III, Einakter 7, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 9

Wienen
nach jeder Nach
nichten zu haben.
dire
tung einzutreten, wie er von ihr nach jeder Richtung
das Opfer ihrer Persönlichkeit entgegennahm. Er
en
box 34/6
Kak
7. Der gruehe hakadu
ist von ihr gegangen, ohne das Gefühl ge¬
habt zu haben, daß er auch ihr etwas
daß
schuldig sei, einen Teil von seinem Ich,
er gegenüber ihrer Liebe, die er dankend kostete, eine
Pflicht habe. Ob er weiter lebt, ob nicht, es hat
ihr eben recht zu sein. An seiner Bahre stehen
Eltern, Geschwister, Cousin und Consinchen; nur sie
nicht, die sich ihm näher fühlte, die ihm uäher war,
als alle — mir sie nicht. Nicht einmal erfahren hat
sie von dem Begräbnis. Sein Tod wird ihr mit¬
geteilt, als er schon begraben ist. Sie ist gar nicht
vorhanden. Sie ist weniger als nicht vorhanden:
sie ist lästig, peinlich. Sie ist gut genug,
in verschwiegenen Stunden sein Herz zu füllen, wenn
es niemand weiß, ein wenig Scherz mitzumachen
und Schampus zu trinken, wenn sie lustig sind.
Nur da, wo es sie drängt, ihm am meisten zu sein,
in allem Ernst, in allem, was das Persönlichste ist,
nur da ist sie ansgeschlossen, gehört nicht mit dazu.
Und warum? Weil die äußere Bestätigung fehlte, die
Legitimation dessen, was sie innerlich tiefer als die andern
fühlte, ihres Einsseins. ihrer Zusammengehörigkeit.
Das alles wird ohne Sentimentalität, ohne Anklage¬
pose und Fäusteballen gegen ein ungerechtes Geschick
ausgesprochen. Es ist nur einfach so: das Leben
liegt zuweilen so traurig; gerade ihr mußte das
Telephon 12801.
widerfahren.
Fräulein Triesch hatte bei allem Rühren¬
Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
den, Ergreifenden, das sie dieser Figur zu
Ausschnitt
geben wußte, bei aller tieferen Veranlagung, die sie
"
äußerst glaubhaft aus diesem dem Vollborn volk¬
Nr. 5
„OBSERVER“
105
lichen Empfindens entsprungenen Gemüte wußte
I. österr. behördl. cont. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichtersk hervorscheinen zu lassen, doch gerade zuletzt ein wenig
zu viel von der drohenden Weltverzweiflungshaltung,
Wien, IX/I, Türkenstrasse 17.
gleichsam von dem zersetzenden Grübeln über Gott
und ewige Ordnungen. Frau Sorma war darin
— Filiale in Budapest: „Figyelö" —
Vertretungen in Berlin, Chinago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stuckh. ganz inniges Wesen, von einer umsagbaren Fälle
wehmütiger, rührender, lieblicher Züge umspielt.
Bei ihr hatte man das unmittelbarste Gefühl,
daß eine holde Blume von einem wüsten
Proletarierschritt zertreten wird. Der Grimm war
Ausschnitt aus:
ganz der des Zuschauers; er war nicht in ihr. Frl.
Triesch hatte schärfere Linien; sie ergrimmte
selbst,
war selbst erbittert und besorgte darum schon
einen Teil von dem, was hier am wirk¬
vom: 21/41902
samsten und nachhaltigsten dem Hörer zu thun
überlassen bleibt. Ein niedliches, noch ein wenig
unfreies Wiener Ringstraßen Pflänzchen war Frl.
Rauch. Einen wundervollen, alten, weisen Vater,
der mit seinen Kindern zugleich als Fürsorger und
als brüderlicher Vertrauter umgeht, machte Herr
Reinhardt. Herrn Sauers rächender Ehemann
précisentairement
war in einer für diesen trefflichen Darsteller ganz
Theater und Musik.
ungewöhnlichen Weise hölzern und romanhaft=klichee¬
Deutsches Theater.
mäßig. Die beiden Wiener Jungherren wurden
Schnitzlers „Liebelei“ und „Grüner Kakadu“.
von Herrn Fischer in seiner putzigen leicht¬
lebigen Art, von Herrn Rittner
Das Wiedersehen mit Werken, die zur Zeit
dem prachtvollen Einschlag des ernsteren, sinnigeren,
ihres ersten Erscheinens mit großem Beifall auf¬
menschlich alles mitfühlenden guten Herzens erfaßt.
genommen wurden, weckt nicht immer reine Em¬
Im zweiten Stück, dem „Grünen Kakadu"
pfindungen. Für die meisten der Zuschaner giebt es
war entschieden ein schneller dahinrasendes Tempo
allerlei zu berichtigen, von dem einstigen Überschwang
zu wünschen. Man muß selbst kaum einen
50
des Willkomms herunterzugehen; man sieht mit
Für
Augenblick zum Nachdenken kommen, ob ernsthafte,
Staunen, wie man vieles bejubelt hat, was heute
ob gespielte Dinge vor sich gehen, bis zum Schluß
plötzlich alt und verstaubt anmutet, wie man so
die grause Mord= und Revolutionskatastrophe den
manches als wahrhaft moderne Errungenschaft, als
10

Vulkan offenbar macht, über dessen Gluten auf
etwas, in dem wir es „herrlich weit“ gebracht hätten,
loser Decke eine verstörte und halb vor Blasiert¬
begrüßt hat, was man gegenwärtig als eine kleine
Abonnen
heit, halb vor Verzweiflung krampfhaft lustig
Laune der damaligen Litteraturmode erkennt. Bei
Abonnen
gewordene Gesellschaft tanzt. Hier war das
Schnitzlers „Liebelei“ brauchen auch die
Köstlichste der Tantenmörder des Herrn Rittner,
Nachläufer und Schreier im Streit, die auf
der einzige wirkliche, d. h. gesetzlich belangte Strolch
jeden Leim irgend eines litterarischen Vogel¬
Inhalts:
unter all den fingierten. Frau Bertens trug
keine
stellers hineinfallen, sich neuerdings vor
blätt
meisterhaft den hastigen, nervösen, von Sensation zu
wodurch
schmerzliche Enttäuschung gestellt zu sehen.
Das
Sensation eifernden Atem der Revolutionsgesellschaft
Leben
Stück wirkt immer noch in seiner gar nicht
theilun
in das Stück hinein. Herrn Sommerstorffs
sentimentalen,
sondern echt gefühlten Lebens¬
feierlicher Mime, dem unter der Wucht der Zeit der
be¬
wehmut, die
nicht in irgend einem
Schein der Komödie plötzlich zum Ernst des Lebens
sonderen, klüglich ausgetüftelten
Falle liegt,
wird, hatte bei allem Gewollt-Parodistischen ein
der
sondern in der Ungleichheit der sozialen,
wenig zu viel getragenes Temperament, das nicht
gesellschaftlichen Verhältnisse, darin, daß die preisend
mehr rein in der Rolle aufging.
mit viel schönen Reden seit manchem Jahrhundert
Paul Mahn.
besungene reine Menschlichkeit im allgemeinen so
wenig Eingang in die Formen unserer gesell¬
schaftlichen, unserer ständischen oder vielmehr
„standesgemäßen“ Lebensführung gewonnen hat.
Ein schlichtes, tief fühlendes Kind des Volkes, das
sich nur einmal im Leben zu geben im stande ist und
einmal aus dem Gefühl einer echten Liebe heraus