1. Gedichte
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Gd Oab
MANFRED GEORG: WORTE UBER SCHNITZLER
Heimat ist das Reich und die Größe der Persönlichkeit. Ihre Entdeckung
bedeutet die Stule, zu der die Geschichte der Prometheus-Gestalt durch Goethe
gelangt ist, auf der sie noch heute steht.
Worte über Schnitzler.
Aus einem Stenogramm Von Manfred Georg.
.Und über die Liebe Merias zu dem schönen, südamerikanischen
Gesandschaftsattaché war die Rede plötzlich auf Artnur Schnitzler gekommen.
Joachim, der Ingenieur, stupfte die schwelende Zigarette im Secher aus. „Nun
werdet ihr wieder schmärmen, Ich kenne das. Aber ihr vergeßft, daß die Zeit
der Flugzeuge und Anlennen eure Reden wesenlos gemacht hat!“
Andrée lächelle etwas darüber, wie Joachim unwillkürlich das lickelt
straller zog, als säße er am Steuerrad Dann warl sie den Kapf zurück, daß
eine kleine Wolke Parfüm aus dem buschigen Seidenhaar aufstäubte, und meinte:
„Ihr lügt ja alle, mit eurem Geschrei vom Kosmos, eurem Denken in Kontinenten,
eurem Dienst an der Menschheitsidee. Richtig, ihr seid herausgejagt aus eurer
Bequemlichkeit, ihr habt keinen Dichter, in dessen Schoß ihr euer Haupt legen
könnt. Da rettet ihr euch in den Heroplan einer Idee, steigt auf und glaubt,
weil ihr des Alllagsgewimmel mit einem Mal aus der Vogelschau scht, ihr
wäret ihm entronnen. Aber treibt euch der Wind an die Seite einer Frau, hat
sie immer wieder den Rätselkorb in den Händen. Mal gibt sie euch die
Rätsel, ’mal den Korb. Euch aber steht jeweils der Mund ollen. Und in
solchen Stunden kann es sein, daß ihr an den Bücherschrank geht und den
Schnitzler aufmacht, leise wie Kinder am Weihnachtsabend die Tür zum lest¬
lichen Zimmer, wo alles steht, wovon sie träumen.“
„Freilich, alle bösen wie guten Träume!“ warl Edmund ein und sein ver¬
narbter, kluger Börsianerschädel liel wehmütig nach vorn. „Ihr werdet ein¬
sehen, daß meine Tage nicht weißes Linnen oder beblümte Tapete umgrenzen,
daß mir Analols Lust schon lange verging wie Meerschaum auf heillem
Sonnenstrand. Hoer wenn ich ganz einsam bin und das Bild Henriettes als
Julia allein m.t mir in der Stube, wenn ich lühle, jetzt bin ich so abgeschnitten
von allem, daß ich ohne Zittern den Gashahn aufmachen kann, ann schlürl'
ich noch einmal die Schwermut, die unterirdisch auch die leichtesten Szenen
dieses Dichters durchgrollt, und genese an der dunklen Melancholie zu einem
neuen Tag. Was wißt ihr Jungen, wie Trüh sich Schnitzler schion der Erkenntnis:
Einsamkeit und Unendlichkeit gegenübersah.“
„Euch ist er der Schöpler, der eure zartesten Emplindungen ans Licht heben
konnte, ohne daß sie verblaßten. Und ihr wurdet ihrer voll süßer Bestürzung
gewahr!“ warl die Schauspielerin Elisabeth ein und ihre rehbraunen Augen
sahen nach innen, daß das Gold in ihnen verblich. „Mir gab es die Lösung
meines Lebens!“
Der Literat mit der schwarzen Hornbrille schob notierend die Augen brauen
höher und die schwarzhaarige Lix kuschelte ihren jünglingshaften Pantnerkopi
erwartungsvoll an die Kniee des vor sich hin Träumenden. „Weiß ich denn,
wer ich bin? Sie raten alle an mir herum. Doch er hat die Verse geschrieben:
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MANFRED GEORG: WORTE UBER SCHNITZLER
Heimat ist das Reich und die Größe der Persönlichkeit. Ihre Entdeckung
bedeutet die Stule, zu der die Geschichte der Prometheus-Gestalt durch Goethe
gelangt ist, auf der sie noch heute steht.
