III, Einakter 7, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 20

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7. Der gruene Kakadu
Angöburger Josezy
3-FER. 1919
DATESES
NOMMÉTÉE DÉGÉLE DÉFÉLÉRÉLES
dem Ausbruch der Liebesinbrunst zu einer deutschen Stu¬
Feuilleton.
dentin absehen: es summt der Terkessel und die Men¬
schen reden sich in eine wahre Elstase hinein wegen der
Münchener Nationaltheater.
Dinge, die hinter ihrem Rücken geschehen und in der Zu¬
Das Schauspiel hat über drei Ereignisse zu berichten.
kunft noch geschehen sollen. Die Onintessenz ist, daß sich
Er brachte im Kleinen Haus eine neu einstudierte
drei Frauen um einen Mann, drei Weibchen um ein
Aufführung von Schnissers Einaktern: „Die große
Männchen, raufen und anleisen Das Wertgesecht zwischen
zene“ und „Der grüne Kakadu“, zwei älteren
der russischen und der deutschen Studentin ist gar so
Stücken, über die bei ihrer Erstaufführung hier schon ge¬
nüchtern verstandesmäßig, daß dieser Akt kalt ab ällt gegen
suchen worden ist. Es gab diesmal einige Neubesetzungen.
den viel geschickter und strafser komponierten 1. Akt und
Schade, daß Intendant Schwanneke die Role des
die magere Handlung statt anzuschwellen, immer dürrer
Theaterdirektors im ersten Stück nun an Herrn Stett¬
und lebloser wird. Gespielt wurde gut. Frl. Bierkowski
ner abgetreten hat, dessen mauschelnder Jargon und sor¬
und Frl. Hohorst und Herr Janssen gaben ihr
Bestes.
cierter Humor auf die Dauer unerträglich ist. Herr Schwan¬
neke hatte eine viel gemütvollere, natürliche Art, und wir
Die Aufführung von Hebbels „Judith“ am 3. Fe¬
können es nicht verstehen, warum nun gerade er nicht meh:
bruar im Großen Haus sollte Frau Durieur in
uns erfreuen soll, während der Spielleiter, Herr Stein¬
der Titelrolle Gelegenh'it geben, sich dem Publikum vor¬
rück, den ganzen Abend nach seines Herz ns Lust auch
zustellen. Die übrige Besetzung war die bisherige,
nur
als Darsteller beherrschen darf. Das ist keine demokrati¬
fiel uns auf, daß Herr Steinrück als Holofernes dies¬
sche Gerechtigkeit, zumal Herr Steinrück wahrhaftig nicht
mal sich merkwürdig zurückhielt oder nicht recht im Zuge
jedermanns Geschmack ist. Wer wird den
.war. Das Publikum aperlandierte lebhaft dem Gast. Frau
künftig zähmen und seinem Hang zu Uebertreibungen. an
Durieux ist eine Indith, die hoch über den hiesigen Ver¬
denen er es wiederum nicht fehlen ließ, steuern? Das
treterinnen der Rolle steht. Sie hat sie zu ihrer Parade¬
Revolutionsstück „Der grüne Kakadu“ war sozusagen ganz
rolle gemacht und sich in ihr bereits im Künstlertheater
auf Provokation eingestellt, so daß es sogar eine politische
mit Paul Wegener und im Residenztheater mit Steinrück
Mißsallenskundgebung im Publikum heroorrief. Ein Zei¬
gezeigt. Mit ihrer großen Sprechkunst vermag sie beim
chen, wie vorsichtig auch eine Bühnenleitung bei dieser
ersten Hören zu blenden, aber gar bald gewinnt man den
Hochspannung der öffentlichen Meinung hantieren muß.
Eindruck, wie einstudiert alles ist und daß die Kraft der
Und welche sozial=pidagogische Bedeutung die Bühm hat!
Leidenschaft und des Pathos nur in ihrer Kehle sitzt.
Aehnlich war es bei dem Trama von Speyer „Der Revo¬
Ob diese eigenartige, eigenwillige und anspruchsvolle künft¬
lutionär“, wo eine Tirade gegen die Unfruchtbarkeit re¬
lerische Persönlichkeit sich leicht in das Ensemble ein¬
lutionärer Niederreißerei sofort auf of ener Stene l'bhaft
fügen und mit ihren Rivalinnen übereinkommen werde,
applaudiert wurde. Sehr gut war Herr Janssen im
ist eine Frage, die auch der Spielleitung erst die Praxis,
„Grünen Kakadu“. Frau v. Hagen hat ihre Rolle ver¬
beantworten muß. Zweifel sind sehr berechtigt. Demokralisch
wachsen. Die wäre etwas für Frrn. Rietscher, wenn diese
wäre es allerdings, wenn jetzt auch Herr Stein:ück selbst
Künstlerin sich im Sprechen und Benehmen nicht gar zu
irgendeinen, der „fremden Götter“, neben sich auf den
salopp gehen ließe.
Thron erken wurde. Aber darauf kann man lange
Am 1. Februar wurde im Kleinen Haus zum ersten
Male das Drama „Der Revolutionär“ von Wilh.
Speyer gegeben. Es ist nicht so blutrünstig, wie sein
Titel glauoen läßt, sondern mehr mit dem klügelnden
Verstand, als mit dem leidenschaftlichen Herzen geschrieben
und schildert den seelischen und sittlichen Zusammenbruch
eines russischen Freiheitshelden, der im Zwiespalt der
Liebe zu seinem Volke, zu einer Heimat und zu drei (1)
Frauen zuletzt zur obligaten Pistole greift und in den
Armen seiner schlampigen Studentenwirtin — es spielt
in Leipzig — seelenvoll verröchelt. Außer zwei Geisterere
scheinungen — den materiasisierten Gewissensbissen des
„Selben“ — passiert nichts auf der Szene, wenn wir von