V, Textsammlungen 1, Die Frau des Weisen. Novelletten, Seite 15

Die Frau des Weisen.
Novelletten von Arthur Schnitzler.
Berlin. Fischer¬
Wenn ich eine Novelle Arthur Schnitzler's lese, so ist es
nhr
immer, als wandle ich an einem Novembertage einsam auf
stillen Waldeswegen. Kein Lüftchen regt sich, keines Vogels
Stimme erschallt. Es ist so still so still —
Nur die
dürren Blätter rascheln, wenn mein Fuß sie berührt. Da, für
Augenblicke bricht durch die grauen Wolken und das herbstlich
gefärbte Laubdach ein Sonnenstrahl. Aengstlich huscht er über
den Boden hin —
kein Lachen, kein Fröhlichsein. Ein
verspäteter Schmetterling flattert vorüber, um sich in ihm zu
wärmen. Auch er ist müde ....
Solcher Art ist Schnitzler, der Novellist. Er ist wie die
Nähe des Winters und zugleich wie eine letzte melancholische
Erinnerung an sonnige leuchtende Sommertage.
Schnitzler spricht von heißem, stürmischem Liebesrausch.
Aber der liegt, ach, schon so weit zurück. Der Augenblick
bringt nur wehmüthiges Erinnern, trübes Entsagen, das
enelancholische Genießen einer letzten Menschenblume.
Schnitzler ist Décadent. Er hat das heitere natürliche
Lachen ursprünglicher Menschen verlernt. Oder hat er es am
Ende nie gekannt? Er hat keine Freude an echten natürlichen
enschen, er schildert sie selten. Und doch kann er sie malen,
kein zweiter; z. B. die „lieben süßen Mädel“ der Kaiser¬
Wien. Er kann sie und die lieben philisterhaften Anver¬
ten so wohl verstehen, so prächtig reden lassen: sein Schau¬
spiel Liebelei“ verräth es uns ja. Warum führen uns denn
die Erzählungen nur in die Gesellschaft dieser müden empfind¬
samen Seelen, in diese schwüle ungesunde Atmosphäre des Hin¬
welkens? Wohl, weil Schnitzler, der Poet, im Innersten selbst
Inichis Kraftvolles hat; weil ihm der echte goldige Humor des
melusive
(gesunden überlegenen Menschen fehlt; weil er es verlernt hat,
Porto.
Bahlbar 1.
Adie Schönheit der Erde ohne Deuteln und Spintisiren frisch¬
im Vorauf“
#fröhlich zu genießen; weil er Skeptiker ist; weil er Sensationen
10naciagt die ihm die Quintessenz des Genusses geben sollen
und ihm statt des Düstes frischer Veilchen doch nur violette hitte ist
de Parme geben können.
steht es
Abom“
Schnitzler hat das zarte Empfindungsleben des echten ändern.
Abon Dichters. Er ist überaus sensitiv. Und er weiß seine Stim¬
Munge dem Leser witzutheilen. Grauen und Verzweistung
Sehnsucht und süße Melanchalle leben in unserer Seele auf,
wenn wir ihm lauschen. Seine Novellen sind mehr Miimmungs¬
bilder als nackte Schilderungen von Ereignissen. In Schnitzier
steckt ein ganzer Lyriker und nur ein halber Epiker.
Unter den ###k Erzählungen sind natürlich drei Ehebruchs¬
geschichten, oder sagen wir richtiger zwei und halbe. Denn die
„Frau des Weisen, von der die erste Novelle erzählt. steht nu¬
auf der Schwelle zur süßen Sünde. Als die junge Frau des
Lehrers dem scheidenden Pensionär am Halse häugt, tritt ihr
Mann #e## ins Zimmer. Doch nur der Jungling sietzt is
und stürzt davon. Nach langen Jahren treffen die beite
Liebenden mieder zusammen. Sie will sich ihm ähern
merki er aus ihrn Reden, daß der Gatte nir ein Wort zu ##¬
über die Liebesscene von damals gesagt hat, daß sie also ge#
nicht weiß, daß ihr Mann sie an seinem Halse gesehen. Der
sunge Mann ist betroffen über die „Weisheit des Gatten.
