III, Einakter 7, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 19

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7. Der gruene Kakadu
23 JARJAR 1919
Münchner Zeitung
München
R. B. [Schninler=Abend.] Man hat im Kleinen Haus —
das nicht mehr Residenztheater zu nennen mir aus histori¬
schen Gründen wirklich manchmal schwer fällt — einen der
beliebten Schnitzler=Abende improvisiert, d. h. man
wollte offenbar die Groteske „Der grüne Kakadu",
die vor dem Hintergrund der großen französischen Revo-
lution spielt, ihrer brennenden Aktualität wegen wieder
einmal neu einstudieren. Da sie aber nicht „abendiüllend"
ist, so wählte man unter den vielen Einaktern Schnitzlers,
noch die „Große Szene“ (Nummer zwei des Zyklus¬
„Komödie der Worte") aus und spannte sie vor die Gro¬
teske. Die Geschichte hört sich ja immer noch ganz ulkig
an; doch ist nicht zu leugnen, daß sie sich ein bißchen zu sehr
in die Läntze und Breite zieht (ein Grundübel fast aller
Schnitzlerschen Akte und Stücke), so daß der Abend dadurch
nicht kurzweiliger wird. Man hätte also vielleicht zweck¬
mäßiger einen kürzeren Einakter an den Anfang gestellt.
Die Besetzung ist, bis auf Herrn Stettner, der an
Herrn Schwannekes Stelle den Theaterdirektor übernom=
men und in gutem Stil durchgeführt hat, die gleiche wie bei
der Erstaufführung: Frl. Bierkowski die Frau, die
„ihm“ auf die Länge doch nicht zürnen kann, Herr
Janssen, der in diesem Stücke vor dreieinviertel Jahren
auf Anstellung gastierte, der vornehme Gegner, und Herr
Steinrück der unverbesserliche Erzkomödiant, sehr wir¬
kungsvoll, natürlich, aber heute wie damals zu wenig
liebenswürdig für einen Menschen dieser Art. Dann folgte
„Der grüne Kukedu“, das Schlußstück von Schnitzlers
erstem Einakter=Lyklus, in dem demonstriert wird, wie im
Leben Spiel und Wirklichkeit beständig ineinander über¬
gehen und oft nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind.
Doch ist die Beweisführung speziell in diesem Stück weniger
philosophisch als spektakulös und das Ganze ein Stück bis
zur Brutalität getriebenen, echten Theaters, das man nur
mehr erträgt, wenn es so gut gespielt wird wie auch dies¬
mal wieder unter der Leitung des Herrn Steinrück. Dieser
hatte übrigens, für den erkrankten Herrn Nadler, selbst eine
kleine Rolle übernommen und zur höchsten Zufriedenheit des
Kneipenwirtes „Zum grünen Kakadu“ und seines Publi=
kums durchgeführt. Den Henri, einen Leidensgenossen des
„Pajazzo“, spielt jetzt Herr Janssen (damals noch Herr
v. Jacobi), und es war ihm schon zuzutrauen, daß er die
große Szene am Schluß, in der er, jäh aus Spiel und
Traum gerissen, ein Mörder wird, zu mächtig sich steigern¬
der Wirkung bringen werde; was dann auch geschah. Als
der Vorhang fiel, stritten lärmender Beifall und Zischen
mit Pfeifen vermischt, lange um den Sieg. Und man ging
mit dem Gefühl, daß die Pfeifer, wenn auch nicht in der
Form, aber doch in der Sache eigentlich recht hatten; denn
ob es vernünftig ist, ein explosives Stück wie dieses gerade
jetzt aufzuführen, muß stark bezweifelt werden. Notwendig
ist es jedenfalls nicht.
