au des Nei:
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Die
Wiener Autoren.
Guy de Maupassant sagte einmal: „Mich zwingen
leider die Umstände, jahraus, jahrein Novellen und Romane
zu schreiben. Wäre dies nicht der Fall, so würde ich mein
ganzes Leben hindurch an einem einzigen Buche arbeiten
und daran unablässig bosseln.“
Dieser Ausspruch, so paradox er auch erscheint, ent¬
hält doch einen Kern tiefer Wahrheit. Wie bedeutend ist
der Zahl nach das literarische Gepäck der meisten modernen
Schriftsteller und besonders Derjenigen, denen es gelungen,
die Massen an sich zu locken. Aber wenn man näher zu¬
sieht, so findet man, daß Jeder eigentlich nur ein einziges
Buch geschrieben, in dem seine Eigenart sich erschöpfte.
Was dann folzt, sind gemeiniglich Variationen des
ursprünglichen Themas. Die Wahrheit dieses Satzes
leuchtet auch aus Arthur Schnitzler's jüngstem Buche
hervor, einer Sammlung von Novellen, die er nach der
ersten Geschichte „Die Frau des Weisen"*) betitelt
hat. Der Ton, den Schnitzler in seinem Erstlingswerk, im
„Anatol“, anschlug und der in seinen späteren Arbeiten
immer wieder erklang, er hallt uns auch hier entgegen.
Wir finden ihn auch in diesem Buche, den jungen, ein wenig
blasirten, ein wenig trübsinnigen Lebemann, dessen Daseins¬
zweck ausschließlich darin gipfelt, zu liebeln. Die große,
elementare Leidenschaft kennt dieser Lebemann nicht. Für ihn
ist die Liebe ein bald heiteres, bald wehmüthiges Spiel,
das ihn anregt, aufregt, ohne ihn je in der Tiefe der
Seele zu erschüttern. Es sind diesmal allerdings nicht
hsüße Mädel“, sondern verheiratete Frauen, die ihm eine
bunte Fülle angenehmer Sensationen verschaffen. Aus der
Art und Weise, wie hiebei Schnitzler seine Stoffe be¬
*) Berlin, Verlag S. Fischer, 1898.
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handell, läßt sich entnehmen, wie er über die Ehe denkt.
Sie erscheint ihm als eine durchaus unliebsame, durch den
Ehebruch gemilderte Institution, bei der immer der „Dritte“.
Recht hat. Auf diesen fällt denn auch alles Licht; seine stillen
Seelenfreuden und seine Kümmernisse werden mit herz¬
beweglichen Worten geschildert. Das tritt so recht in der
zweiten Geschichte des Buches hervor. Ein junger Mann,
der zwar Alfred heißt, in dem wir aber unseren alten Be¬
kannten Anatol wieder erkennen, erwartet seine Geliebte,
die natürlich eine verheiratete Frau ist. Sie kommt nicht.
Aus einem gewichtigen Grunde: sie ist krank. Anatol
kennt nicht den Galten seiner Geliebten. Er hat sie auch
nie in ihrem Heim besucht. Er muß also draußen vor dem
Hause warten, um bald beim Stubenmädchen, so ofi es
auf der
ße erscheint, bald beim Arzt, wenn er den
Wagen beneigt, Nachfrage über den Zustand der Kranken
zu halten. So verstreichen einige qualvolle Tage. Da er¬
fährt er eines Morgens, daß die junge Frau gestorben sei.
Es drängt ihn, sie noch einmal zu sehen. Er betritt die
Wohnung und schreitet in das Schlafgemach, wo die Todte
liegt. Er ist nicht allein drin. Der Gatte liegt auf
den Knien zu Füßen des Bettes, darin die Todte, deren
Hand er hält. Er hebt ein wenig den Kopf, als der
„Andere“ eintritt, ergreift dessen rechte Hand und flüstert
mit thränenerstickter Stimme: „Dank, Dank!“ Und nun
glaubt der „Andere“ plötzlich, als ob um die Lippen der
Todten ein fremdes, verächtliches Lächeln spiele. Und dieses
Lächeln sagt: „Ich habe Dich geliebt und nun stehst Du
da wie ein Fremder und verleugnest mich. Sag' ihm doch,
daß ich die Deine war, daßes Dein Recht ist, vor viesem
Bette niederzuknien und meine Hände zu küssen. Sag' es
ihm! Warum sagst Du's ihm denn nicht?“ Aber er wagt
es nicht. Er schleicht sich hinaus und eilt tief beschämt
wie die Anderen, als hätte ihn seine todte Gelieb
gejagt, weil er sie verleugnet.
Sein Schilerz geht uns indes nicht son
Herzen. Wir wissen ja, daß dieser junge Lebeme
bald gesunden und in einer neuen Liebelei Tröstt
erquickliche Beruhigung finden werbe. Schnitzler
man sieht, der Tragik aus dem Wege, so traurig
weilen seine Stoffe sind. Seine Psychologie hat d
mehr Raffinement als Tiefe. Er überredet mehr
überzeugt. Aber seine stille, saufte Art hat do
liebenswürdigen Zauber, dem man sich nicht I
windet. Auf die Dauer freilich geht uns die Gleic
keit des Grundtones in der Darstellung sowohl,
in den Motiven doch auf die Nerven. Und so wi
zu wünschen, daß der Dichter über sein erstes Bi
auswachse und daß in seine Lebensauffassung etwa
hineinklinge.
Was hier als Wunsch erscheint, hat in 2
Engel's Begabung erfreuliche Erfüllung
Engel besitzt Humor. Das bekundet in viel höhere
als seine früheren Arbeiten sein jüngstes Buch
Liebckommt“,*) das eine Reihe kleiner G
enthält, von denen uns jede, bald durch eine fein
achtung, bald durch eine geistreiche Pointirung des
anspricht. Engel's Humor quillt aber nicht aus de
genügsamen, absichtslosen Freude bei der Betrach
Schwächen und Verkehrtheiten der Menschen. Se
hat gemeiniglich auch einen satirischen Stachel, de
besonderem Nachdruck gegen jene trockene, geschäft
Auffassung der Liebe und der Ehe kehrt, wie sie in
lichen Kreisen vorwaltet. Seine Satire ist li
*) Berlin 1898, Hugo Steinitz' Verlag.