New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockhoim, St. Peters
burg, Toronto.
Obtliehangebe ohne Gewahr.)
Ausschnitt aus:
Zoküng
vem. 18 86 191
W DAALATTEATT
Drei Ginakter „on Schnitler.
ess Köln. Arthur Schnitzler ördnet seine Ellialler gern zu Reihen,
deren Glieder bei aller Verschiedenheit der einzelnen Vorwürfe und ihrer
Kramatischen Behandlung doch irgendwie gedanklich verknüpft sind. Dies
Verfahren fügt für den nachdenklichen Leser und Hörer zu dem
Interesse am einzelnen Stück den Ansporn, die verbindende Idee zu
suchen, überlegend nachzuprüfen, wie das, was räumlich und zeitlich aus¬
einanderliegt, sich doch innerlich zu einer Einheit verkettet und wie der
Dichter die These, die Tendenz, den geistreichen Einfall, das Stückchen
Weltklugheit oder Lebenseinsicht in dem einzelnen Stück abgewandelt hat.
Dieser geistige Genuß des Suchens und Vergleichens fällt weg, wenn,
wie es am Samstag im Schauspielhaus geschah, aus den Serien
Teile herausgeschnitten und zu einer losen Reihe verbunden werden;
solches Nebeneinander ist immer ein bißchen Varieté=Programm. Das
erste der gegebenen Stücke stammt aus der viergliedrigen Reihe „Leben¬
dige Stunden“ das letzte aus einer dreigliedrigen Serie, die von dem
Motto: „Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug“ zusammengehalten“
wird. Das mittlere Stück ist von Schnitzler als selbständige Arbeit ver¬
öffentlicht worden. Die letzten Masken schildern die Todesstunde
eines vom Schicksal um den Erfolg betrogenen Journalisten. Die letzte
Genugtuung, die der Sterbende ersehnt, ist, dem uverdient zu Geld und
Ruhm gelangten hirnarnien Nebenbuhler die glückzerstörende Mitteilung
ins Gesicht zu schleudern, daß seine Frau ihn jahrelang mit ihm, dem
Armen, aber Geistbegabten, betrogen habe. Ein todkranker Schauspieler,
der im Spital neben ihm liegt, probt mit ihm den Auftritt durch, der
den reichen, aufgeblasenen Schriftsteller demütigen soll. Als dieser dann
aber wirklich erscheint, erlischt des Journalisten rachsüchtige Absicht in der
Erkenntnis, daß das Leben, und sei es Selbstbetrug und Lüge, nicht den
vom Leben Scheidenden geopfert werden dürfe. Gustav Turrian
gab den Zeitungsmann mit eindringlicher Schlichtheit; Georg Kiesau
war als der lungenkranke Schauspieler, der in seinem Eifer, für seinen
Beruf Studien an den Leidenden zu machen, die nach ihm greisende?:
Todeshand nicht sieht, von einer wehmütigen Schnurrigkeit, die dieser:
Gestalt einen eigenartigen Reiz verlieh. Alexander Engels hätte,
meinen wir, den Schriftsteller nicht so einfach und ehrlich=gutherzig geben
dürfen; ein wenig Pose und großsprecherische Art (sie verrät sich im
Text sehr deutlich bei der Erwähnung seines neuesten Werks) müßten
Bestandteile der Charakteristik bilden. — Komtesse Mizi war für
Köln neu. Das Stück ist an dieser Stelle im Januar 1909 von Wien
aus — wenig freundlich — besprochen worden. Die Komtesse hat vor
18 Jahren ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann gehabt und ein
Kind geboren. Sie hat, da der Mann nicht den Mut eines öffentlichen
Skandals fand, gefordert, daß sie für ihren Sohn tot bleibe, und Zer¬
streuung in andern Liebesabenteuern gesucht. Jetzt wird ihr vom Vater
der siebzehnjährige kluge, aber naseweis=dreiste Bengel zugeführt, sie fühlt
indes nichts für ihn; doch bleibt die Aussicht auf eine nachträgliche eheliche
Vereinigung der Eltern offen. Zeitlich parallel mit diesen Dingen laufen
die Liebesbeziehungen des Vaters Mizzis zu einer Tänzerin, die sich jetzt
nach 18 Jahren ins Ehrbar=Bürgerliche mausert und einen Fiaker heiratet.
