itungsau
„
Gegensat
t durch
frei die
lungen zu suchen. Er findet sie
in nächster Nähe, eng mit unserem
socialen und moralischen Zustande
verbunden, gewiss von sehr vielen
schon empfunden und durchlebt,
aber noch von keinem dargestellt
und dichterisch gestaltet. Die No¬
velletten dieser Sammlung sind nicht
gleichwertig. Doch trägt jede den
Stempel des Verfassers. Schnitzler 7.50)
inclusive
sucht nicht lange nach psycholo- 14.—
rto.
gischen Problemen. Er sucht aber 25.—
Zanlbar
im Voraus
auch nicht lange nach Menschen, 55.—
die darin verwickelt werden. Nicht 100.—
Prachtexemplare, in denen sich ein dusschnitte ist das
auch steht es den
derartiger Process mit typischer, zu ändern.
Reinheit vollzicht, bietet er uns.
Er gräbt nicht nach Gold, um uns
endlich einen grossen Würfel zu
zeigen. Seine Arbeit ist die des
Goldwäschers, der aus sehr viel
Wasser Sandkörner des Edelmetalls
gewinnt. Wie der moderne Maler
dem Pittoresken, Mächtigen in der
Natur gerne ausweicht, um dem un¬
scheinbaren Objecte seine Poesie
abzulauschen, so trachtet Schnitzler
in jene Tiefen des Alltagsmenschen
hinabzuleuchten, aus denen auch
von ihm ein, wenigstens ephemerer,
dichterischer Glanz ausstrahlt. Als
die vollendetste unter diesen Er¬
zählungen erschien uns die letzte:
„Die Todten schweigens. Hier ist
ein äusserlich sehr wahrscheinliches
Ereignis und wie es mit zwingender
Kraft umbildend auf eine Frauen¬
seele wirkt, mit ungewöhnlicher
dichterischer Feinheit und Kraft
überzeugend und eindrucksvoll dar¬
gestellt. Im Ehrentage wird eine
tragikomische Episode aus dem
Milieu des Bühnenvölkchens in sehr
charakteristischer Art erzählt. Ab¬
schiede bedeutet die sinnreiche
Aufstellung einer psychologischen
Zwickmühle. In der Frau des
Weiseng stcht die Ausgestaltung
des Frauencharakters nicht im rich¬
tigen Verhältnis zur glücklichen
Erfindung und mit bildhafter Deut¬
lichkeit vermittelten, die Voraus¬
setzung der Erzählung bildenden
Situation. Arthur Schnitzler ist
kein Revolutionär, wie Peter Alten¬
berg. Er wirft unserer in falschen
Moralbegriffen und deren heuch¬
lerischer Bewährung befangenen
Gesellschaft keinen Fehdehand¬
schuh hin. Dazu fehlt ihm das
starke Temperament und stets ge¬
reizte Nervensystem des Dichters
von : Wie ich es scher. Aber er be¬
sitzt einen klaren Blick für Seelen¬
vorgänge, die aus den gegebenen
Zuständen sich entwickeln und ist
soweit empfindlich für die Anti¬
nomien der letzteren, um von ihnen
die Anregung zu dichterischen Ge¬
stalten zu empfangen. Als berufener
Dichter hat er auch seine eigene
Sprache, deren Besonderheit sich
freilich nicht aufdringlich geberdet.
Sie fliesst mit anmuthiger Leichtig¬
keit und rhythmisch discret dahin,
ohne diese Eigenschaften einem
sprachwidrigen Feuilletonisieren zu
verdanken. Schnitzler prägt nicht
Worte, aber das luftige Gefüge
seiner Satzbildung erinnert an die
Meister der modernen Medaille, die
einer leichten Reliefierung echte
Wirkungen abzugewinnen ver¬
stehen.
