III, Einakter 1, (Anatol), Die Frage an das Schicksal, Seite 16

das
CkSAL
1. Die Frage an Sch1—
Zeitung Germania Morgen-Ausgabe
Adresse: Berlin
Datum:

——
Theater
— Theater in der Königgrätzer Straße. Der Mai ist ge¬
kommen; da werden auch an dieser Stätte des schweren Kamp¬
fes für schwere ewichte leichte Nichtigkeiten nachserviert,
kleine Einatler von Schnitzler. Dinge, die schon ein
wenig Patina aügesetzt haben. Es ist nicht Edelrost, dafür ist
der Stoff, auf em die Patina liegt, nicht gehaltvoll, nicht
sein genng ##ben doch gn=ost, der-ergessen macht, wohin
die Weichheit uab Schwächsheit der Themenbehandlung, die¬
ses juste Millen der Wicher Moderne der neunziger Jahre
und seiner Nachtreter, führt. Nichtigkeiten plätschern einmal
beschwingter, einmal langsamer vorbei; und man wundert sich
schließlich doch über die Formkunst des Causeurs, der einen
nicht nur um ein paar Stunden, sondern auch um die Aeuße¬
rung der eigenen Meinung herumgeplanscht hat.
Und doch, wenn's vorbei ist, der Nachgeschmack! Aber an
ihm war, das muß man Schnitzler zugeben, diesmal die
Darstellung mehr Schuld als der Schriftsteller.
Für diese
leichte Ware ist, wenn sie nicht ganz ins „prickelnd Unterhal¬
tende“ fallen soll, eine besonders liebevolle Herausarbeitung
der typischen Wiener Luft, der Weichheit und Süße der Stim¬
mung in diesen Menschen nötig. Sonst glaubt man ihnen die
Naivelät ihrer Leichtfertigkeit, die haltlose Hingabe an inhalt¬
lose Nichtigkeit nicht. Eugen Burg ist nicht Wien; Maria
Orska, Irene Triesch, Alexander Eckert, alle haben
nicht das eine, das einzig Notwendige: Wiener Blut. Wohl
taten sie ihr Besies. Aber sie deckten damit den Dichter nicht,
sondern stellten ihn bloß. Jeder flache Gedanke und jede
Schiefheit der Charaktere war glattweg da; die Zuschauer¬
schaft nahm das vielleicht als Würze des Abends; in der
„Frage an das Schicksal“ oder im „Abschiedssouper“ besonders
aber in „Literatur". Ganz schwach nur wirkten „Denksteine“,
schon weil sie am nächsten der geschriebenen Skizze stehen.
dp.
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Zeitung: Berliner Morgenpost
Adresse: Berlin
Datum: 8 Maligi
Arthur Schnitzler-Abend
im Theater in der Königgrätzer Straße.
„Anatol!“ „Schier dreißig Jahre bist du alt“ — und
zähltest, als du zur Welt kamst, höchstens fünfundzwanzig! Ein
Manschenalter ging über dich dahin! Dä hättest es vielleicht lächelnd
ertragen, wären nicht die Zeiten zu „böserletzt so andere geworden.,
Aber jetzt in diesen Stürmen des Welttrieges diese kändelnden Ge¬
nießerblüten von Wiener Anatol fus porzusetzen — es war wirk¬
lich kein glücklicher Einfall, meine Herren Direktoren Meinhard
und Bernauer!
Man will und mag ja gegen Arthur Schnitzler nichte sagen.
Er hat uns auch gestern manchmal mit Geist und Grazie erfreut,
hat uns verschmitzt mit Doppelsinnigkeiten geneckt und uns als gute
Freunde zuletzt wieder bchalten. Wir grüßen Dich, halkyonischer
Arthur Das bißchen Mehltau auf Deinen Haaren soll uns nicht
gar zu sehr betrüben — wir alle zahlen den Zoll des Irdischen.
Nur hätte man's nicht just jetzt uns in Erinnerung bringen sollen ...
Und auch die Künstler, die „Anatol“ und „Max“ diese mit
Liebeserfahrenheit kokettierenden, in bunten Glitzerweisheiten sich
bespiegelnden Lebejünglinge, vorzutäuschen hatten, waren beleibte
Herren gesetzten Alters — weil sie einmal jung gewesen! Vor
zwanzig Jahren wohl hätte man die Herren Burg und Eckert
in diesen Rollen sehen mögen. Jetzt boten sie bloß noch wenn
auch stattliche, beaug restes. Dann mimten die Damen Orska
und Triesch dazwischen, sollten nichtsnutzige, verliebte, und
immer noch liebenswerte Wiener Mädel sein.
Es gelang
ihnen nur sehr zum Teil. Die Triesch ist eigentlich auch
schon darüber hinaus. Und die Orska vermag sich nicht loszulösen
vom Ewig=Luluhaften. Was sie im „Abschiedssouper“ bot, war
ja gewiß raffiniert und springlebendig, nur in einer falschen Re¬
gisterlage. Man durfte nicht daran denken, welche Volksechtheit
und blutvolle Naivität die Riese einst in dieser Rolle zu zeigen
wußte — nun auch schon vor achtzehn Jahren!
Den drei „Anatol“=Schnörkeleien folgte, aus einer anderen
Schnitzler= Periode, ein vorsichtig frappierter und ausgekühlter
Seit, das witzreiche Lustspiel „Literatur" Man sah es oft
und hat sich immer wieder gut darin unterhalten, obwohl alles
ein wenig überspitzt und ironisch ausgeklügelt erscheint, Hier
waren die Triesch, Bure und Eckert besser am Platz, und
besonders letzterer schuf aus Vinem hierrülpsigen, verloiterten und
eitelleitgeblähten Münchener Literaten eine frappierend echte
F.gur.
F 8—9.