Was dieser Komödie das Geprage gibt, ist die lächelnde Seibstverständ¬
lichkeit, mit der all die heikeln Geschehnisse behandelt werden, ist das be¬
schauliche Behagen, mit dem die Beteiligten davon sprechen. Man mag
die Tonart frivol nennen. Sie bleibt erträglich, da die Leichtfertigkeit der
Lebensansicht gemildert erscheint durch eine gewisse tragikomische Selbst¬
ironie, zu der die Handelnden in der weiten Zeitspanne zwischen Tat und
Beurteilung gelangt sind. Von den Mitwirkenden, deren Wienerisch
allerdins wenig einheitlich klang, seien die Herren Senden, Dysing
und Aßmann und die Damen Frey und Gäbler mit Anerkennung
ihrer darstellerischen Bemühungen genannt. Die Lolo hätten wir freilich
gern etwas weniger bürgerlich=hausbacken in Kleidung, Benehmen und
Ton gesehen; und der 17jährige Philipp war uns nicht knabenhaft ge¬
nug in den Körpermaßen, den Gesichszügen und den Gebärden. Sollte
hier nicht durch Anderungen in der Rollenbesetzung zu helfen sein? —
Den stärksten Eindruck hinterließ das dritte Stück: Der grüne Kakadu¬
Der heiße Atem der französischen Revolution ist darin: aristokratische
Sittenverderbnis, Freiheitsrausch und brutale Volksleidenschaft. E
früherer Theaterdirektor hat in der Nähe der Bastille einen Weinkeller auf¬
getan, wo die Mitglieder seiner Truppe zum nervenkitzelnden und gru¬
selnden Ergötzen aristokratischer Nichtstuer in frei ersundenen Auftritter
Verbrecher mimen. Der beste Künstler der Truppe, Henri, der eben in
Liebestollheit eine gemeine Dirne geehelicht hat, die ohne sein Wissen ihn
weiter betrügt, fingiert eine Eifersuchtsszene, die so echt gerät, daß mar
ihn zu trösten sucht und dabei den adeligen Liebhaber des Weibes nennt
Jetzt wird aus dem Spiel blutiger Ernst: Henri ersticht den Liebhaber
und an dessen Leiche heult der vom Bastillesturm hereindringende Pöbel
seinen zum Wahnwitz gesteigerten Haß wider die schon wankende Staats
ordnung. Was diesem grellfarbigen Drama seine seltsame Wirkung gibt
ist der unablässige Wechsel von Spiel und Wirklichkeit, oder besser: sin
die sonderbaren Übergänge von einem zum andern, die den Zuschaue
wunderlich verwirren und verstricken. Auf die Einzelleistungen einzu
gehen, versagen wir uns wegen der ungewöhnlich hohen Zahl der Mit
wirkenden, die dieser Einakter verlangt; besonders gesielen uns die Ge
stalten Henris (Goetz), des Herzogs (Aßmann), Balthafars (Turrian) un
der dirnenhaften Schauspielerin (Frl. Schönfeld). Zu bedauern bleib
die Verkürzung des Textes um einige hübsche Pikanterien, die für da
Milien nur mit Schaden entbehrt werden können. Die Regie Rémond
war in den beiden ersten Stücken sowohl der bescheidenen Enge de
Krankenzimmers wie der farbenheitern Gartenpracht des österreichische
Landschlosses gerecht geworden; im dritten Stück leistete sie in der bunte
und sinnvollen Bewegung der zahlreichen Sprechenden und der noe
zahlreichern Volksmasse Bemerkenswert=Tüchtiges. Der außerordentlic
lebhafte Schlußbeifall rief — mit Namennennung — auch den Regissen
heraus.
burg, Toronto.
