die Schwesterstadt Wien seit langem aus sich
heraus erzeugt: eine eigne Kunst, eine eigne
Litteratur, einen eignen Stil. Jedes echte Talent
hat auch in Wien seine besondere Prägung, aber
ebenso unverkennbar sind die gemeinsamen Züge,
die alles oder doch fast alles, was im Bezirk
des heiligen Stephan geschaffen wird, aufweist.
Es gibt da eine Kette gemeinschaftlicher Eigen¬
tümlichkeiten die von Grillparzer bis zu den
jüngsten „Symbolisten“ führt. Was die Wiener
Kunst vor allem kennzeichnet, ist die Lust an
feiner Sinnlichkeit, an weichen zerfließenden
Formen, ein Zug ins Weibliche, Schwelgende,
Träumende, leichtes Blut und wenig Mark, mehr
Rezeptivität, als Aktivität. Das Gemütliche tritt
stärker hervor als das Geistige, das Intime,
Zarte, Stille mehr als das Heroische, und wenn
in den niederen Gründen der Litteratur sich
leicht etwas Trottelhaftes einmischt, so in den
höheren oft eine gewisse Müdigkeit, eine Ab¬
spannung, die aber gern mit ihrer etwas kränk¬
lichen Weise kokettiert. Unter den jüngeren
Schriftstellern, die den Wiener Typus mit be¬
sonderer Deutlichkeit vertreten, ist einer der be¬
merkenswertesten Arthur Schnitzler; seine
Schauspiele „Liebelei“ und „Freiwild“ sind auch
auf norddeutschen Bühnen vielfach gespielt worden.
Liebelei, — das Wort könnte im Grunde dem
gesamten Schaffen Schnitzlers als Motto dienen.
Er hat eigentlich nur dies eine Thema, und er
variiert es in nicht sehr abwechselungsreicher Weise.
Mit frischerer Laune, die hier und da sich zur
Satire und Ironie steigert, in seinen Dramen
und Dialogen, mit sehr viel Empfindsamkeit in
seinen Novellen. Um dieser Empfindsamkeit
willen mögen naive Gemüter die ewige Liebelei
mit Liebe verwechseln, aber wenn auch die Ge¬
fühle, denen Schnitzler Ausdruck gibt, nicht gerade
unecht oder erlogen sind, so ziehen sie doch mit
so viel Pose aufdaen Argungen gar
1
nicht die Rede sein kann. Daß diese Pose auf
die Dauer nicht gerade ergötzlich, sondern eher
einlullend wirkt, das merkt man, wenn man sich
durch die jüngste Novellensammlung Schnitzlers
Hisch¬
Die Frau des Weisen“ (Berlin, S
hindurchgelesen, hindurchgeträumt, hindurch¬
geschlafen hat. Das Buch nimmt sich zum großen
Teil aus, als sei es vor dem Spiegel geschrieben;
der Schreiber sitzt lässig hingelehnt und halb¬
träumend da, seine Hand fährt zuweilen durch
das weiche, lockige Haar und sein Mund flüstert
leise die Namen der zwei Dutzend Geliebten, die
er jede drei Monate lang angebetet und dann
verlassen hat, wenn sie es nicht vorzogen, ihm
rechtzeitig ein Schnippchen zu schlagen. Ja,
unser Dichter kennt die Frauen; sie sind ent¬
weder sehr naiv oder sehr raffiniert, am nettesten
aber dann, wenn sie in der Blütezeit des Flirts
sterben, da der Poet dann Gelegenheit hat, in
ungetrübt reinen Erinnerungen, in entzückend
schmerzlichen Stimmungen zu schwelgen. So sitzt
er da und träumt und gähnt und wartet, ob
nicht ein Photograph auf den herrlichen Einfall
kommt, ihn in der interessantesten Stellung seines
Daseins für die Nachwelt bildlich zu erhalten.
