IV, Gedichte und Sprüche 4, Der Geist im Wort und der Geist in der Tat, Seite 13

Der Geist in Wort und der Geist in der Tat box 35/4
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
Teleion: Norden 3051
BBRLIN N4
Ausschnitt aus:
Prager Presse, Prag
17. März 1927


#er das ist, der göttlichen Region überantwortet, oder
den Berufsjournalisten der leuflischen; im Gegenteil,
er hält den sogenannten großen Journalisten kaum
Titeratur
je für den Urtypus Journalist, sondern für den Ty¬
pus Historiker, Staatsmann oder Politiker. Was den
Dämonologisches.
Staatsmann vom Politiker, den Dichter vom Lite¬
TrhurSnütlesht im Berliner Verlag
raten (die beiden sind voneinander von Dreieckspitze
S2Fischer ein 60 Seiten füllendes Büchlein heraus¬
zu Dreieckspitze also am weitesten entfernt), den
ageven, das „Der Geist im Wort und der
Priester vom Pfaffen unterscheidet, ist — die Ent¬
#fernung von weißer zu schwurzer Magie; Schnitzler
[Geist in der Tat“ betitelt ist und sich als „vor¬
nimmt diese Worte nicht in den Mund aber sie
Fäufige Bemerkungen zu zwei Diagrammen“ kund= 0%
drängen sich dem Betrachter auf und erklären besser
gibt. Auf diese beigefügten Diagramme („Der Geist
Dr. Max Goldschmidt
als Definitionen, was gemeint ist: in dem satani¬
im Wort' und „Der Geist in der Tat'') kommt es
schen Bereich herrscht die Ichsucht, der Anlaß, die
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nun in Schnitzlers platonischem System zu aller¬
Gelegenheit, die Sensation, der Vorteil, im gött¬
erst an. Der Verfasser nimmt eine Reihe von
lichen Bereich erduldet man sein Schicksal und lauscht
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BERLIN N4
„unveränderlichen Geistesverfassungen“ an (die
seiner Berufung. Schnitzler deutet an, daß er die Ur¬
typen für gegeben hält, daß sie aber im Individuum
nichts zu tun haben mit Begabung oder Beruf und
Ausschnitt aus:
nie rein vorkommen, sondern daß Mischungen ge¬
bloß initiv zu erkennen seien) und spaltet die Man¬
wöhnlich, vielleicht sogar notwendig sind. Dennoch
nigfaltigkeit der tatsächlichen Erscheinungen in zwei
Prager Tagblatt
sei klare Scheidung der Begrisfe ersorderlich
streng gegeneinander abgegrenzte Hälften: eine
Gleichewweise zeigt ein weiteres Diagramm die
göttliche und eine teuflische. Jener, der „positiven",
Urlypen des Geistes und der Tat. Hier sind die
der „dämonischen" Schicht werden als Einzeltypen
Basispunkte links Entdecker und rechts Mathematiker
eingeordnet die Kategorien: Priester, Philosoph,
im oberen Bereich, Abenteurer und Spekulaut im
19. bärt 1927
unteren. Vom Entdecker führt der linke obere Scheu¬
Staatsmann, Historiker, Dichter (auf der zweiten
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kel über den Führer zum Helden a
Tafel: Seefahrer, Brückenbauer, Feldherr, Natur¬
obere vom Helden über den Forscher zum Mathe¬
Ein philosophisches Buch
furscher, Held); das „negative“ oder „satanische“
matiker zurück. Teuflisches Bereich: vom Abenteurer
Gebiet umfaßt die Typen: Pfasse, Sophist, Politiker,
von Arthur Schnitzler.
über den Tyrannen zum Hochstapler (Dreieckspitze),
an
A
Journalist, Literat (auf dem zweiten Diagramm:
von da über den Lnackfalber zum Spektlanten zurück.