C. S.
Hier und dort.
hur Schnitzler
Das neue Novellenbuch von Ar
12
„Die Frau des Weisen“ (S. Fischer, Berlin)
enthalt eine Reihe von geschickt gemachten, kleinen
Erzählungen. Keine fordert zu besonderem Lob
heraus. Aber so ein Band liest sich angenehm. Es
sind ein paar gut beobachtete Züge, ein paar feine
Worte und einige Herzlichkeiten darin. Schnitzler ist
sicher kein „kommender Mann“ aber ein geschickter,
angenehmer Mitmensch.
Es steckt viel mehr Salon in diesen talentvollen
Wienern, als für die große Kunst recht ist. Was sie
leisten, ist darum, äußerlich betrachtet, grazieuser und
liebenswürdiger als die oft formlosen Versuche der jungen
Norddeutschen. Aber man hat der Wiener Dramatik
ebenso wie ihren Erzählungen gegenüber nur zu schnell
die Empfindung, — Galanteriewaare. Das Wort be¬
zeichnet ja im Leben etwas Anderes. Es paßt aber
auch vortrefflich auf einen Theil der Literatur.
Etwas Hübscheres als die „Anatol"=Einacter,
die schon in dritter Auflage vorliegen, ist Schnitzler
bisher nicht gelungen. Es ist kein Zufall, daß sich
einzelne Acte wie Uebersetzungen aus dem Französischen
lesen. Es steckt in allen ein kleiner echter Empfin¬
dungskern. Die vielen Plaudereien sind ebenso ange¬
nehm für den Leser wie für den Zuschauer. Nur — 50)
näher hinsehen darf man
gedas ist Vorbedingung
nicht. Dann merkt man zu leicht, daß die Sprache
„
„doch nicht ganz echt, daß die Empfindung ein Bischen
conventionell und daß das Ganze eine geschickte
schni
„Salon=Comödie ist. Damit soll Niemand die Freude
u. 8
verdorben werden. Wer nicht gewohnt ist, näher hin¬
Akzusehen, kann Schnitzler's „Freiwild“ für ein echtes zu an
AlDrama und die amusanten „Anatol“=Plaudereien für
wirkliches Leben halten.
Von den neuen Novellen sind wieder zwei oder
ldrei, die besonders gefallen werden. Sie stehen nicht
höher als die anderen; aber ihr Thema ist dankbarer.
„Die Frau des Weisen“ zeigt das großmüthige Ver¬
zichten eines jungen Mannes, als er merkt, daß der
Gatte der Frau, die seine Geliebte werden will, ein
vornehmer Charakter ist. „Der Ehrentag“ schildert
die Leiden eines Schauspielers dritten oder sechsten
Ranges, dem einige Anatols eine ironische Ovation im
Theater darbringen lassen. „Ein Abschied“ und „Die
Todten schweigen“ geben das tragische Ende zweier Liebes¬
episoden; einmal stirbt die verheirathete Geliebte, das
andere Mal der Liebhaber. Schon diese, ganz un¬
zureichenden Angaben beweisen, daß die Sujets etwas
einförmig sind. Aber Schnitzler kennt sein Publikum.
Es giebt eben für den Salon nichts, das der Er¬
zählung und des heimlichen Neides würdiger wäre
fals eine junge, begehrenswerthe Frau. In Schnitzler's
Novellen sind alle Frauen jung und begehrenswerth.
Es ist eine Freude, wie viel glückliche, schöne, elegante
Menschen es giebt.
Dabei muß allerdings gesagt werden; der Himmel
bleibt nicht unbewölkt, das Schicksal naht, der
treunende Tod reitet schnell — und so fort. Denn
sonst gäbe es keine Novelle.
Arthur Schnitzler's persönliches Verdienst in dieser
Salonkunst sind einige echte, herzliche, gewinnende
Töne, die einem den Autor lieb machen. Es passirt
in irgend einer Gesellschaft ja auch, daß einer der
Gäste ganz unbewußt ein paar Worte sagt, es kann
irgend etwas selbstverständliches sein, die einem den
Menschen lieb machen. Schnitzler findet zuweilen
solche Worte.
