III, Einakter 1, (Anatol), Die Frage an das Schicksal, Seite 10

1. Die Frage an das Schicksal box 34/5
uung. Der Reichsbote
(Abend-Ausgabe)
esse: Berlin

um:


würde, und so tröstet er sich bei ihrem vorzeitigen hielt und in den „Denksteinen“ die Ueber¬
Schnitzler=Abend
raschung und spätere Entrüstung im „Ab;
Erwachen durch seinen Kuß mit dem Wort:
schiedssouper“, die bis zur völligen Appetit¬
„Die Weiber lugen auch in der Hypnose, aber
in der Königgrätzerstraße.
losigkeit fortschreitende Ernüchterung und in
sie sind glücklich dabei, und das ist die Haupt¬
„Literatur“, die zum Bruch treibende Ent¬
sache.“ Im zweiten Stück „Denksteine“
Das Theater in der Königgrätzer Straße
täuschung und Verdrossenheit über den Unge¬
veranlaßt eben diesen Anatol die Entdeckung
hielt es aus uns unbekannten Gründen für
zweier Edelsteine auf dem Schreibtisch einer
horsam der Geliebten trefflich herrausbrachte.
nötig, die Saison noch mit einem Einakter-Reigen
andern Geliebten zu einem ähnlichen Liebes¬
In dem ersten und dritten Stück sah er sich
gerade des Dichters abzuschließen, dessen blasierte
verhör. Mit der Auskunft die sie über den
dallei aufs wirksamste von Fräul. Orska
Müdigleit wohl jetzt am allerwenigsten in die
Rubin gibt, ist er allenfalls zufrieden, als sie
unterstützt, die als Cora wie als Annie zwei
Zeitstimmung hineinpaßt. Es holte den Anaiol¬
ihn aber über den Wert des schwarzen Dia¬
Zy#us Arzhur Schnitzlers hewvorg und servierte
lebensprühende, höchst glaubhafte Typen der
manten aufklärt, da schleudert er diesen ver¬
uns drei Einakter daraus, wie zu einem „Ab¬
Halbwelt mit sicheren Strichen umriß und
ächtlich in den Ofen und ihr selbst das Wort
schiedssouper“ der ziemlich ergebnislosen,
auch in ihrer unfreiwillen Komik drastisch zur
nunmehr beendeten Winterspielzeit, darunter
„Dirne!“ zu, denn er weiß jetzt, wessen Ge¬
Darstellung brachte. In den beiden anderen !!
das gleichnamige Stück selbst, das ehedem
liebte sie noch nebenher sein muß, wenn sie
Einaktern ruhte die Wiedergabe der Lieb¬
schon öfter im Spielplan anderer hiesiger
Juwelengeschenke annimmt, die eine Viertel¬
haberinnen in den bewährten Händen der
Bühnen erschien, wie auch das letzte Werk
million repräsentieren. Diese beiden Einakter
Irene Triesch. Hier galt es etwas feinere

des Abends, das Bohemestück „Literatur“.
waren uns allein neu und hier noch nicht be¬
Töne anzuschlagen trotz im übrigen gleicher
Es gehörte einige Selbstüberwindung dazu, sich
gegnet. Sie sind echte Schnitzler=Arbeit der
Sittenverderbnis, und die Kunst der beliebten
in den Dunstkreis der lebemännischen Erotik zu
oben gekennzeichneten Art und in ihrer Mache
Deuterin Hebbelscher und Ibsenscher Seelen¬
versetzen, der uns aus diesen typischen Schilde¬
ganz auf feinste dialektische Zergliederung des
prozesse blieb auch auf diesem neuen Felde
rungen des weichlichen, verliebten Jung=Wien
jeweiligen Motivs gestellt. Weiter aber auch
psychischer Analysen nicht hinter ihrer Aufgabe
und seines Sinentodex schwül entgegenströmt.
nichts. Das dritte Stück, das „Abschieds¬
zurück. Alexander Ekert gab in drei
Und wo es auch dieser nicht gelang, uns Inter¬
souper“, sozusagen die leckere Henkersmahls¬
Stücken diskret und weltmännisch den Haus¬
esse für die „Liebeleien“ dieser Salondrohnen
mahlzeit einer Balleteuse mit Anatol, bedarf
freund Anatols, im vierten den prahlerischen,
abzugewinnen, da fesselte wenigstens ein sein
nicht mehr der Inhaltsangabe, auch nicht die
unseinen Bohemien Gilbert, und vollendete
abgeköntes, den inneren Schwingungen des
wohl ebenso oft hier gegebene dekadente Salon¬
mit ihrer Charakteristik das ausgezeichnete
Leoensraffinements der Anatolgestalten bis in
plauderei „Literatur". In allen vier gab
Zusammenspiel, das tadellos in einander griff
die letzte Verästelung ihres komptizierten Seelen¬
Herr Eugen Burg den Liebhaber Anatol.
und sich stark genug erwies, das Hauptinter¬
lebens folgendes Spiel und entschädigte einiger¬
Am interessantesten wohl in dem Hangen und
esse von den faden Stücken hinweg auf sich zu
maßen für den Hautgont der nur leicht von ihrem
Alf. A.
Bangen, ja auch wohl Langen nach der Ge¬
konzentrieren.
gesellschaftlichen Firnis verhüllten sittlichen
wißheit über Coras Treue. Wie er hier sich
Fäulnis. In der „Frage an das Schick¬
immer wieder bei seinem Freunde Max Rats
!“ die den Abend eröffnete, handelte es sich
erholt, ehe er sich zur Schicksalsfrage ent¬
um den Mißbrauch einer Hypnotisierung, die
schließt, um sie dann doch nicht an die Ge¬
ein zweiselsüchtiger Liebhaber mit seiner Ge¬
liebte zu richten, das war ganz meisterlich und
liebten vornimmt, um ihr in diesem Traum¬
bildete den Hauptreiz der seelischen Belebung
zustand eine Art Liebesbeichte zu entlocken. Aber
seiner sonst vielleicht nicht ganz in der Gestalt
der Schwächling wagt im letzten Moment doch
des überfeinerten wienerischen Lebemannes
nicht die entscheidende Frage an Cora, weil ihn die
aufgebenden Leistung, die sich dann auch in
etwaige Gewißheit über die Untreue der Befrag¬
ien zu sehr aus allen seinen Himmeln wersen den andern Stücken etwa auf gleicher Linie