Wer Schnitzlers Werke lennt, ddaß er
Spekulant, Diktator, Quacksalber,
Beziehungen zwischen den beiden Diagrammen,
Abenteurer,
nicht bloß der unbewußte Gestalter ist, der in einem
Schwindler). Das interessanteste also, um nur vom:
zwischen Wort und Tat. stellen sich in reichem Maß
heiligen, aber dunklen Wahn schafft, sondern auch ein
ein. Das Wesentliche aber für die Beurteilung der
„Geist im Wort' zu reden: zwischen den einander
überlegener Betrachter, warmer Beurteiler und Den¬
Kenntnis des Geistesmenschen ist nicht Beruf, nicht
am nächsten stehenden Typen=— zwischen dem Prie¬
ker. Seine zahlreichen Freunde werden daher nicht
Begabung, nicht Seelenzustand, sondern die Gei##
überrascht, wohl aber erfreut sein, wenn sie nun auch
ster und dem Pfaffen, zwischen dem Philosophen und
verfassung, als deren Repräsentaut er in der ######
eine philosoplische, charakterologische Untersuchung
dem Sovhisten — eine unüberbrückbare Kluft; der
der Erscheinungen auftritt. Diese Geistesverfassung
Schnitziers zu lesen bekommen, ein nur sechzig Seiten
Staatsmann dem Politiker, der Historiker (vielmehr
ist angeberen, aber als das tiefste Element der Per¬
starkes, aber bezeichnendes Werk mit dem Litt Der
der mit einem lebendigen Sinn für geschichtliche Zu¬
sönlichkeit bleibt sie dem Kenner am längsten ver¬
Geist im Wort und der Geist in der Tat“:
sammenhänge Ausgestattete) dem Journalisten oder
borgen. Auch hier ist somit abermals, wenn aucht
Untertitel: „Vorläufige Bemerkungen zu zwei Dia¬
nicht ausdrücklich, als den Gegensatz zwischen Licht
„Aktualisten“ entgegengesetzt; und besonders: der
grammen.“ Das kleine Buch ist im Verlag S. Fischer
und Tunkel hingewiesen. Sicherlich hat diese Studie
Dichter, als Widerpart des Literaten, an den Pro¬
erschienen und zeigt auf einer beigehefteten Tafel die
Schnitzlers alle Mängel, die jeder Charakterologie,
pheten herangerückt und dem Begriff Gottes höchst
schematischen Darstellungen.
In einem kurzen Vorwort bittet Schnitzler, dieses jeder Abstraktion überhaupt. von Anfang anhaften.
nahestehend. Nun, der Verfasser der „Literalur“=
Buch bloß als einen Versuch zur „Aufklürung schein= Bei der Erkenntnis des Mitmenschen beginnt das
Satire hat ja Grund, das Literatenhafte dem sala¬
barer Widersprüche“ anzusehen, „die uns immer wie= Reich des Glaubens, der Intuition, die von selbst ur
nischen Element der Welt zuzurechnen, dem auch der
Liebe führt. Und so wird, durch Erke#tnis und Be¬
der bei der Betrachtung und in der Beurteilung von
Journalismus beigesellt wird (wohlgemerkt als Gei¬
kenntnis, auch der Dichter Schnitzler hier noch mehr
Individuen zu verwirren pflegen, als welche diese
Paul Stefan.
stesverfassung, beileibe nicht als Beruf) und als des¬
liebenswert.