Worte über Schnitzler.
Aus einem Stenogramm Von Manfred Georg.
.Und über die Liebe Merias zu dem schönen, südamerikanischen
Gesandschaftsattaché war die Rede plötzlich auf Artnur Schnitzler gekommen.
Joachim, der Ingenieur, stupfte die schwelende Zigarette im Secher aus. „Nun
werdet ihr wieder schmärmen, Ich kenne das. Aber ihr vergeßft, daß die Zeit
der Flugzeuge und Anlennen eure Reden wesenlos gemacht hat!“
Andrée lächelle etwas darüber, wie Joachim unwillkürlich das lickelt
straller zog, als säße er am Steuerrad Dann warl sie den Kapf zurück, daß
eine kleine Wolke Parfüm aus dem buschigen Seidenhaar aufstäubte, und meinte:
„Ihr lügt ja alle, mit eurem Geschrei vom Kosmos, eurem Denken in Kontinenten,
eurem Dienst an der Menschheitsidee. Richtig, ihr seid herausgejagt aus eurer
Bequemlichkeit, ihr habt keinen Dichter, in dessen Schoß ihr euer Haupt legen
könnt. Da rettet ihr euch in den Heroplan einer Idee, steigt auf und glaubt,
weil ihr des Alllagsgewimmel mit einem Mal aus der Vogelschau scht, ihr
wäret ihm entronnen. Aber treibt euch der Wind an die Seite einer Frau, hat
sie immer wieder den Rätselkorb in den Händen. Mal gibt sie euch die
Rätsel, ’mal den Korb. Euch aber steht jeweils der Mund ollen. Und in
solchen Stunden kann es sein, daß ihr an den Bücherschrank geht und den
Schnitzler aufmacht, leise wie Kinder am Weihnachtsabend die Tür zum lest¬
lichen Zimmer, wo alles steht, wovon sie träumen.“
„Freilich, alle bösen wie guten Träume!“ warl Edmund ein und sein ver¬
narbter, kluger Börsianerschädel liel wehmütig nach vorn. „Ihr werdet ein¬
sehen, daß meine Tage nicht weißes Linnen oder beblümte Tapete umgrenzen,
daß mir Analols Lust schon lange verging wie Meerschaum auf heillem
Sonnenstrand. Hoer wenn ich ganz einsam bin und das Bild Henriettes als
Julia allein m.t mir in der Stube, wenn ich lühle, jetzt bin ich so abgeschnitten
von allem, daß ich ohne Zittern den Gashahn aufmachen kann, ann schlürl'
ich noch einmal die Schwermut, die unterirdisch auch die leichtesten Szenen
dieses Dichters durchgrollt, und genese an der dunklen Melancholie zu einem
neuen Tag. Was wißt ihr Jungen, wie Trüh sich Schnitzler schion der Erkenntnis:
Einsamkeit und Unendlichkeit gegenübersah.“
„Euch ist er der Schöpler, der eure zartesten Emplindungen ans Licht heben
konnte, ohne daß sie verblaßten. Und ihr wurdet ihrer voll süßer Bestürzung
gewahr!“ warl die Schauspielerin Elisabeth ein und ihre rehbraunen Augen
sahen nach innen, daß das Gold in ihnen verblich. „Mir gab es die Lösung
meines Lebens!“
Der Literat mit der schwarzen Hornbrille schob notierend die Augen brauen
höher und die schwarzhaarige Lix kuschelte ihren jünglingshaften Pantnerkopi
erwartungsvoll an die Kniee des vor sich hin Träumenden. „Weiß ich denn,
wer ich bin? Sie raten alle an mir herum. Doch er hat die Verse geschrieben:
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