.—
„
Gegensat
t durch
frei die
lungen zu suchen. Er findet sie
in nächster Nähe, eng mit unserem
socialen und moralischen Zustande
verbunden, gewiss von sehr vielen
schon empfunden und durchlebt,
aber noch von keinem dargestellt
und dichterisch gestaltet. Die No¬
velletten dieser Sammlung sind nicht
gleichwertig. Doch trägt jede den
Stempel des Verfassers. Schnitzler 7.50)
inclusive
sucht nicht lange nach psycholo- 14.—
rto.
gischen Problemen. Er sucht aber 25.—
Zanlbar
im Voraus
auch nicht lange nach Menschen, 55.—
die darin verwickelt werden. Nicht 100.—
Prachtexemplare, in denen sich ein dusschnitte ist das
auch steht es den
derartiger Process mit typischer, zu ändern.
Reinheit vollzicht, bietet er uns.
Er gräbt nicht nach Gold, um uns
endlich einen grossen Würfel zu
zeigen. Seine Arbeit ist die des
Goldwäschers, der aus sehr viel
Wasser Sandkörner des Edelmetalls
gewinnt. Wie der moderne Maler
dem Pittoresken, Mächtigen in der
Natur gerne ausweicht, um dem un¬
scheinbaren Objecte seine Poesie
abzulauschen, so trachtet Schnitzler
in jene Tiefen des Alltagsmenschen
hinabzuleuchten, aus denen auch
von ihm ein, wenigstens ephemerer,
dichterischer Glanz ausstrahlt. Als
die vollendetste unter diesen Er¬
zählungen erschien uns die letzte:
„Die Todten schweigens. Hier ist
ein äusserlich sehr wahrscheinliches
Ereignis und wie es mit zwingender
Kraft umbildend auf eine Frauen¬
seele wirkt, mit ungewöhnlicher
dichterischer Feinheit und Kraft
überzeugend und eindrucksvoll dar¬
gestellt. Im Ehrentage wird eine
tragikomische Episode aus dem
Milieu des Bühnenvölkchens in sehr
charakteristischer Art erzählt. Ab¬
schiede bedeutet die sinnreiche
Aufstellung einer psychologischen
Zwickmühle. In der Frau des
Weiseng stcht die Ausgestaltung
des Frauencharakters nicht im rich¬
tigen Verhältnis zur glücklichen
Erfindung und mit bildhafter Deut¬
lichkeit vermittelten, die Voraus¬
setzung der Erzählung bildenden
Situation. Arthur Schnitzler ist
kein Revolutionär, wie Peter Alten¬
berg. Er wirft unserer in falschen
Moralbegriffen und deren heuch¬
lerischer Bewährung befangenen
Gesellschaft keinen Fehdehand¬
schuh hin. Dazu fehlt ihm das
starke Temperament und stets ge¬
reizte Nervensystem des Dichters
von : Wie ich es scher. Aber er be¬
sitzt einen klaren Blick für Seelen¬
vorgänge, die aus den gegebenen
Zuständen sich entwickeln und ist
soweit empfindlich für die Anti¬
nomien der letzteren, um von ihnen
die Anregung zu dichterischen Ge¬
stalten zu empfangen. Als berufener
Dichter hat er auch seine eigene
Sprache, deren Besonderheit sich
freilich nicht aufdringlich geberdet.
Sie fliesst mit anmuthiger Leichtig¬
keit und rhythmisch discret dahin,
ohne diese Eigenschaften einem
sprachwidrigen Feuilletonisieren zu
verdanken. Schnitzler prägt nicht
Worte, aber das luftige Gefüge
seiner Satzbildung erinnert an die
Meister der modernen Medaille, die
einer leichten Reliefierung echte
Wirkungen abzugewinnen ver¬
stehen.
