III, Einakter 7, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 21

Kaka
7. Die gruene Natur¬
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Frankfurter Nachrichten
und Intelligenz Blatt
Frankfurt a. M.
Münchener Uraufführungen. Hatte im Natio¬
naltheater die Neueinstudierung von Schnitzlers
„arünem Kakadu“ unerwarteter Weise Zündstorf ins
Publikum geworfen, so daß sich Sympathien und Geg¬
nerschaft zu der Revolution in tosenden Kundgebungen
leidenschaftlicher Erregung Lust machten, so mußte man
der Aufführung eines unter russischen Studenten spie¬
lenden Dramas „Der Revolutionär“ von Wilh.
Speyer schon aus reinkünstlerischen Gründen mit
Besorgnis entgegensehen. Außer der höchst billigen
Prophezeiung, die in der Leipziger Studentenbude sam
Anfang des 20. Jahrhunderts) aus russischem Munde
fällt, daß auch Deutschland einmal seine Revolution
haben werde. blieb es ohne kunstmordende Aktualitäten.
Mit viel Kunst zeigt uns der Autor diese russischen
weichen Seelen, die von Menschenliebe und Demut er¬
füllt sind, während sie um ihrer „Idee“ willen nich
zögern Blut zu vergießen. Eine deutsche Studentin,
die den Russen liebt, sucht diesen zur Bürgerlichkeit
hinüberzuziehen. Der Revolutionär, der schon in dem
Glauben an seine Ideale wankend geworden ist, wird
durch die Liebe völlig bekehrt, besitzt aber am Ende nicht
die Kraft, die Verachtung seiner Gefährtin zu ertragen
und geht in den Tod. Neben der deutschen Studentin
steht ihr Bruder, ein dichtender Studiosus, der ganz im
Bann der Fremden, mit jenem echt deutschen Einüb¬
lungsbedürfnis, das unser nationaler Vorsug oder
unsere nationale Schwache ist. Vom Autor gilt ähn¬
liches und so ist das Uebergewicht doch einigermaßen bei
den Russen. Steinrücks Regie brachte alle Feinheiten
der Stimmungselemente und Jaussen gab die
schwankende Gestalt des Titelbelden packend. Der Dich¬
ter hat hier den Darstellern gut vorgearbeitet. Die
Gestalten sind voll psychologischer Einzelzäge, aber der
Autor hat sie kraftvoll zur Einhett verschmolzen. Seine
Menschen haben Blut und Leben, darin steckt m. E. der
Vorzug Speyers; weniger noch im dramatischen Bau.
an dem sich noch viel Episches zeigt. Die Aufnahme in
Anwesenheit des Dichters war stürmisch, fast über¬
schwänglich. — Geteilt war die Meinung des Publikums
über B. Stücklens Schauspiel „Purous“, im
Schauspielhause. Schon die Straße nach Steinaych
führte in der Pychologie hart in die Nähe des Sana¬
toriums. Purpus ist aus Liebe zu einer Unbekannten
zum erfinderischen Kaufmann geworden, der seinen
kleinen Laden zum Riesenwarenhaus umgestaltet hat.
in der Hoffnung, in diesem Geschäft, das alle Frauen
anzieht, auch einmal die Einzige zu finden. Das
„Glück“ wird ihm zuteil. Als Ladendlebin wird sie vor
ihn gebracht. Seine Liebe dadurch nicht abgekühlt, be¬
geht die größten Dummheiten. Das Mädchen ist vom
Stamme Lulus" Wedekinds und treibt den zärtlichen
Liebling der Frauen, der seine Vorräte verschleudert, in
den Wahnsinn. Pychologische Spitzfindigkeiten mischen
sich mit K odramatik. — In den Kammerspielen
hatte Wedetinds „Tod und Teusel“, obwohl Frau
Medelind mit Marls und Frl. Seidel sich für das dra¬
matische Traktat über das Freudenhaus sehr eifrig be¬
mühten, nur einen halben Erfolg.
L. G. O.
I. E. G. C.