III, Einakter 8, (Lebendige Stunden. Vier Einakter), Die letzten Masken (Der sterbende Journalist), Seite 70


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8. Die letztensken

Heft 1
„Die Duelle“
Seite 15
Jungbrunnen.
Jungwien so modern war. Sie haben keine tiefe,
Von W. A. Hammer, Wien.
innige Verbindung mit den Frauen, die sie
Alle kommen zu der Quelle,
lieben, aber sie wissen das und sind immerfort
Trinken aus dem Vorn die helle
darauf gefaßt, daß ihre kleinen Abenteuer zer¬
Silberklare Lebensflut.
fallen und in Wind vergehen. Zu diesen wohl¬
Kinder, Greise rings im Reigen
habenden, eleganten jungen Leuten aus der
Dürstend sich herniederneigen,
Bourgeoisie gehören kleine Theaterdamen, liebens¬
Schöpfend Kraft und neuen Mnt.
würdige Tänzerinnen, unverstandene Ehebreche¬
Lahme sich da wieder regen,
rinnen, kurz: geübte, kluge, graziöse Liebhabe¬
Müde, Schwache stärkt der Segen
rinnen, die auch äußerlich immer anständig und
Dieses Bronnens nektargleich.
Wer im Herzen Groll und Hassen,
elegant aussehen. Aus diesen kleinen Anatol¬
Traurig fühlt sich und verlassen,
Einaktern von Artur Schnitzler ist der seelische
Wird an Glück und Liebe reich.
Zustand der jungen, wohlhabenden Wiener
Bourgeoisie, wie sie in den Achtzigerjahren war,
leicht zu konstruieren.
Nichts spricht mehr für das eigentliche
Drei Einakter von Artur
dichterische Wesen Artur Schnitzlers als die Tat¬
Schnitzler.
sache, daß er selber längst aus dieser oberflächlich¬
Zur Förderung der so segensreichen Wirkung der „Freien Volks¬
galanten Atmosphäre hinausgewachsen ist. Er ist,
bühne“ bringen wir aus der Feder des sachkundigen Leiters Stephan
um es kurz zu sagen, sittlicher geworden (ob¬
Großmann die geistvolle Kritik aus dem Programmbuche
dieses bereits 13.000 Mitglieder zählenden Vereines.*)
wohl er natürlich im gemeinen Sinn unsittlich
nie gewesen ist), er ist sittlicher geworden, weil
Artur Schnitzler gilt als der eigentliche
er tiefer in die Herzen geschaut hat, weil er, der
Jungwiener Dichter. Er stammt aus einer ange¬
ehedem ein Dichter der eleganten Welt war,
sehenen Wiener Professorenfamilie. Der Einakter
immer tiefer ins Menschliche seiner Gestalten ein¬
„Eine Frage an das Schicksal“ gehört zu
gedrungen ist. Aus einer nicht ganz ohne Fri¬
seinen ersten Arbeiten. Die beiden Einakter „Die
volität gemachten Weltanschauung des Genusses
letzten Masken“ und „Literatur“ sind etwa
ist er zu einer grundernsten Philosophie des Er¬
15 Jahre später geschrieben. Und so gibt die
lebens hinaufgewachsen.
Gegenüberstellung der drei Einakter auch ein
Artur Schnitzler ist von Beruf Arzt. Es ist
Bild vom Werden und der inneren Entwicklung
charakteristisch für seine innere Wandlung, daß er
des Dichters.
seine Erlebnisse als untersuchender Forscher der
Artur Schnitzler begann als ein Ironiker,
menschlichen Seele erst in späteren Jahren ge¬
der die galanten Erlebnisse wohlhabender junger
offenbart hat. Aber er ist allmählich bei aller
Leute zwischen 20 und 30 Jahren zum Thema
Milde und Sauftheit, die ihm eigen, ein durch¬
erwählte. Sein Einakterzyklus „Anatol“, dem die
dringlicher Beobachter geworden, und das Lächeln,
„Frage an das Schicksal“ entnommen ist, be¬
das in seinem ersten galanten Stücke nur einge¬
schäftigt sich mit dem kleinen Gefühlchen junger
lernt schien, ist später erst wahrhaft echt ge¬
Lebemänner, denen es in allen Lagen des Lebens
worden. Er mußte eine Periode erlebten Ernstes
vor allem auf die gewisse äußere Eleganz an¬
durchmachen, ehe er sich zu diesem Lächeln durch¬
kommt. Sie sind nicht nur gut gekleidet, sie
ringen konnte. Niemand kann Artur Schnitzler
wollen auch, daß ihr innerer Zustand gut frisiert,
ve stehen, der nicht seine Novelle „Sterben“
nett, liebenswürdig und geschmackvoll geputzt er¬
gelesen hat. Er hat sich seine eigene Oberfläch¬
scheine. Sie haben alle keine Leidenschaften, aber
lichkeit ausgetrieben durch das Ueberdenken des
freundliche, liebenswürdige, nette Empfindungen.
Todesproblems! Was er als Arzt gesehen, das
Sie haben alle keinen eigentlichen inneren Ernst,
ist darum erst nach vielen Jahren in dem
aber sie wissen die Hohlheit ihres Daseins ganz
Künstler Schnitzler reif geworden. Vor dem
liebenswürdig zu verkleiden. Sie lieben nicht, sie
Tode werden so viele Probleme des Lebens
haben nur Liebeleien. Sie denken nicht, sie haben
lächerlich und nebensächlich. Was uns in ge¬
nur Einfälle. Sie kämpfen nicht, aber sie haben
sunden Tagen Gott weiß wie wichtig dünkte,
eine gewisse Gescheidtheu, die sich mit allen Ver¬
dafür haben wir vor dem Tode nur mehr ein
hältnissen des Lebens klug abzufinden weiß. Sie
mattes Lächeln. Das ist die Grundstimmung des
erleben eigentlich nicht viel, aber sie tun sehr er¬
Dramas „Die letzten Masken: Ein ver¬
fahren. In ihren kleinen Seelchen ist viel Ge¬
bummelter Journalist, der vielleicht ein Genie,
lesenes aufgestapelt, und sie haben sich auch eine
vielleicht auch nur ein Schwadroneur war, will
hübsche melancholische Locke zurechtgelegt, den
vor seinem Tode einen glücklicheren Rivalen er¬
gewissen schmerzlichen Zug, der eine zeitlang in
zählen, wie viel reicher sein armes Leben ge¬
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wesen als das des Erfolgreichen. Die Frau des