Obtliehangebe ohne Gewahr.)
Ausschnitt aus:
Zoküng
vem. 18 86 191
W DAALATTEATT
Drei Ginakter „on Schnitler.
ess Köln. Arthur Schnitzler ördnet seine Ellialler gern zu Reihen,
deren Glieder bei aller Verschiedenheit der einzelnen Vorwürfe und ihrer
Kramatischen Behandlung doch irgendwie gedanklich verknüpft sind. Dies
Verfahren fügt für den nachdenklichen Leser und Hörer zu dem
Interesse am einzelnen Stück den Ansporn, die verbindende Idee zu
suchen, überlegend nachzuprüfen, wie das, was räumlich und zeitlich aus¬
einanderliegt, sich doch innerlich zu einer Einheit verkettet und wie der
Dichter die These, die Tendenz, den geistreichen Einfall, das Stückchen
Weltklugheit oder Lebenseinsicht in dem einzelnen Stück abgewandelt hat.
Dieser geistige Genuß des Suchens und Vergleichens fällt weg, wenn,
wie es am Samstag im Schauspielhaus geschah, aus den Serien
Teile herausgeschnitten und zu einer losen Reihe verbunden werden;
solches Nebeneinander ist immer ein bißchen Varieté=Programm. Das
erste der gegebenen Stücke stammt aus der viergliedrigen Reihe „Leben¬
dige Stunden“ das letzte aus einer dreigliedrigen Serie, die von dem
Motto: „Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug“ zusammengehalten“
wird. Das mittlere Stück ist von Schnitzler als selbständige Arbeit ver¬
öffentlicht worden. Die letzten Masken schildern die Todesstunde
eines vom Schicksal um den Erfolg betrogenen Journalisten. Die letzte
Genugtuung, die der Sterbende ersehnt, ist, dem uverdient zu Geld und
Ruhm gelangten hirnarnien Nebenbuhler die glückzerstörende Mitteilung
ins Gesicht zu schleudern, daß seine Frau ihn jahrelang mit ihm, dem
Armen, aber Geistbegabten, betrogen habe. Ein todkranker Schauspieler,
der im Spital neben ihm liegt, probt mit ihm den Auftritt durch, der
den reichen, aufgeblasenen Schriftsteller demütigen soll. Als dieser dann
aber wirklich erscheint, erlischt des Journalisten rachsüchtige Absicht in der
Erkenntnis, daß das Leben, und sei es Selbstbetrug und Lüge, nicht den
vom Leben Scheidenden geopfert werden dürfe. Gustav Turrian
gab den Zeitungsmann mit eindringlicher Schlichtheit; Georg Kiesau
war als der lungenkranke Schauspieler, der in seinem Eifer, für seinen
Beruf Studien an den Leidenden zu machen, die nach ihm greisende?:
Todeshand nicht sieht, von einer wehmütigen Schnurrigkeit, die dieser:
Gestalt einen eigenartigen Reiz verlieh. Alexander Engels hätte,
meinen wir, den Schriftsteller nicht so einfach und ehrlich=gutherzig geben
dürfen; ein wenig Pose und großsprecherische Art (sie verrät sich im
Text sehr deutlich bei der Erwähnung seines neuesten Werks) müßten
Bestandteile der Charakteristik bilden. — Komtesse Mizi war für
Köln neu. Das Stück ist an dieser Stelle im Januar 1909 von Wien
aus — wenig freundlich — besprochen worden. Die Komtesse hat vor
18 Jahren ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann gehabt und ein
Kind geboren. Sie hat, da der Mann nicht den Mut eines öffentlichen
Skandals fand, gefordert, daß sie für ihren Sohn tot bleibe, und Zer¬
streuung in andern Liebesabenteuern gesucht. Jetzt wird ihr vom Vater
der siebzehnjährige kluge, aber naseweis=dreiste Bengel zugeführt, sie fühlt
indes nichts für ihn; doch bleibt die Aussicht auf eine nachträgliche eheliche
Vereinigung der Eltern offen. Zeitlich parallel mit diesen Dingen laufen
die Liebesbeziehungen des Vaters Mizzis zu einer Tänzerin, die sich jetzt
nach 18 Jahren ins Ehrbar=Bürgerliche mausert und einen Fiaker heiratet.
