1.
— —
box 35/6
W
Die Fran des.—
COSMOPOLIS.
gesichter: Dutzenid-Lords und Dutzend-Weltdamen, Dutzend¬
Windbeutel und Dutzend-Sentimentale (wieviel Doppelgänger¬
innen hat nicht die schweigsame Maud“ mit den wunderbaren
ruhigen Augen, von der Farbe des Morgengrauens im Sec?).
Die Mitglieder der Fanariotengruppe wiederum — das patriar¬
chalische Elternpaar; der Brackenburg Aleko; der weltkluge,
hilf- und erfindungsreiche Onkel Logothet — sind den Rollen¬
fächern kleindeutscher Familienstücke entsprungen. Der
hyperromantische Rachedämon Panayotti endlich, der grimmige
Abkömmling des “grossen Panayotti,“ “ein furchtbarer Mensch,
nicht etwa schlecht oder niedrig, aber verschlossen, geheim¬
nisvoll, jeder Gewalttat fähig,“ soll nach Rudolf Lindaus
Ansicht seinen Stammbaum auf impulsive, maasslose Renais¬
sance-Naturen zurückführen. Ein Revenant ist er nun aller¬
dings: — schwerlich aus den Tagen von Cesare Borgia, eher
aus den Zeiten des Donizetti’sche# bel canto, ein zahmerer
Zwillingsbruder des Opernherzogs in “Lucrezia Borgia.
Nein! der Mann, moderne Mateo Falcones festzuhalten, den
Carmens und Colombas ebenbürtige Typen zu schaffen, ist
Rudolf Lindau gewiss nicht.
II.
Lieber, unvergleichlich lieber als dieser und jeder andre
falsche Mérimée ist uns der echte Arthägsehniteler. Der Sam¬
melband seiner jüngsten Novelletten Die Frau des Weisen
(Berlin, Fischer, 1808) stcht durchaus und in durchweg erfreu¬
lichem Gegensatz zu““ Fanar und Mayfair.“ Während Rudolf
Lindau in die Freinde und Ferne schweift, wurzelt der Wiener
Dichter im Boden der Heimat. Spielt sich Lindau gern auf
den vermeintlich ganz unbefangenen Schwurgerichts - Präsi¬
denten hinaus, der jedes Für und Wider mit gemachter Un¬
parteilichkeit im Resumé abwägt, so bemächtigt sich Schnitz¬
ler seiner Aufgaben, wie ein warmblütiger, tapferer Parteien¬
vertreter. Als ein idealer Sachwalter wolverstanden, der nur
solche Fälle wählt, die ihm zu Herzen gehen. Dann prüft er
sie mit dem Mutterwitz des Casuisten, ergründet ihre Höhen
und Tiefen mit der Fähigkeit feiner lyrischen“ Eirfühlung“
und löst sie mit der Energie des Dramatikers. Die glückliche
Mischung dieser Gaben hat Schnitzlers Bühnenerfolge (“Liebelei“
B
und" Freiwild")
selben G
— —
box 35/6
W
Die Fran des.—
COSMOPOLIS.
gesichter: Dutzenid-Lords und Dutzend-Weltdamen, Dutzend¬
Windbeutel und Dutzend-Sentimentale (wieviel Doppelgänger¬
innen hat nicht die schweigsame Maud“ mit den wunderbaren
ruhigen Augen, von der Farbe des Morgengrauens im Sec?).
Die Mitglieder der Fanariotengruppe wiederum — das patriar¬
chalische Elternpaar; der Brackenburg Aleko; der weltkluge,
hilf- und erfindungsreiche Onkel Logothet — sind den Rollen¬
fächern kleindeutscher Familienstücke entsprungen. Der
hyperromantische Rachedämon Panayotti endlich, der grimmige
Abkömmling des “grossen Panayotti,“ “ein furchtbarer Mensch,
nicht etwa schlecht oder niedrig, aber verschlossen, geheim¬
nisvoll, jeder Gewalttat fähig,“ soll nach Rudolf Lindaus
Ansicht seinen Stammbaum auf impulsive, maasslose Renais¬
sance-Naturen zurückführen. Ein Revenant ist er nun aller¬
dings: — schwerlich aus den Tagen von Cesare Borgia, eher
aus den Zeiten des Donizetti’sche# bel canto, ein zahmerer
Zwillingsbruder des Opernherzogs in “Lucrezia Borgia.
Nein! der Mann, moderne Mateo Falcones festzuhalten, den
Carmens und Colombas ebenbürtige Typen zu schaffen, ist
Rudolf Lindau gewiss nicht.
II.
Lieber, unvergleichlich lieber als dieser und jeder andre
falsche Mérimée ist uns der echte Arthägsehniteler. Der Sam¬
melband seiner jüngsten Novelletten Die Frau des Weisen
(Berlin, Fischer, 1808) stcht durchaus und in durchweg erfreu¬
lichem Gegensatz zu““ Fanar und Mayfair.“ Während Rudolf
Lindau in die Freinde und Ferne schweift, wurzelt der Wiener
Dichter im Boden der Heimat. Spielt sich Lindau gern auf
den vermeintlich ganz unbefangenen Schwurgerichts - Präsi¬
denten hinaus, der jedes Für und Wider mit gemachter Un¬
parteilichkeit im Resumé abwägt, so bemächtigt sich Schnitz¬
ler seiner Aufgaben, wie ein warmblütiger, tapferer Parteien¬
vertreter. Als ein idealer Sachwalter wolverstanden, der nur
solche Fälle wählt, die ihm zu Herzen gehen. Dann prüft er
sie mit dem Mutterwitz des Casuisten, ergründet ihre Höhen
und Tiefen mit der Fähigkeit feiner lyrischen“ Eirfühlung“
und löst sie mit der Energie des Dramatikers. Die glückliche
Mischung dieser Gaben hat Schnitzlers Bühnenerfolge (“Liebelei“
B
und" Freiwild")
selben G