Trotz aller Pose — boshafte Asthetiker könnten
auch sagen: gerade ihretwegen — spricht ein echter
Künstler aus dem Buche, ein Wiener Künstler,
dem der Stil, die weiche fließende Form in erster,
Stimmung und Gefühl in zweiter Linie stehen.
der ein Empfinden von heißer Inbrunst, männ¬
licher Kraft nur etwas unwillig in sich keimen
läßt und all das Leben, das da Ringen in Ar¬
beit, Denken, Begeisterung heischt, gern weit
von sich vorüberrauschen sieht. Es ist nichts von
Stamm und derbem, saftigem Kernholz in dem
Buche, aber viel zierliches Gerank und zartes
Blütenwerk ... Auf den Titel „Die Frau des
Weisen“ hat eigentlich nur die erste der Novellen,
nicht die ganze Sammlung Anspruch. Diese Art,
sich um die Erfindung eines Gesamttitels herum¬
zudrücken, ist leider schon gang und gäbe ge¬
worden. Einer hat es vorgemacht, und halb
aus Bequemlichkeit, halb aus Modesucht macht
es alle Welt nach; vielleicht treibt man die Faul¬
heit nech so weit, alle Titel aufzugeben, denn
schließlich ist es nicht schwerer, den Inhalt von
fünf Erzählungen in einem kurzen Begriff zu¬
sammenzufassen, als den Inhalt einer einzelnen
Geschichte. Jene knochenlose Weichlichkeit, mit
der man Arthur Schnitzlers litterarische Eigen¬
art zum großen Teil umschreiben kann, zeigt
sich besonders in den drei Stücken des Buchs
die betitelt sind, „Ein Abschied“, „Die Frau des
Weisen“ „Blumen“. Zwei davon sind in der
reer
fremdes Lächeln, das zu ihm zu reden schien,
und er konnte es verstehen. Und das Lächeln
sagte: Ich habe dich geliebt, und nun stehst du
da wie ein Fremder und verleugnest mich. Sag'
doch, daß ich die Deine war, daß es dein Recht
ist, vor diesem Bette niederzuknieen und meine
Hände zu küssen. Warum sagst du's denn nicht?
Aber er wagte es nicht... Es trieb ihn aus der
Nähe des Hauses, und er eilte tief beschämt durch
die Straßen; denn ihm war, als dürfe er nicht
trauern wie die anderen, als hätte ihn seine
tote Geliebte davon gejagt, weil er sie verleugnet.“
Zum Entgelt „verleugnet“ in der Schlußerzählung
„Die Toten schweigen“ die Frau den ihr jäh¬
lings entrissenen Geliebten. Bei einer abendlichen
Fahrt, die irgend ein Franz mit der angebeteten
Gattin eines Anderen macht, wird Franz aus dem
Wagen geschleudert und bleibt auf der Stelle tot.
Während der Kutscher forteilt, um Hilfe herbei¬
zuholen, überlegt Emma, die Gattin und Geliebte,
daß sie für immer gerichtet und verloren sei,
wenn man sie in Gesellschaft des Toten entdecke:
das sündige Verhältnis, das sie sorglich geheim
gehalten, kommt dann ohne weiteres an den Tag;
dem Toten aber nützt es nichts, wenn die Lebende
beider Schuld büßen muß. In solcher Erwägung
hält es Emma für das Beste, sich, ehe der Kutscher
zurückkommt, hinwegzuschleichen und zu ihrem
Gatten heimzukehren, als ob nichts geschehen sei;
Sie denkt's und führt den Entschluß aus ...
Fast noch tiefsinniger ist die Geschichte von den
„Blumen“. Da in Schnitzlers Poetenreich die
Sterblichkeit arg grassiert, so ist auch „sie“ (die
Namenlose) eines Tages vom Tode hinweggerafft
worden. Als letzten Gruß hat sie „ihm“ einen
Blumenstrauß zugesandt, den „er“ zu ewigem
Gedenken ins Wasserglas stellt und das Glas auf
den Schreibtisch. Bald aber findet „er“ (nicht
der Blumenstrauß, sondern der Liebende) in
seiner Einsamkeit eine Trösterin; das blonde
Gretel“ sucht die Erinnerung an die Tote zu
besiegen. Und solange sie bei „ihm“ weilt, ge¬
lingt ihr das leicht. Aber wenn sie fort ist, ge¬
winnen die Blumen wieder Macht und rusen
ihr“ Bild zurück. Als Gretel das merkt, wirft
sie kurzer Hand den welken Strauß aus dem
Fenster, und nun ist die Tote ganz tot, die
Lebende behält das Feld allein... Diese kleinen
Geschichten erfreuen durch allerlei künstlerische
Feinheiten. Die Sprache hat nichts Blendendes,
sie überrascht nirgendwo durch neugeschmiedete
Worte, durch ungewohnte Bilder, aber sie ist
leicht und voll gefälliger Anmut. Wäre aber die
Kunst, die Schnitzler zu Gebote steht, auch
noch dreimal größer, so könnte sie doch den In¬
halt der Erzählungen nicht interessant machen,
wenigstens in höherem ernsterem Sinne nicht.
