Gedichte
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ARTHUR SCHNITZLER: SPRUCHE IN VERSEN
Es Iließen ineinander Traum ued Wachen, — Wahrheit und Lüge. Sicherheit
ist nirgends. — Wir wissen nichts von andern, nichts von uns, — wir spielen
immer, wer es weiß, ist klug.“ Und sie erhob sich, zog das braungelbe Batik¬
tuch enger um die zierlichen Schultern, ging schweigend zum Fenster und sah
auf die weißllich im Mondlicht Hlimmernde Stadt hinab.
Andrée hob die Hände wie schwörend gegen Joachim: „Wir werden ihn
immer lieben!“ Joach’n., Mlander Jungenschädel nickte: „Ja, das werdet ihr, ihr
Frauen. Denn er hat ## zu gebracht, daß wir euch schen wie Flaubert
Goyas tödliche Maja: zitternde Süße in den Gelenken, daß wir wanken.“
Doch Robert, der Vierzigjährige, warf seine Stimme breit wie ein Schwert
dazwischen: „Und ihr, Joachim, werdet euch ihm gas. hingeben, wenn ihr er¬
kennen werdet, daß der Mann der Held dieses Lebens und Werkes ist. Dessen
Schöpfer noch einmal, das letzte Mal, in dieser in Trümmer gehenden Zeit das
bischen Lebensfarbe grau werdenden Himmels entschöpfte und aus Skepsis,
Wehmut, Wiener Wald und Pariser Duft, aus lbsens Herbheit und Hebbels
Glockenton eine Symphonie schul, mit deren letztem Klang unser Jahrhundert
und auch das eure, Joachim, denn noch ihr und eure Kinder seid Verdammte
dieser Zeit — gestorben sein wird.“
Niemand antwortete. Am Flügel schlug Edmund zwei dunkle Akkorde on.
Sprüche in Versen.
Wie kommts, daß um den neuerglühten Stern
Sie gar so laut und jubelnd sich gebärden?
Sie abnen jenes reinere Glück nicht fern:
So recht im Horzensgrund enttäuscht zu werden.
Wie Stolz er sitzt, die Füße kaum im Bügel,
Verwegnen Blicks und mit verhängtem Zügel.
Vor allen andern käm sein Roß ans Ziel, —
Wär's nicht aus Holz und stünd im Ringelspiel.
Vom Wirbel großer Zeit erlaßt, —
So stürmt Ihr weiter ohne Rast.
Nur ich bir stehn geblieben.
Und was Euch in der Kram nicht paßt,
Das hab ich nicht geschrieben.
Arthur Schniteler.
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ARTHUR SCHNITZLER: SPRUCHE IN VERSEN
Es Iließen ineinander Traum ued Wachen, — Wahrheit und Lüge. Sicherheit
ist nirgends. — Wir wissen nichts von andern, nichts von uns, — wir spielen
immer, wer es weiß, ist klug.“ Und sie erhob sich, zog das braungelbe Batik¬
tuch enger um die zierlichen Schultern, ging schweigend zum Fenster und sah
auf die weißllich im Mondlicht Hlimmernde Stadt hinab.
Andrée hob die Hände wie schwörend gegen Joachim: „Wir werden ihn
immer lieben!“ Joach’n., Mlander Jungenschädel nickte: „Ja, das werdet ihr, ihr
Frauen. Denn er hat ## zu gebracht, daß wir euch schen wie Flaubert
Goyas tödliche Maja: zitternde Süße in den Gelenken, daß wir wanken.“
Doch Robert, der Vierzigjährige, warf seine Stimme breit wie ein Schwert
dazwischen: „Und ihr, Joachim, werdet euch ihm gas. hingeben, wenn ihr er¬
kennen werdet, daß der Mann der Held dieses Lebens und Werkes ist. Dessen
Schöpfer noch einmal, das letzte Mal, in dieser in Trümmer gehenden Zeit das
bischen Lebensfarbe grau werdenden Himmels entschöpfte und aus Skepsis,
Wehmut, Wiener Wald und Pariser Duft, aus lbsens Herbheit und Hebbels
Glockenton eine Symphonie schul, mit deren letztem Klang unser Jahrhundert
und auch das eure, Joachim, denn noch ihr und eure Kinder seid Verdammte
dieser Zeit — gestorben sein wird.“
Niemand antwortete. Am Flügel schlug Edmund zwei dunkle Akkorde on.
Sprüche in Versen.
Wie kommts, daß um den neuerglühten Stern
Sie gar so laut und jubelnd sich gebärden?
Sie abnen jenes reinere Glück nicht fern:
So recht im Horzensgrund enttäuscht zu werden.
Wie Stolz er sitzt, die Füße kaum im Bügel,
Verwegnen Blicks und mit verhängtem Zügel.
Vor allen andern käm sein Roß ans Ziel, —
Wär's nicht aus Holz und stünd im Ringelspiel.
Vom Wirbel großer Zeit erlaßt, —
So stürmt Ihr weiter ohne Rast.
Nur ich bir stehn geblieben.
Und was Euch in der Kram nicht paßt,
Das hab ich nicht geschrieben.
Arthur Schniteler.