Auch er schweigt und verläßt die junge Frau, ohne sie noch
einmal wiederzusehen.
der Er#####n, Abshi##“ bebandelt v. Dichter
ou Empfndungen eines Mannes, der von der Krankheit und
schließlich dem Tod seiner heimlich Geliebten vernimmt und in
das Haus ihres Gatten eindringt, um von der Toten Abschied
zu nehmen. Der Ehrentag“ schildert den Selbstmord eine##
Schaufpielers, der durch Spott und Hohn in den Tod getrieber
wird. „Blumen sind Tagebuchaufzeichnungen eines Mannes,
der sich schwer ans dem Bannkreis der verstorbenen Geliebten;
frei machen kann und erst spät zum Leben. zur Gegenwart
zurückkehrt. Die letzte Nummer schließlich Die Toten;
schweigen“, erzählt von einer jungen Frau, deren Liebhabee bei
einer heimlichen gemeinsanen Spazierfahrt den Tod findet, die
aus Furcht vor der Entdeckung nicht bei dem Toten auszu¬
harren wagt, bis Hülfe kommt, aber nach ihrer Rückkehr daheim
vom Schrecken so erregt bleibt, daß sie ihren Gatten alle Schuld
Mneh.,
Enisch läßt sich gegen die Erzählungen mancherlei ein
wenden. Das Abschiednehmen des Liebhabers von der Toten
im Veisein des Gatten ist voch wohl ein klein wenig theater¬
mäßig zugestutzt. Ebenso die dritte Novelle „Der Ehrentag“,
in dem die Liebe der Primadonna zu dem urmen verkümmerten
Schauspteler nicht recht verständlich wird und nur zu dem Zwecke
erfunden zu sein scheint, um den Schlußeffeet zu steigern. Die
Blumen"=Erzüblung schlieblich ist stark romantisch gesärbt Ala
#mungsbilder genommen und die Noveiten Schnitzter's ganz
wundervon Mit den feinsten
vornetnsten Deitteln führt
## der Dichter in das Seelenleben seiner Peisonen ein und
läßt uns ihren Schmerz und ihre Sehnsucht mitfühlen. Am
höchsten stehen wohl die zweite und die letzte Erzählung. Die
düstere nervöse Stinmung des auf die Geliebte Harrenden, die
Angst bei ihrem Ausbleiben, die wahnzinnige Furcht und
jeelische Ermattung bei der Nachricht von der Gefährlichkeit
ihrer Krankheit: alles ist wunderbar zart gemalt, sodaß wir
gefangen genommen werden von der Stimmung der Angst, die
diese Geschichte durchbebt. Und ehenso: „Die Toten schweigen.
Seene, in der die junge Frau im Dunkeln an der Leiche
der Geliebten hockt und sich, von Angst gepes igt, leise davon
stiehlt, und ferner jene Schlußzseene, in der sie, seelisch bis zum
Tode erschöpkt, sich dem Gatten verräth: sie sind geradezu
#eisterwerke der Seelenmaierei.
Arthur Schnitzler gehört zu den vornehmsten Künstlern der
Wiener Schule. Man darf ihn wohl gar als ihr Haupt, als
ihren Größten bezeichnen. Hoffentlich löst sich seine Poetenz
jeele recht bald aus den Fesseln des Decadententhums, damih
sie uns Werke voller Saft und Kraft bescheert.
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25
ge n e Anee S.
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Ausschnitt
14 Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Nr. 53
„OBSENVER
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Ausschnitt aus:
Voresesas Z. Hetag, Berlin
„4J J.
— Arthur Schnitzler veröffentlicht einen Band mit „No¬
velletten“ der nach dem Titel der ersten von diesen „Die Frai
des Weisen“ überschrieben ist (Berlin, Verlag von S. Fischei
Was in diesen Geschichten, die durchweg ernster Art sind, äußer
vorgeht, ist entweder überbaupt nicht viel, oder es tritt wen
den Vordergrund.. Die Abspiegelung der Vorgänge im Seelen¬
ieben, das seelische Geschehen, das leidende Nachempfinden ist das
was der Verfasser uns hat malen wollen, und das hat er mit
feiner psychologischer Kunst, scharfer Dialektik und gewandter
Aufbietung reicher sprachlicher Mittel gethan.
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