Dieses ewige Gegirre wirkt auf ein gesundes
Gefühl auf die Dauer unerträglich, und daß
Schnitzler seine und Anderer Liebeleien vielfach
so wichtig nimmt, sie mit so schwermütiger Pose
vorträgt, das macht die Sache nicht eben besser.
Begegnet uns im Leben ein Mensch, der absolut
nichts anderes weiß, als von seinem Mädchen
zu reden, so werden wir uns sehr zusammen¬
nehmen müssen, um nicht ein Kosewort wie
„Trottel“ oder dergleichen an den Mann zu
bringen. Ich wüßte nicht warum es in der
Litteratur anders sein sollte. Möchte sich so ein
voctischer Schürzenjäger auf Goethe berufen, so
wäre das fast blasphemisch; selbst der junge
Goethe hat bereits neben der „Stella“ den „Götz“
geschrieben und auch im „Werther“ ist noch von
anderen Dingen die Rede, als von sexueller Liebe, —
von Dingen, die dem Geschlecht der Schnitzler über
allen Horizont hinaus zu liegen scheinen. Kenn¬
zeichnend für diese modernen Poeten Wiens ist
die Art und Weise, wie in dem vorliegenden
Buche der Ehebruch behandelt wird. Geradezu
als etwas Selbstverständliches. Die „Liebenden“.
die Schnitzler vorführt, brechen Ehen mit dem¬
selben Gleichmut wie Rosenknospen, und wenn ein¬
mal einer oder eine von Bedenken geplagt wird,
so fürchten sie höchstens eine Entdeckung oder den
Klatsch der Leute; mit Gewissensunruhe, mit „social¬
psychologischen“ Erwägungen quälen sie sich nicht.
a er
heraus erzeugt: eine eigne Kunst, eine eigne
Litteratur, einen eignen Stil. Jedes echte Talent
hat auch in Wien seine besondere Prägung, aber
ebenso unverkennbar sind die gemeinsamen Züge,
die alles oder doch fast alles, was im Bezirk
des heiligen Stephan geschaffen wird, aufweist.
Es gibt da eine Kette gemeinschaftlicher Eigen¬
tümlichkeiten die von Grillparzer bis zu den
jüngsten „Symbolisten“ führt. Was die Wiener
Kunst vor allem kennzeichnet, ist die Lust an
feiner Sinnlichkeit, an weichen zerfließenden
Formen, ein Zug ins Weibliche, Schwelgende,
Träumende, leichtes Blut und wenig Mark, mehr
Rezeptivität, als Aktivität. Das Gemütliche tritt
stärker hervor als das Geistige, das Intime,
Zarte, Stille mehr als das Heroische, und wenn
in den niederen Gründen der Litteratur sich
leicht etwas Trottelhaftes einmischt, so in den
höheren oft eine gewisse Müdigkeit, eine Ab¬
spannung, die aber gern mit ihrer etwas kränk¬
lichen Weise kokettiert. Unter den jüngeren
Schriftstellern, die den Wiener Typus mit be¬
sonderer Deutlichkeit vertreten, ist einer der be¬
merkenswertesten Arthur Schnitzler; seine
Schauspiele „Liebelei“ und „Freiwild“ sind auch
auf norddeutschen Bühnen vielfach gespielt worden.
Liebelei, — das Wort könnte im Grunde dem
gesamten Schaffen Schnitzlers als Motto dienen.
Er hat eigentlich nur dies eine Thema, und er
variiert es in nicht sehr abwechselungsreicher Weise.