C. S.
Hier und dort.
hur Schnitzler
Das neue Novellenbuch von Ar
12
„Die Frau des Weisen“ (S. Fischer, Berlin)
enthalt eine Reihe von geschickt gemachten, kleinen
Erzählungen. Keine fordert zu besonderem Lob
heraus. Aber so ein Band liest sich angenehm. Es
sind ein paar gut beobachtete Züge, ein paar feine
Worte und einige Herzlichkeiten darin. Schnitzler ist
sicher kein „kommender Mann“ aber ein geschickter,
angenehmer Mitmensch.
Es steckt viel mehr Salon in diesen talentvollen
Wienern, als für die große Kunst recht ist. Was sie
leisten, ist darum, äußerlich betrachtet, grazieuser und
liebenswürdiger als die oft formlosen Versuche der jungen
Norddeutschen. Aber man hat der Wiener Dramatik
ebenso wie ihren Erzählungen gegenüber nur zu schnell
die Empfindung, — Galanteriewaare. Das Wort be¬
zeichnet ja im Leben etwas Anderes. Es paßt aber
auch vortrefflich auf einen Theil der Literatur.
Etwas Hübscheres als die „Anatol"=Einacter,
die schon in dritter Auflage vorliegen, ist Schnitzler
bisher nicht gelungen. Es ist kein Zufall, daß sich
einzelne Acte wie Uebersetzungen aus dem Französischen
lesen. Es steckt in allen ein kleiner echter Empfin¬
dungskern. Die vielen Plaudereien sind ebenso ange¬
nehm für den Leser wie für den Zuschauer. Nur — 50)
näher hinsehen darf man
gedas ist Vorbedingung
nicht. Dann merkt man zu leicht, daß die Sprache
„
„doch nicht ganz echt, daß die Empfindung ein Bischen
conventionell und daß das Ganze eine geschickte
schni
„Salon=Comödie ist. Damit soll Niemand die Freude
u. 8
verdorben werden. Wer nicht gewohnt ist, näher hin¬
Akzusehen, kann Schnitzler's „Freiwild“ für ein echtes zu an
AlDrama und die amusanten „Anatol“=Plaudereien für
wirkliches Leben halten.
Von den neuen Novellen sind wieder zwei oder
ldrei, die besonders gefallen werden. Sie stehen nicht
höher als die anderen; aber ihr Thema ist dankbarer.
„Die Frau des Weisen“ zeigt das großmüthige Ver¬
zichten eines jungen Mannes, als er merkt, daß der
Gatte der Frau, die seine Geliebte werden will, ein
vornehmer Charakter ist. „Der Ehrentag“ schildert
die Leiden eines Schauspielers dritten oder sechsten
Ranges, dem einige Anatols eine ironische Ovation im
Theater darbringen lassen. „Ein Abschied“ und „Die
Todten schweigen“ geben das tragische Ende zweier Liebes¬
episoden; einmal stirbt die verheirathete Geliebte, das
andere Mal der Liebhaber. Schon diese, ganz un¬
zureichenden Angaben beweisen, daß die Sujets etwas
einförmig sind. Aber Schnitzler kennt sein Publikum.
Es giebt eben für den Salon nichts, das der Er¬
zählung und des heimlichen Neides würdiger wäre
fals eine junge, begehrenswerthe Frau. In Schnitzler's
Novellen sind alle Frauen jung und begehrenswerth.
Es ist eine Freude, wie viel glückliche, schöne, elegante
Menschen es giebt.
Dabei muß allerdings gesagt werden; der Himmel
bleibt nicht unbewölkt, das Schicksal naht, der
treunende Tod reitet schnell — und so fort. Denn
sonst gäbe es keine Novelle.
Arthur Schnitzler's persönliches Verdienst in dieser
Salonkunst sind einige echte, herzliche, gewinnende
Töne, die einem den Autor lieb machen. Es passirt
in irgend einer Gesellschaft ja auch, daß einer der
Gäste ganz unbewußt ein paar Worte sagt, es kann
irgend etwas selbstverständliches sein, die einem den
Menschen lieb machen. Schnitzler findet zuweilen
solche Worte.
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