III, Einakter 8, (Lebendige Stunden. Vier Einakter), Die letzten Masken (Der sterbende Journalist), Seite 42

Deutsches Thenter.
Tunmmanmitrammmnmammmmenmmmnmanmhhite
Ein Schnittler=Abend, und wie gleich
hinzugesetzt werden muß, ein Schnitzler¬
Ehrenabend, — und ein Ehrenabend un¬
seres neren deutschen Theaters dazu!
Mehr hätten wahrlich selbst die hochnoth¬
peinlichsten Ansprüche nicht fordern, mehr
die wohlwollendsten Erwartungen nicht
hoffen können. Und doch war es diese
dreifache Signatur, in welcher, gleich
siegreich auf der dreifachen Linie, der eine
Novitäten=Abend des vorigen Dienstag
am Irbing Place stand. Als Schnitzier¬
Abend brachte er zunächst wirklich drei
auf dem New Yorker Theaterboden ab¬
solut neue Neuheiten. Nicht genug da¬
mit, zeigten diese drei Neuheiten den am
Irving Place bereits von drei früheren
Stücken,
„Vermächtniß“ Freiwild“,
— wenn auch nach den
unvergleichlichen „Liebelei“=Vorstellungen
mit der Sorma ein wenig in absteigender
Linie, doch darum nicht weniger als erst¬
rangigen Modernen erkannten und an¬
erkannten Wiener Bühnendichter in
durchaus neuem und vortheilhaftesten
Licht. Und endlich kam im Dienst dieser
glänzenden Schnitzler=Musterkarte neue¬
ren Datums auch ein wahrhaft glänzen¬
der Theater=Abend zu Stande. In der
That ein so brillanter Theaterabend, das
die Aufführung der literarisch, wie dra¬
matisch gleich sehr voneinander abstechen¬
den Einakter.
„Die letzten Masken“
„Der grüne Kakadu", und „Literatur“!
unter der gleichfalls dreifachen Regie
der Herren Baumfeld, Marlow und Burg
unser New Yorker deutsches Theater in
geradezu hoftheaterlichem Brillantlicht
erscheinen ließ.
Der Einsatz dieses Schnitzler=Trios
war in Moll. Und mehr als das, tieftra¬
gisch, aber auch tiefmenschlich zugleich.
So menschlich, wie das Bischen, was man
auf diesem von Bwpeden belebten und be¬
herrschten Planeten Menschen=Leben zu
nennen pflegt, nur in seinem letzten und
darum allein schon wahrsten Licht zu er¬
scheinen vermag. Im Licht des Todes
selbst. Des großen Schluß=Auslösers und
Erlösers, der ohne irgend welche religiöse,
oder philosophische, oder sonstige rein än¬
Ferliche Beihilfe, lediglich aus den letzten
Zuckungen eines sich eben noch auf's
Feindseligste zusammenkrampfenden Herz¬
Muskels heraus auch zum großen Ver¬
söhner, zum Sterbe=Erleichterer, zum
Sterbe=Verschönerer wird. Allerdings
kommt auch hier diese Erlösung insofern
von Außen, als das letzte große Um¬
schlagen eines „galligsten“ Hasses in
Verzeihen und Verstummen durch ein
versönliches Begegnen des sterbenden
Hassers mit dem Gegenstand seines Has¬
ses herbeigeführt wird. Aber diese Be¬
gegnung im Sterbezimmer des öffentli¬
chen Krankenhauses ist so sehr des Erste¬
ren eigenes Werk, daß auch das daraus
für ihn erwachsende schweigenste Schön¬
sterben zu seinem eigensten Werk wird.