Mit frischerer Laune, die hier und da sich zur
Satire und Ironie steigert, in seinen Dramen
und Dialogen, mit sehr viel Empfindsamkeit in
seinen Novellen. Um dieser Empfindsamkeit
willen mögen naive Gemüter die ewige Liebelei
mit Liebe verwechseln, aber wenn auch die Ge¬
fühle, denen Schnitzler Ausdruck gibt, nicht gerade
unecht oder erlogen sind, so ziehen sie doch mit
so viel Pose aufdaen Argungen gar
1
nicht die Rede sein kann. Daß diese Pose auf
die Dauer nicht gerade ergötzlich, sondern eher
einlullend wirkt, das merkt man, wenn man sich
durch die jüngste Novellensammlung Schnitzlers
Hisch¬
Die Frau des Weisen“ (Berlin, S
hindurchgelesen, hindurchgeträumt, hindurch¬
geschlafen hat. Das Buch nimmt sich zum großen
Teil aus, als sei es vor dem Spiegel geschrieben;
der Schreiber sitzt lässig hingelehnt und halb¬
träumend da, seine Hand fährt zuweilen durch
das weiche, lockige Haar und sein Mund flüstert
leise die Namen der zwei Dutzend Geliebten, die
er jede drei Monate lang angebetet und dann
verlassen hat, wenn sie es nicht vorzogen, ihm
rechtzeitig ein Schnippchen zu schlagen. Ja,
unser Dichter kennt die Frauen; sie sind ent¬
weder sehr naiv oder sehr raffiniert, am nettesten
aber dann, wenn sie in der Blütezeit des Flirts
sterben, da der Poet dann Gelegenheit hat, in
ungetrübt reinen Erinnerungen, in entzückend
schmerzlichen Stimmungen zu schwelgen. So sitzt
er da und träumt und gähnt und wartet, ob
nicht ein Photograph auf den herrlichen Einfall
kommt, ihn in der interessantesten Stellung seines
Daseins für die Nachwelt bildlich zu erhalten.
Trotz aller Pose — boshafte Asthetiker könnten
auch sagen: gerade ihretwegen — spricht ein echter
Künstler aus dem Buche, ein Wiener Künstler,
dem der Stil, die weiche fließende Form in erster,
Stimmung und Gefühl in zweiter Linie stehen.
der ein Empfinden von heißer Inbrunst, männ¬
licher Kraft nur etwas unwillig in sich keimen
läßt und all das Leben, das da Ringen in Ar¬
beit, Denken, Begeisterung heischt, gern weit
von sich vorüberrauschen sieht. Es ist nichts von
Stamm und derbem, saftigem Kernholz in dem
Buche, aber viel zierliches Gerank und zartes
Blütenwerk ... Auf den Titel „Die Frau des
Weisen“ hat eigentlich nur die erste der Novellen,
nicht die ganze Sammlung Anspruch. Diese Art,
sich um die Erfindung eines Gesamttitels herum¬
zudrücken, ist leider schon gang und gäbe ge¬
worden. Einer hat es vorgemacht, und halb
aus Bequemlichkeit, halb aus Modesucht macht
es alle Welt nach; vielleicht treibt man die Faul¬
heit nech so weit, alle Titel aufzugeben, denn
schließlich ist es nicht schwerer, den Inhalt von
fünf Erzählungen in einem kurzen Begriff zu¬
sammenzufassen, als den Inhalt einer einzelnen
Geschichte. Jene knochenlose Weichlichkeit, mit
der man Arthur Schnitzlers litterarische Eigen¬
art zum großen Teil umschreiben kann, zeigt
sich besonders in den drei Stücken des Buchs
die betitelt sind, „Ein Abschied“, „Die Frau des
Weisen“ „Blumen“. Zwei davon sind in der
reer
fremdes Lächeln, das zu ihm zu reden schien,
und er konnte es verstehen. Und das Lächeln
sagte: Ich habe dich geliebt, und nun stehst du
da wie ein Fremder und verleugnest mich. Sag'
doch, daß ich die Deine war, daß es dein Recht
ist, vor diesem Bette niederzuknieen und meine
Hände zu küssen. Warum sagst du's denn nicht?
Aber er wagte es nicht... Es trieb ihn aus der
Nähe des Hauses, und er eilte tief beschämt durch
die Straßen; denn ihm war, als dürfe er nicht
trauern wie die anderen, als hätte ihn seine
tote Geliebte davon gejagt, weil er sie verleugnet.“
Zum Entgelt „verleugnet“ in der Schlußerzählung
„Die Toten schweigen“ die Frau den ihr jäh¬
lings entrissenen Geliebten. Bei einer abendlichen
Fahrt, die irgend ein Franz mit der angebeteten
Gattin eines Anderen macht, wird Franz aus dem
Wagen geschleudert und bleibt auf der Stelle tot.