27 JAN
Theater und Konzert.
d.— Nationaltheater. Im Kleinen Hause brachte
man am Samstag zwei Schnitzlersche Einakter,
die längere Zeit nicht mehr gegeben worden waren,
„Große
neueinstudiert heraus. Im ersten
handelt es sich bekanntlich um einen
Szene“ —
Heldenspieler, der auch im Leben nur Komödiant ist,
wie er in einer großen Szene beweist, die er dem
Bräutigam seiner Geliebten vorspielt. Steinrück
stattete die Rolle mit einer reichen Fülle von
fesselnden Einzelnheiten aus, nur möchten wir be¬
merken, daß wohl auch Heldenspieler nicht immer
nur auf den Tischen herumsitzen. In Frl. Bier¬
kowski, sowie den Herren Janssen und Stett¬
Das
ner hätte er vortreffliche Gegenspieler.
„Kakadu“ spielt zur
zweite Stück „Der gr
Zeit der französischen Revolution zu Paris in so einer
Art Verbrecherkeller, wo die entartete Pariser Aristo¬
kratie sich Renoczvous gibt, um dort das Grufeln
lernen. Die Verbrecher sind allerdings nur verkleibete
ler. Am Schlusse aber wird/s ernst.
Schau
rend man droben die Bastille stürmt, sticht unten einer
der Komödianten einen Herzog tot, den er bei seiner
Frau erwischte. Dieses Stück ist in erster Linie auf
Massenwirkung eingesiellt und man muß sagen, daß
sich diese turbulenten Auftritte unter Steinpücks,
Regie recht lebendig, farbig und malerisch entwickelten.“
In dem tollen Treiben standen als interessante Ein¬
zelleistungen besonders die Marquise der Frl. Lena,
der eifersüchtige Komödiant Janssens und der
„Tantenmörder“ Waldaus im Vordergrund.
Schlusse gab es eine Ueberraschung: ein Teil des Pu¬
blikums zischte recht vernehmlich und andauernd. Das
galt natürlich nicht der Darstellung, sondern dem
Stücke. Man zischte die französische Revolution aus,
wie es schien. Oder sollte man die deutsche damit ge¬
tion
meint haben? Wollte man durch diese
1
vielleicht betonen, daß man den fortwält
lutionsrummel satt habe und daß man
im Theater damit belästigt zu werden
Revolutionen können nämlich lang
wenn man zu viel Geschrei von ihnen
raus er¬
falls könnte aber die neue Bühnenleitung
sehen, daß es nicht unbedingt notwendig war, die
Schnitzlersche Revolutionsgroteske wieder ans Ram¬
penlicht zu zerren.
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28 JAN 1919
Schauer Neueste Nachrichten
München
du dessus.
e. Nicht ganz im Bilbe waren offenbar einige
Opponenten, die am Samtstag abend im Na-
tionaltheater, im kleinen Haus Schnitzlers.
Einakter Der grune Kakadu ein bißchen
an= oder auszuzischen versuchten. In der Mei¬
nung vielleicht, es handle sich hier um das Pro¬
dukt einer dramatischen Fingerfertigkeit, die be¬
reits den Anschluß an die neue Zeit gefunden
hat. Ganz abgesehen davon, daß dieser Einakter
schon im Jahre 1899 erschienen, also genau zwan¬
zig Theaterwinter alt ist, sollte die künstlerische
Qualität dieser Schnitzlerschen Impression aus
dem Vorabend der französischen Revolution das
farbige Werkchen bei jedem unbefangenen Zu¬
schauer vor dem Verdacht der Unsachlichkeit be¬
wahren. Die darstellerische Auffrischung des
Einakters, an deren Wirkung die Damen Lena
und v. Hagen, sowie Herr Jansen (Henri) und
(einspringenderweisa) Herr Steinrück Anteil
hatten, fand stärksten Beifall bei der überwiegen¬
den Mehrheit des Publikums.
Sollte gelegentlich im Nationaltheater eine
stoffverwandten,
eines
Wiederauführung
wenn auch ungleich kraftvolleren Werkes — ge¬
meint ist Büchners geniale Tragödie „Dan¬
o sel beute
tons Tod“ — beabsichtigt sein.
schon darauf hingewiesen, daß Büchmers Stück
im Jahre 1835 entstanden ist. Im Rahmen jener
spielt, und da soll niemand auf den Einfall kom-
men, diese Tat etwa der neuen Leitung des Na¬
tionaltheaters anzukreiden.
Kleine Chronik