IV, Gedichte und Sprüche 5, Bemerkungen mit Fragezeichen, Seite 4

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5. Benerkungen nit Frag

(die weniger verbreitet sind als die freundlichen Uberschätzer eben¬
dieser Menschheit ihr zu schmeicheln pflegen), als in den allgemein
menschlichen Eitelkeiten und Angstgefühlen. Und es gibt keine
Torheit, durch die sich die Menschen nicht — für Augenblicke
wenigstens — interessanter machen wollten, als es ihnen in ihrem
armen, vermutlich doch nur einmaligen Leben vergönnt zu sein
pflegt.
Falschspieler —?
Iehmen wir einmal an, du setztest dich mit deinem Partner
zum Kartenspiel nieder, und eine Weile würde anständig, den
Regeln nach und ohne Zank gespielt. Wie nun, wenn in irgend¬
einem Augenblick, da du eben mit deinem As den König des andern
stechen wolltest, dein Partner behauptete, daß nicht das As, sondern
der König die höhere Karte bedeuter? Oder daß es gar nicht das
As sei, das du in Händen hieltest, sondern die Dame, oder der
Siebner oder ein weißes Blatt? — Oder wenn er es als einen Grund¬
irrtum der überhaupt höchst reformbedürftigen Spielregel be¬
zeichnete, daß man gerade das As als höchste Karte gelten ließe? —
Oder wenn er gar erklärte, daß eine Karte sich unter Umständen
in eine andere verwandeln könne, da ja bei Gott kein Ding unmög¬
lich sei? Und wenn er, falls du solches zu bezweifeln wagtest, dich
beschuldigte, daß es dir an Demut mangle und daß sein König schon
deshalb etwas Höheres bedeute als dein As, weil er eben die Gnade
habe, du aber nicht? — Oder wenn er, deines Widerstandes müde,
einfach die Karten hinwürfe: es sei ja nur ein Spiel und darum
nicht ernst zu nehmen — und wenn er sich mit dieser Begründung
weigerte, dir deinen Gewinst auszuzahlen?
Unsinnige Beispiele, meinst du? Keineswegs. Immer wieder bist
du als redlicher Mann Abenteuern solcher Art ausgesetzt, wenn du
dir’s einfallen läßt, dich mit einem unlautern Gegner in ein religiöses,
auch wohl in ein philosophisches oder politisches Gespräch einzu¬
lassen. Denn im Geistesspiel gibt es noch öfters unehrliche Partner
als am Kartentisch; und solche Falschspieler des Geistes gebärden
sich um so unverschämter, als sie immer wieder Leute finden, die
sich aus Dummheit, aus Snobbismus oder in der Erwartung bei der
Sache auch ein Geschäft zu machen, auf die Seite jener unredlichen
Spieler stellen und mindestens deren guten Glauben, wenn nicht gar
ihr gutes Recht zu beschwören bereit sind.
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