Während der Kutscher forteilt, um Hilfe herbei¬
zuholen, überlegt Emma, die Gattin und Geliebte,
daß sie für immer gerichtet und verloren sei,
wenn man sie in Gesellschaft des Toten entdecke:
das sündige Verhältnis, das sie sorglich geheim
gehalten, kommt dann ohne weiteres an den Tag;
dem Toten aber nützt es nichts, wenn die Lebende
beider Schuld büßen muß. In solcher Erwägung
hält es Emma für das Beste, sich, ehe der Kutscher
zurückkommt, hinwegzuschleichen und zu ihrem
Gatten heimzukehren, als ob nichts geschehen sei;
Sie denkt's und führt den Entschluß aus ...
Fast noch tiefsinniger ist die Geschichte von den
„Blumen“. Da in Schnitzlers Poetenreich die
Sterblichkeit arg grassiert, so ist auch „sie“ (die
Namenlose) eines Tages vom Tode hinweggerafft
worden. Als letzten Gruß hat sie „ihm“ einen
Blumenstrauß zugesandt, den „er“ zu ewigem
Gedenken ins Wasserglas stellt und das Glas auf
den Schreibtisch. Bald aber findet „er“ (nicht
der Blumenstrauß, sondern der Liebende) in
seiner Einsamkeit eine Trösterin; das blonde
Gretel“ sucht die Erinnerung an die Tote zu
besiegen. Und solange sie bei „ihm“ weilt, ge¬
lingt ihr das leicht. Aber wenn sie fort ist, ge¬
winnen die Blumen wieder Macht und rusen
ihr“ Bild zurück. Als Gretel das merkt, wirft
sie kurzer Hand den welken Strauß aus dem
Fenster, und nun ist die Tote ganz tot, die
Lebende behält das Feld allein... Diese kleinen
Geschichten erfreuen durch allerlei künstlerische
Feinheiten. Die Sprache hat nichts Blendendes,
sie überrascht nirgendwo durch neugeschmiedete
Worte, durch ungewohnte Bilder, aber sie ist
leicht und voll gefälliger Anmut. Wäre aber die
Kunst, die Schnitzler zu Gebote steht, auch
noch dreimal größer, so könnte sie doch den In¬
halt der Erzählungen nicht interessant machen,
wenigstens in höherem ernsterem Sinne nicht.
Dieses ewige Gegirre wirkt auf ein gesundes
Gefühl auf die Dauer unerträglich, und daß
Schnitzler seine und Anderer Liebeleien vielfach
so wichtig nimmt, sie mit so schwermütiger Pose
vorträgt, das macht die Sache nicht eben besser.
Begegnet uns im Leben ein Mensch, der absolut
nichts anderes weiß, als von seinem Mädchen
zu reden, so werden wir uns sehr zusammen¬
nehmen müssen, um nicht ein Kosewort wie
„Trottel“ oder dergleichen an den Mann zu
bringen. Ich wüßte nicht warum es in der
Litteratur anders sein sollte. Möchte sich so ein
voctischer Schürzenjäger auf Goethe berufen, so
wäre das fast blasphemisch; selbst der junge
Goethe hat bereits neben der „Stella“ den „Götz“
geschrieben und auch im „Werther“ ist noch von
anderen Dingen die Rede, als von sexueller Liebe, —
von Dingen, die dem Geschlecht der Schnitzler über
allen Horizont hinaus zu liegen scheinen. Kenn¬
zeichnend für diese modernen Poeten Wiens ist
die Art und Weise, wie in dem vorliegenden
Buche der Ehebruch behandelt wird. Geradezu
als etwas Selbstverständliches. Die „Liebenden“.
die Schnitzler vorführt, brechen Ehen mit dem¬
selben Gleichmut wie Rosenknospen, und wenn ein¬
mal einer oder eine von Bedenken geplagt wird,
so fürchten sie höchstens eine Entdeckung oder den
Klatsch der Leute; mit Gewissensunruhe, mit „social¬
psychologischen“ Erwägungen quälen sie sich nicht.
a er