III, Einakter 4, (Anatol), Abschiedssouper, Seite 9

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Ausschnitt
Nr. 44
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Ausschnitt aus: Leipzider Neueste Meunphiten
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vom 2- J0l. 1898
A. G. Ibsen=Theater. Der Mensch giebt oft freiwillig und leichten
Perzens einen Besin auf, den er eifersüchtig vertheidigen würde, wenn e
ihm gewaltsam entrissen werden sollte, oder den er bereits zu schätzen wisse
würde, wenn ein Anderer ihn nur seines Interesses für werth hielte. Diese
alten Erfahrungslatz lleidel MnmnScminter in seinem pikante
Einakter „Abschiedstouper“ in ein feuchtfröhliches Erlebni
in eine reizvolle Plauderei, in ein amusantes Tischgespräch. De
gute Anatel, dessen Bekanntschaft wir schen des Oeftere
gemacht, hat wieder einmal mehr Glück genossen, als er vertragen kamn
Während er noch auf die flotte Tänzerm Unnie einen gewissermaßen cor
tractlich geregelten Besitzanspiuch hat, gehört sein Herz bereits einer blur
jungen, zarten Fee aus den Vororten an, der zu Liebe er sich allabendlie
bis 10 Uhr in einem Vierlocale durch schlechte Cigarren anräuchern läß
um sich dann beim Champagner der Ballerina zu widmen. Doch die Seci
stunden sind ihm diesmal qualvoller als die Bierstunden, und er ist der ewige
Heuchelei gründlich müde. Die Eine möchte er gern los sein und die Ander
erringen, und keines von Beiden ist ihm bisher geglückt, in vollem Maß
geglückt, denn die Vorortsschöne ist bisher nur erst der Gegenstand seine
Wunsches. Heute Abend soll nun offen und ehrlich gebrechen werden. E
hat mit Annie s. J. ausgemacht, daß jeder der beiden Contrahenten berechtig
sein soll, das Verhältniß aufzuheben, sobald sein Herz eine Wandlung durchge
macht haben sollte, und von diesem Paragraphen willer Gebrauch machen. Z
laden, da er als alter Divlomat die Lücke, die er aufreißt, sofort wiever
schließen möchte — dem Freunde soll Annie feierlichst dedicirt werden. Ta
erscheint Annie. Sie kommt direct von der Bühne und hat ihm eine
Neuigkeit mitzutheilen — sie will den Liebescontract, den sie mit Anatol
geschlossen, aufheben, denn soeben hat sie gefühlt, daß ihr Herz einem
jungen, armen, aber bildhübschen Tänzer gehört. Anatol hat das Gefüh'
als falle er aus den Wolken —
sie setzt ihm den Stuhl
die Thür! Er ist empört, nein, er ist sogar eifersüchtig, rasend eifersüch:
auf den jungen Tänzer! Sein Besitz soll ihm ja genommen werden —
Für
Unur freiwillig hätte er ihn aufgegeben. Doch was hilft alle Rasere
24 Annie schluckt mit gutem Appetite eine Auster nach der anderen hinunfe:
und vertieft sich in Anatols guten Bordeaux, bis der gute Junge zur
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" 10 höchsten Wuth gereizt wird und der überraschten Annie entgegenschleudert,
auch er habe längst ein zweites Liebesverhältniß, aber es sei
das doch noch anderer Art, denn er habe sie, Annie, seit geraumer Zeit —
Abont
betrogen. Wie ein wüthender Löwe springt Annie auf. Das ist empörend,
Abonn
das ist rücksichtslos, das ist gemein, denn das habe ich Dir — so haucht
sie den guten Anatol an — nicht gesagt und hätte es Dir auch nie gesagt.
O weh! Anatol ist abermals geschlagen, selbst im unehrlichen Spiele, in
der Untreue übertrumpft. In scheinbarer Entrüstung will Annie von
dannen eilen, da begegnet ihr der Kellner mit der Vanillenerôme -
gierig greift sie nach ihrer Lieblingsspeise und mit vollem Genusse
löffelt sie das Schüsselchen aus. Armer Anatol! Eine Stärkere ist über Dich
gekommen. — In einem überaus gefälligen, spannenden Dialoge theilt
uns Schnitzler den kleinen Scherz mit, aber die Art, in der er dramatisch
zu plandern versteht, macht die kleine Sache zu einer Delieatesse, aus der
jeder sein Lieblingsgericht herausschmecken wird
— die Damen Vanille¬
crôme die Männer Austern und Bordeaux. In der Zierlichkeit und
Formschönheit ist auch dieser kleine Einacter gleich der erst jüngst
gedachten „Episode“ desselben Verfassers vorbildlich für den
Tialog des modernen Lustspieles. Unsere Darsteller, Herr Waldemar
als Anatol, Frau Helene Riechers als Annie und Herr Eugen Albu
als Mar gingen in der angenehmen Aufgabe auf, dem lustigen amusanten
Stücke Fleisch und Blut zu geben, denn Witz hat ihm der Dichter schon
hinreichend verliehen. Herr Waldemar in seiner legeren Art, Frau Riechers
in der drolligen Leichtlebigkeit der Ballerina, Herr Albu als belustigter
Dritter — sie Alle spielten ganz reizend, unh das Publicum brachte ihnen
laute Beifallsstürme. Das Ensemble des Herrn Dr. Heine konnte einen
weiteren Erfolg verzeichnen.