dieser Schmerzens= wohl gewinnt das Schicksal über ihn wie über jeden anderen
ausbruch storten Beifall bei offener Szene sand, so war die Macht; aber was er an sich und andern erlebt, das Leid wie
Veranlassung dazu die Spontaneität und Genialität der aus der das Glück, wandelt sich für ihn in einen „Stoff“ für keine
natürlichen Empfindung herauswachsenden Darstellung, deren Kunst, und indem ei sich ganz der Göttin weiht, zehrt sie den
Bann man sich trotz mancher theatralischen Außerlichkeiten nicht Könstler auf, wir die Flamme das Ol im Krüglein verzehrt.
entziehen kann. Letztere die Außerlichkeiten — emofinden uckr Freiligrath: „Der Dichtung Flamm' ist allezei“ ein Fluch.“ Das
ja auch nur als Deuische. Sie sind vielleicht im Wesen des zeigt uns eigenartig ein jeder der drei Einakter: melooramatisch
Romanen begründet, erscheinen bei d'A. drade ganz und gar der erste, tragikomisch der zweite, parodistisch der dritte, aber
recht hat keiner.
impulsiv und passen auch durchaus zu Verdis leidenschaftlicher
Mit tragischen Tönen erklingt das Thema vom Schmerz des
Musik.
Künstlertums in Königsbrun=Schaups „Unsterblichkeit“. Der
Die zähe Lebenskraft, die Elastizität und Versalität, die
impulsive Art und szenische Unbesangenheit sichern den schau¬
###elenden Romanen, als den geborenen Theatermenschen, den hoße Tichter der Lauralieder, Francesco Peirarca, den im
Bottang vor uns schwerfälligen, befangenen, von jedem Schritte Mittagsglanz des Lebens schon herbstlich bange Ahnungen über¬
Rechenschaft ablegen wollenden, voll Verantwortlichkeitonunn schleichen, sieht im Schlosse zu Orange als Gattin eines anderen
steckenden Germanen, denen es so schwer wird, sich zu ent= die Göttin seiner seühen Lieder wieder. Laura hal einst den
schüchtern. Die Entschüchterung ist eine der ersten Anforderungen, Jüngling verschmäht und dieser, um sein Leid zu bezwingen,
die die Pohne steilt. Und darin kann der impulsive d'Andrade hat das Weh verschmähter Liebe in dem Zauber seiner Lieder
als Be dienen. Die Szene ist sein Element, und man ist ent¬ auskönen lassen, hat das teure Geheimnis, den zeuern Namen
zückt von. Sicherheit und dem fast selbstgefälligen Behagen, mit der Geliebten in alle Welt gerusen, so voll Macht und Glut,
daß sich ein tausendfacher Widerhall erhob und daß Laura selbst,
dem er sich darin bewegt. Selbst solche unheure Divergenzen,
wie sie in der oben erdähmen Szene vorlamen, stören ihn nicht die schon im Leben den Ruhm der Uniterblichkeit empfing, vom
im wndesten. Bei offenkundigen Mängein weiß er die Illusion Zauberklang des Ruhms ergriffen wurde, in spätgeweckter Lieb¬
glühend der Ankunft des einst verschmähten Sängers entgegen¬
zu wahren. Das geht so weit, daß man annehmen kann, er
habe, um den Schmerz eindringlicher auszudrücken, absichtlich zu schmachtet. Dem Lied, das einst den jungen Petrarca befreite,
tief getungen. Das Geheimnis der künstlerischen Wirkung liegtsfiel spät betört das Weib zum Opfer. Schaudernd weist Petrarca,
ja auch durchaus nicht in der Korrektheit, sondern zu allererst der längst ein anderer geworden ist und schmerzliche Resignation
zu eigen gewan., die Liebe Lauras zurück und erkennt seine
in der anscheinend improvisierten Natürlichkeit, mit der innere
Erlebnisse so dargestellt werden, daß man in ihren Bann ge= Schuld und der. Fluch des Künstlertums. Das Weib stirbt, und
riedrich Brandes. mi seines Erdenlebens Glück bezahlt der Dichter, was das höchste
Ziel seines Strebens war: Unsterblichkeit.
zwungen wurs
Um den Kunstwert des Stückes besser zu erkennen, um zu
WA
unterscheiden, was an ihm der Poesie als der eigentlichen Wors¬
Königliches Schauspielhaus.
Dre. Einatter: Königsbrun=Schaup: „Unsterblichkeit“.] und Geisteskunst gehört, nicht der Oper und verwandten Kunsten,
mache ich einige Abzüge. Die Musik rechne ich ab. Sie rührt
Arthur Schnitzler: „Die letzten Masken“. „Literatur“.
von Tavernier her und klang gewiß sehr schön, aber eine innere
Drei Stücke, drei weitgetrenmte Welten und ein Grund¬
gedanke. Das erste Stück hat zum Schauplatz die fürstliche Burg zu! Berechtigung hatte sie an ihrer Stelle nicht. Zum romantischen
Orange, und Petrarco und Laura seiern ihrer Liebe schmerzlich Melodrama rechne ich sodann die bestellte Verfinsterung des
wehes Wiedersehen. Ein greßes, blendendes rhetorisches Kunst= Theaters an passenden Stellen. Ich ziehe auch ab, was mit
der katholischen Kirche zusammenhängt. Es scheint in neuester Zeit
stück. Im zweiten Stück liegt ein sterbender Journalist im
allgemeinen Krantenhaus in Wien und möchte an seinem Freund, (Hauptmanns „Armer Heinrich!“) Mode zu werden, die Gleichung
einem erfolggekrönten Dichter, die letzte Rache des lebenslang zu setzen: Katholizismus = Poesie. Das scheint mir, mit Ver¬
verkannten Genies nehmen, und als die Stunde der Rache ge= laub, ein gewaltiger Irrtum zu sein. Weiter ziehe ich den betörende¬