III, Einakter 8, (Lebendige Stunden. Vier Einakter), Die letzten Masken (Der sterbende Journalist), Seite 20

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Kien, Weigl’'s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„OBSERWEP“
Nr. 73
I. österrs Mögdklochc. Bureau für Zeitungsberichte u. Porsonalnachrichten
Wien, I., Concondiaplatz 4.
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Ausschnitt aus:
KOLNISCHE ZEITUNG
vom:
2
TTheater und Musik.] = Koln. Die gestrige Aufführung vort
Wagners Lohengrin im Neuen Stadttheater erfreute sich der
aus der vorigen Spielzeit bekannten trefflichen Leistungen des Fräu¬
leins Offenberg (Elsa) und der Herren Gröbke (Lohengrin), Bischof
(Telramund), Bauer (König) und T. Liszewsky (Heerruser). Nur die
Ortrud zeigte ein anderes Gesicht. Diese vielsach der Primadonna zu¬
fallende Rolle bietet wegen ihrer hohen Lage nicht genügend Anhalts¬
punkte für die erschöpfende Beurteilung einer Altistin. Jedenfalls offen¬
barte Fräulein Anna Hofmann bei starker dramatischer Begabuung eine
meisterhafte Behandlung alles Deklamatorischen und ein ungewöhn¬
liches Charakterisierungsgeschick, indem sie die Rolle des ränkeschmie¬
denden Weibes mit großer Steigerung durchführte. Wenn ost auch die
Schönheit der Stimme und die Ruhe der Tongebung von dem überall
sichern Maß der Akzente übertroffen wurde, so ließ Fräulein Hofmann
ve
doch in der Höhe und hohen Mittellage prächtige Töne von genügend
dunkelm Timbre vernehmen und drang auch in der Tiefe durch; nur
die untern Töne der Mittelstimme entbehrten der Rundung und des
Klangreizes. Die gesamte Aufführung rreichte unter Mühldorfer bei
Als.
einer nahezu vollendeten Orchesterleistung und höchst anerkennenswerten
das
Haltung des Chors eine außerordentliche Wirkungskraft.
den
X Gestern war im Alten Stadttheater ein Einakter=Abend ver¬
anstaltet worden, der eigentlich aus drei Werken Schnitzlers bestehen sollte,
aber aus bekannten Gründen wurde zum Schlusse ein von einem
andern Antor herrührendes Werk eingeschoben. Der erste Schnitzlersche
die
Einakter „Letzte Masken“ gibt in der grell naturalistischen Umrah¬
en¬
)
mung eines Krankenhauses die tiefe Tragik eines Schriftstellerlebens.
unnt, nun im ssche
Der Journalist Karl Rndemucher, ter,
Elend sterben soll, läßt noch einmal den Jugendfreund zu sich rufen,
Kit¬
der ohne eigenes Verdienst zu Ruhm und Reichtum gekommen ist, und
ihn hochmütig vernachlässigt hat. Auf Veranlassung eines kranken Schau¬
spielers übt er zuvor die Worte ein, mit denen er diesen treulosen Glücks¬
pilz vernichten will. Vor allem handelt es sich darum, daß dessen
Gattin, von der er sich treu geliebt glaubt, sein eitles Wesen verachtet
und längere Zeit die Geliebte eben des armen Journalisten war. Da
nun aber jener Mann an ihn herantritt und von seinen Sorgen er¬
zählt, so wie davon, daß die Frau ihm noch den einzigen Halt biete,
ohne den er zusammenbrechen müßte, da schweigt das Rachegefühl und
mit den Worten „was kummern uns die, die morgen noch leben müssen,“
richtet er sich zum Sterben. Das Stück, dessen Psychologie wohl nicht
einwandfrei ist, weil das Rachegelüst des Helden kleinlich erscheint, da
keine eigentliche Verschuldung des ehemaligen Freundes vorliegt, wird
doch in dem Schlußgedenken sehr tief, und gibt zwei Darstellern die
Gelegenheit zu hervorrägenden Proben naturalistischer Kunst. Außer
dem Journalisten, in dessen Darstellung Herr Marr eine kühne
große
und empfindungsstarke naturalistische Kunst entfaltete, die
Hoffnungen auf die Leistungen des Darstellers wenigstens auf
modernen Gebiete erweckt, zeichnete sich Herr Weinmann durch die
außerordentlich natürliche Darstellung eines armen österreichischen Schau¬
spielers aus. Er ließ namentlich das Tragische im Humor dieser Figur
sehr verständnisvoll durchblicken. Das zwette Stuckchen, Schnitzlers
Literatur, ist eine sehr belustigende Satire auf exzentrische Dichterinnen
im Stile der Marie Madeleine und aufgeblasener Talmi=Genies, wenn
sie in den Kafseehäusern von Wien und Berlin herumlungern. Eine
Nacherzählung des Scherzes gibt kein Bild seines witzigen Inhalts.
Es handelt sich schließlich darum, daß die junge Dame die Liebe eines
besonnenen Mannes ihrem bisherigen Literatentum und seinen höchst
bedenklichen Nebenumständen vorzieht. Leider stand die Darstellung
gerade dieses Werkchens nicht auf der Höhe. Fräulein Wyda wußte
sich in die pikante Figur der Margarete nicht hineinzuleben und bot
statt eines geistreichen Gehalts nur ein geräuschvoll unruhiges Gebaren.
Herr Siebert war bei weitem nicht elegant genug für einen öster¬
reichischen Buron, der hervorragender Herren=Reiter und großer
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Frauenbezauberer sein soll. Dagegen gab Heri Schaper den aus¬
geblasenen Literaten mit ergötzlicher Schärfe satirischer Auffassung.
Das dritte Stück, Daisy von Tristan Bernard, ist ein literarisch
unbedentendes, aber stofflich ganz originelles Werkchen. Es spielt auf
Dm Rennplatz. Zwei Taschendiebe, ein jüngerer und ein älterer, sind
in dasselbe Mädchen verliebt, das seine Gunst von dem ältern abzu¬
wenden und dem jüngern zu gewähren sich anschickt. Der Aeltere
kommt in die Lage, den Genossen der Polizei in die Finger zu treiben,
wenn er das Warnungszeichen zu geben unterläßt, das im leisen
Singen des Daisyliedes besteht. Im letzten Augenblick besinnt er sich
auf die Gaunertreue und rettet den Genossen auf Kosten seiner Liebe.
Heer Leyrer, Hex Stettner und Fräulein Winkler bewirkten eine
frische=Darstellung.