Was dieser Komödie das Geprage gibt, ist die lächelnde Seibstverständ¬
lichkeit, mit der all die heikeln Geschehnisse behandelt werden, ist das be¬
schauliche Behagen, mit dem die Beteiligten davon sprechen. Man mag
die Tonart frivol nennen. Sie bleibt erträglich, da die Leichtfertigkeit der
Lebensansicht gemildert erscheint durch eine gewisse tragikomische Selbst¬
ironie, zu der die Handelnden in der weiten Zeitspanne zwischen Tat und
Beurteilung gelangt sind. Von den Mitwirkenden, deren Wienerisch
allerdins wenig einheitlich klang, seien die Herren Senden, Dysing
und Aßmann und die Damen Frey und Gäbler mit Anerkennung
ihrer darstellerischen Bemühungen genannt. Die Lolo hätten wir freilich
gern etwas weniger bürgerlich=hausbacken in Kleidung, Benehmen und
Ton gesehen; und der 17jährige Philipp war uns nicht knabenhaft ge¬
nug in den Körpermaßen, den Gesichszügen und den Gebärden. Sollte
hier nicht durch Anderungen in der Rollenbesetzung zu helfen sein? —
Den stärksten Eindruck hinterließ das dritte Stück: Der grüne Kakadu¬
Der heiße Atem der französischen Revolution ist darin: aristokratische
Sittenverderbnis, Freiheitsrausch und brutale Volksleidenschaft. E
früherer Theaterdirektor hat in der Nähe der Bastille einen Weinkeller auf¬
getan, wo die Mitglieder seiner Truppe zum nervenkitzelnden und gru¬
selnden Ergötzen aristokratischer Nichtstuer in frei ersundenen Auftritter
Verbrecher mimen. Der beste Künstler der Truppe, Henri, der eben in
Liebestollheit eine gemeine Dirne geehelicht hat, die ohne sein Wissen ihn
weiter betrügt, fingiert eine Eifersuchtsszene, die so echt gerät, daß mar
ihn zu trösten sucht und dabei den adeligen Liebhaber des Weibes nennt
Jetzt wird aus dem Spiel blutiger Ernst: Henri ersticht den Liebhaber
und an dessen Leiche heult der vom Bastillesturm hereindringende Pöbel
seinen zum Wahnwitz gesteigerten Haß wider die schon wankende Staats
ordnung. Was diesem grellfarbigen Drama seine seltsame Wirkung gibt
ist der unablässige Wechsel von Spiel und Wirklichkeit, oder besser: sin
die sonderbaren Übergänge von einem zum andern, die den Zuschaue
wunderlich verwirren und verstricken. Auf die Einzelleistungen einzu
gehen, versagen wir uns wegen der ungewöhnlich hohen Zahl der Mit
wirkenden, die dieser Einakter verlangt; besonders gesielen uns die Ge
stalten Henris (Goetz), des Herzogs (Aßmann), Balthafars (Turrian) un
der dirnenhaften Schauspielerin (Frl. Schönfeld). Zu bedauern bleib
die Verkürzung des Textes um einige hübsche Pikanterien, die für da
Milien nur mit Schaden entbehrt werden können. Die Regie Rémond
war in den beiden ersten Stücken sowohl der bescheidenen Enge de
Krankenzimmers wie der farbenheitern Gartenpracht des österreichische
Landschlosses gerecht geworden; im dritten Stück leistete sie in der bunte
und sinnvollen Bewegung der zahlreichen Sprechenden und der noe
zahlreichern Volksmasse Bemerkenswert=Tüchtiges. Der außerordentlic
lebhafte Schlußbeifall rief — mit Namennennung — auch den Regissen
heraus.