Urtypen in der Welt der Erscheinungen aufzutreten
sen Aeußerungen auch Witz und Satire aufgesaßt
genötigt sind" Urtypen des meischlichen Geistes sind
ihm gewisse Manifestationen des Wort= und des
werden (recht im Gegensatz zum Humor, der in der
Tatgeistes, die er eben in den beiden Diagrammen
Ausder Werkstattdes Verlegers
gotthaften Sphäre schwebe). Schnitzler verschmäht es,
festzuhalten und in einigen Erläuterungen darzu¬
seine Theorie durch konkreie Beispiele zu illustrieren,
„Lebensfahrten eines Wektenbummlers“ heißt der
stellen unternimmt.
auch weiß er, haß es kein Individuum gibt, das einen
neue Roman von Joseph Delmont (Verlag Greth¬
Geist im Wort: Zwei Dreiecke, einander entgegen¬
Typus voll und rein repräsemiert. Nimmt man hin¬
lein & Co., Leipzig). in dem der Held, ein Wiener.
stehend, mit gemeinsamer wagrechter Basis. Das Drei¬
zu, daß die von ihm gewählten Schlagworte in an¬
hinauszieht in die Welt und alle Abenteuerlich¬
eck über dieser Basis hat das positive, ins Göttliche,
derer Bedeutung genommen sind als die ihnen im ge¬
keiten des Lebens in allen fünf Erdteilen michtmacht.
das untere das negative ins Teuflische, gerichtete
Wöhnlichen Sprachgebrauch zukommt, wird man des
Gebiet des menschlichen Geistes zu bedeuten, sofern¬
A. B.
„Die erste Million — die schwerste.“
er sich im Wort kundgibt. An den beiden Endpunkten
spekulatzv konstruktwen Clara#e#s dieser Typologie
der führende Großindustrielle
Farquhar,
der Basis stehen oben der Typus Priester und der
gewahr, die eher den Namen einer „Mothologie“
auf dem Gebiete landwirtschaftlicher Maschinen,
Typus Philosoph. unten der Typus Pfaise und der
hat unter diesem Titel im Verlag Grethlein & Co.
verdienen würde. Auf jeden Fall ist man verblüfft,
Typus Sophist. Und nun führt der linke obere Drei¬
(Leipzig) eine Autobiographie erscheinen lassen, die
— den Parazelsus=Dichter eine so streuge Unterschei¬
eckschenkel über den Staatsmann zum Dichter, der
kein Rezept gibt, sondern in einfacher, lebendiger
rechte, also Teuflische untere über den Politiker zum
und humorvoller Schilderung die Lebensbeschrei¬
Literaten; der rechte obere von der Spitze, vom Dich¬
dungslinie zwischen „Alchimisten“. (Quacksalbern)
bung eines Mannes bringt, der sich vom Lehr¬
ter über den Historiker, zu dem Philosophen der
jungen zum Teithaber und schließlich zum Dollar=1
und „Naturforschern“ (Heilkünstlern) zieben zu
Basis; der rechte untere vom Literaten (Spitze) über
Omillionär hinanfarbeitet.
sehen, auf keinen Fall hätte man dem Dramatiker des
den Journalisten zum Sophisten der Basis. Historiker.
„Weiten Lands“ einen derartig religiös zugespitzten
ist hiebei der Kontinnalist, der Typus, der in Zu¬
Dualismus zugetraut, der die Welt Gottes von der¬
sammenhängen lebt. Journalist oder Aktualist d##
Typus, der nur im Tag, ja im Augenblick lett.
jenigen des Teufels, die Begnadeten also von den
Ueberhaupt versichert Schnitzler, daß er nur Tytkn
Verdammten so reinlich und so richterlich sondern
schildert, weder Berufe noch Individnen, daß #er
will. Ja, wenn es nicht eben Aufgabe des intuitiven
also nicht etwa einen Professor der Geschichte, Heil
Dichters wäre (wie wir sie z. V. aus Schnitzlers
Werken abstrahieren können), die feinsten Uebergänge)
aufzuspüren, die von der Plus= zur Minusseite hin¬
überleiten; ja, wenn uns nicht ein anderer Charak¬
terologe, mit Namen Dostojewskij, belehrt hätte, in
einem jedem Menschen sei „Göttliches“ und „Teufli¬
sches“ derart durcheinandergeworfen, daß es jeglicher
simwilzierender Seelen=Geometrie spotte! Lt,

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