2 Benerkungen box 35/2
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Bemerkungen.
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Von Arthur Schnitzler.
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ein
Jede in sich geschlossene Meischengruppe stellt
be¬
n¬
das
eine dumpfe, doch jedem Einfluß zugängliche Masse
die
dar aus der unter der Einwirkung nicht nur von
ge
Ereignissen, sondern auch von Schlagworten das
im
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Verschiedenartigste zu machen ist. zum mindesten das
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scheinbar Verschiedenartigste: Oeldenscharen und
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Horden blutrünstiger Bestien; Patrioten oder Hoch¬
ni
verräter; und ganz die gleichen Individuen können
son
sein, und sind es manchmal, die gestern ihrem ig
es
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Monarchen zugejubelt haben und heute dem Henker
m
zujauchzen, der ihnen das abgeschlagene Haupt des
ser
Gerichteten entgegenhält, der gestern ihr König war
u
Diese Leute wetterwendisch, heuchlerisch, verraterisch
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r
zu nennen bedeutet nicht so sehr eine Ungerechtig¬
er¬
keit als eine Ueberschätzung. Denn verschwindend
##.
klein ist die Anzahl der Menschen, die zu irgend¬
1d
einem Prinziv, zu irgendeiner Sache. zu irgend¬
es bestünden denn
einem anderen Menschen
Bande des Blutes oder Interessengemeinschaften
ke
eine echte, avrioristische, verstandes= oder gefübls¬
u
mäßige Beziehung haben.
vi
Fast fühlt man sich versucht, jede in sich ge¬
m
schlossene Menschengruppe nicht als eine Summe
1
von Individuen, sondern als ein Element zu be¬
trachten; — ein Element, wie Feuer. Wasser. Luft ne
n
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Giauut
725
1
und Erde. Und Aufgabe des Menschen wird es
immer sein, die Menschheit, ebenso, wie er es mit
anderen Elementen mehr oder weniger erfolgreich
immer wieder versucht, den höheren Zwecken der
Entwicklung dienstbar zu machen.
Aus Menschenverachtung in die Einsamkeit
flüchten oder sich völlig auf und in sich selbst zurück¬
ziehen, ist selten ein Zeichen von Kraft oder Größe,
weit öfter von Tragheit oder Hochmut. Menschen¬
liebe predigen — keineswegs immer ein Beweis von
Güte oder Weisheit, sondern öfter von Rührselig¬
keit. wenn nicht gar Geistesschwäche. Würdiger des
einzelnen, als zu verachten, nützlicher für die Ge¬
samtheit, als sie zu lieben, ist es, daß jeder seiner
naturgewollten Dazugehörigkeit und der hieraus
folgenden Pflichten sich bewußt werde und danach
Dertereeichische Vosksschp
Wc
Ml. 22—1
seitung
Theater und Kunst.
„Bemerkungen“ von Artur
6
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Aus dem „Altänuch des Deutschen Volks¬
theaters“.
Ein ganz reizendes Büchlein kommt uns aus dem
Deutschen Volkscheater zu: Der erste Jahrgang des
von seinem Dramaturgen Heinrich Glücksmann
und dem Spielleiter Friedrich Rosenthal zu¬
gunsten des Penzionsfonos der Mitglieder heraus¬
gegebenen Almanachs. Er enthäk Beiträge von fast
allen lebenden Dichtern des Volkstheaters. Den Anfang
macht ein Toter, aber Unsterblicher: Ludevig Anzen¬
gruber. Aus seinem Nachlaß werden Bemerlungen
über das Wesen der Zenfur mitgeleilt. Ueberaus ge¬
schmackvoll ist die Ausstattung des Büchleins, daß sich
auch in seinem Kleide als ein kleines Kunster!
darstellt. (Preis 15 K., im Vollstheaetr und in den
Kammerspielen erhältlich.)
Einen der hüdschesten Beiträge hat Artur
Schnitzler geliefert. Er ist „Bemertungen“ betitelt.
Wir geden ihn hier wieder.
Es ist übel in der Welt eingerichtet, daß auch die
größten Künstler nur zeitweise ihr ganzes Genie zur
Verfügung haben, daß sich aber auch die kleinsten
Schurken im ununterbrochenen Besitz ihres Charakters.
befinden.
Wer Humor hat, der hat beinahe schon Genie.
Wer nur Witz hat, der hat meistens nicht einmal den.
Im heiteren Drama pflegen die Autoren meist
##r die Mängel ihres Charakters, im ernsten die ihres
Verstandes zu verraten.
Nur derjenige Künstler vermag ein reines Dafein
n der Welt zu führen und zugleich reinliche künsclerische
Arbeit zu leisten, der sich zu den von ihm geschaffenen
Bestalten in ein menschliches, und zu den Menschen,
uit denen er lebt, in ein künstlerisches Verhältnis zu
etzen weiß.
Das Publikum ist viel gescheiter als es selder
faubt. Aber man darf es ihm nicht verraten, denn
onst wird es noch frecher als es ist.
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ziehen, ist selten ein Zeichen von Kraft oder Größe,
weit öfter von Tragheit oder Hochmut. Menschen¬
liebe predigen — keineswegs immer ein Beweis von
Güte oder Weisheit, sondern öfter von Rührselig¬
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samtheit, als sie zu lieben, ist es, daß jeder seiner
naturgewollten Dazugehörigkeit und der hieraus
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Theater und Kunst.
„Bemerkungen“ von Artur
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Ein ganz reizendes Büchlein kommt uns aus dem
Deutschen Volkscheater zu: Der erste Jahrgang des
von seinem Dramaturgen Heinrich Glücksmann
und dem Spielleiter Friedrich Rosenthal zu¬
gunsten des Penzionsfonos der Mitglieder heraus¬
gegebenen Almanachs. Er enthäk Beiträge von fast
allen lebenden Dichtern des Volkstheaters. Den Anfang
macht ein Toter, aber Unsterblicher: Ludevig Anzen¬
gruber. Aus seinem Nachlaß werden Bemerlungen
über das Wesen der Zenfur mitgeleilt. Ueberaus ge¬
schmackvoll ist die Ausstattung des Büchleins, daß sich
auch in seinem Kleide als ein kleines Kunster!
darstellt. (Preis 15 K., im Vollstheaetr und in den
Kammerspielen erhältlich.)
Einen der hüdschesten Beiträge hat Artur
Schnitzler geliefert. Er ist „Bemertungen“ betitelt.
Wir geden ihn hier wieder.
Es ist übel in der Welt eingerichtet, daß auch die
größten Künstler nur zeitweise ihr ganzes Genie zur
Verfügung haben, daß sich aber auch die kleinsten
Schurken im ununterbrochenen Besitz ihres Charakters.
befinden.
Wer Humor hat, der hat beinahe schon Genie.
Wer nur Witz hat, der hat meistens nicht einmal den.
Im heiteren Drama pflegen die Autoren meist
##r die Mängel ihres Charakters, im ernsten die ihres
Verstandes zu verraten.
Nur derjenige Künstler vermag ein reines Dafein
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Arbeit zu leisten, der sich zu den von ihm geschaffenen
Bestalten in ein menschliches, und zu den Menschen,
uit denen er lebt, in ein künstlerisches Verhältnis zu
etzen weiß.
Das Publikum ist viel gescheiter als es selder
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onst wird es noch frecher als es ist.