Vollends in der Anschaulichkeit der Bühne
und der charakteristischen das rein Thea¬
tralische so ziemlich auf's letzte Körnchen
ausscheidenden Vermittlung, wie sie der¬
selben hier durch die Herren Sauermann
„Karl Rademacher“, Marlow, „Alexan¬
der Weigast“ Burg, „Florian Jack¬
werth“, und Weigert, „Dr. Halmschlä¬
ger“ zu Theil wird. Selbst die Neben¬
rollen in der Besetzung der „Wärterin
Paschanda“ und des „Hilfarztes Tann“.
nahmen mit den kleinen Lebens=Lichtern,
welche durch sie dem Sterbevorgang und
der Sterbeatmosphäre des Ganzen auf¬
gesetzt werden, denselben ebenso wenig
von ihrem auch das volle Haus des in
seinem Bann haltenden tiefen Ernst, wie
es das ebenso natürliche, wie künstlerisch
gedämpfte Accompagnement that, welches
Herr Burg als „Jackwerth“ der litera¬
risch geradezu genial concipirten, aber
eben darum auch um so größeren Büh¬
nenfährlichkeiten ausgesetzten Probir¬
szeue „Rademachers“ für dessen letzten
Masken=Gang mit dem vermeintlichen
Lebens=Vampyr und Todseind „Weih¬
gast“ lieh.
Das Mittelstück des Programms und,
wie gleich hinzugesetzt sei, den schweren
Trumpf desselben brachte das zu Schnitz¬
chnitzt
nent
Stück eine
Grotest
diese und mit ihnen den Zuschauer zwin
men Ho
und Reicher und den Herren
genden Weise stößt der Antor die Ele
Marlow, Weigert, Collot, Winds, Sauer¬
mente seiner schier chaotischen Handlung
mann und Liebl das Nämliche gegenüber
und seines fiebernden Miliens, sowie die
dem die Bühne in der Schlußszeue mit
sie bald tragenden, bald durchkrenzenden
einem ganzen Urbrei von Köpfen, Stim¬
Personen, deren der Zettel volle zwanzig
men, Glledern und sonstigem Meininger
Redende aufweist, durcheinander und in
Zubeher überschwimmenden zur neuen
diesem Durcheinander vor sich her, daß
Freiheit erwachten Voltes von Frankreich.
man schließlich, wie aus einer Phantas¬
Den Schluß dieses Wiener Schnitzler¬
Fagorte von wirklichem und gesvieltem
Menus bildete, wie sich's gebührte, ein
Theater=Rummel zu sich zu kommen
Dessert. Ein leichtes und mit vollende¬
glaubt. Schließlich, d. h. wenn der Vor¬
ter Leichtigkeit in Spiel und Dialog von
hang über dem Jubelgeschrei ob der er¬
dem Trio Hofer, Burg und Weigert kre
stürmten Bastille und einem vom Ple¬
denztes Wiener Tessert: „Literatur“.
bejer=Schausvieler „Henry“ (Herr Wei¬
Ein beständiges Lächeln lag über den
gert) wirklich ermordeten wirklichen
fünfundzwanzig Minuten, welche das rei¬
„Herzog von Cadignan“ (Herrn Mar¬
zende Ding in Anspruch nahm. Lächeln
low) niederfällt und man gewahr wird:
auf der Bühne Seitens der drei Darstel¬
daß sich das Pennen=Tingeltangel da im
ler, und Lächeln im Zuschauerraum über
Handumdrehn zum großen historischen
den Leckerbissen von Stück, wie über die
Revolutions = Cabarel ausgewachsen hat
Anmuth, mit der er von dem weiblichen
und daß die von Frl. Reicher in schier
Mitglied dieses Baumfeld'schen Lustspiel¬
unheimlicher Weise veranschaulichte)
Kleeblatts erster Güte servirt wurde, wie
Schluß=Hysterie der „Marquise Severine
über die portraithafte Charakteristik fein¬
von Lansac“ dem Beginn einer Historie
sten Calibers, mit welcher hier die beiden
gilt, die ihr sehr bald an den eigenen Männer ihren „Literatur"=Kampf um
schönen Hals gehen wird. Das Publi¬
ihr schöneres Drittel auskämpfen.
kum, das trotz seines Elite=Charakters
Udo Brachvogel.