V, Textsammlungen 5, Masken und Wunder. Novellen, Seite 29

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5. Masken und Nunder
Ausschhles aug
mnbürger Corresponder
16. Mal. 1912
vom:
M
Dschungeln der Phantasie zu finden und mit anmutiger Hand zu
kehrt und dann von
Masken und Wunder.
pflücken weiß.
tierlustigen Verstande
Masken und Wunder! Masken wohl; alle seine Gestalten
ausflieht und verschn
Arthur Schnitzlers neuer Novellenband.
sind ja Masken. Sind künstliche Geschöpfe von menschlichem Aus¬
raum, das alles wun
Von Jll. Philipp=Heergesell.
sehen, mit menschlichen Worten und menschlichen Gebärden. Aber
nach den Gesetzen des
Vielleicht ist es Zufall, daß es gerade ein Band Novellen ist,
sie reden und bewegen sich nach seltsamen Gesetzen, etwa nach den
unserer Brust empors
den der Verlag S. Fischer=Berlin zum fünfzigsten Geburtstag
Gesetzen des Traumes: Man sieht die Maschinerie, die sie bewegt,
und Geschehnisse zu
Arthur Schnitzlers erscheinen läßt. Aber darf man nicht bei
darin liegt übrigens einer ihrer Hauptreize.
wohl fassen können.
Schnitzler, der alle Begebenheiten so gern symbolisch nimmt,
Denn diese Maschinerie, oder doch ihr Geist, das ist der Welt¬
Das aber ist der
etwas mehr als einen Zufall darin sehen, wenn er an einem Tage,
wille selbst, das Schicksal oder wie man's immer nennen will. Es
daß er die geheimsten
den man als einschneidenden Lebensabschnitt zu betrachten ge¬
ist ein Schicksal, das an diesen Gestalten seine eigenwilligen Lau¬
ruhenden, noch nicht
wohnt ist, seinen Verehrern wiederum einen Novellenband als
nen demonstriert und das etwa mit einer halb mutwilligen, halb
oder sellsamer Begeb
Gabe darbietet? Ist es nicht, als sollte man unter all den zahl¬
höhnischen Bewegung sagt: seht, so wunderbar sind meine Wege.
Geheimnis ihres rau
reichen Gaben, die sein bisheriges Lebenswerk ausmachen, daran
Sie sind ein Traumgebilde, Emanationen eines schöpferischen Er¬
den Lebens. Daß e
erinnert werden, nach welcher Richtung hin man seine künstlerische
lebnisses, die um dieses Erlebnisses willen aus den unergründ¬
Weise tut, macht nur
Physiognomie am genauesten zu bewerten hat?
lichen Tiefen des Möglichen zum Lichte emporsteigen, alsbald wie¬
Man lese darauf
Denn was er auch immer in der reichen Zahl seiner Werke ge¬
ider verschwinden und das Erlebnis um so deutlicher und ein¬
Mannes, der ein ga
geben haben mag, in seinen Novellen hat er das Feinste und
dringlicher zurücklassen.
den Frauen seiner F
Beste, hat er den eigentümlichen und ganz unfaßbaren Zauber
Masken sind in diesem Buche. Aber Wunder? Es ist selt¬
einen großen Triump
seiner Kunst gegeben und wer ihn vollkommen genießen will, muß
sam, daß Schnitzler, dieser kluge, feine, geistreiche Schnitzler ein
Geständnis zu hinter
ihn in seinen Novellen aufsuchen.
solches Wort gebraucht, seltsamer, daß ers im Titel tut. Er, der
Hause nehmen müsse
Man muß seine Bühnenwerke durchaus nicht unterschätzen,
einen so ausgeprägten Sinn für die innere Wahrheit aben¬
begangen und es hat
um dennoch der Ansicht zu sein, daß er erst in der novellistischen
teuerlicher Begebnisse hat.
stellen und den „Fri
Kunstform sich ganz von der irdischen Gebundenheit befreit, die
Wenn Schnitzler selber zugibt, daß Wunder in seinem Buche
die Novelle „Der M
das Drama
und der Roman immerhin verlangen,
geschehen, so wollen wir es ihm nichtsdestoweniger bestreiten.
in der bei aller Gutt
erst hier vermag der Zauberer des Wortes
aber
Gehört es denn nicht gerade zu den feinsten Reizen all seiner Ar¬
jungen Mannes seine
zerrinnende
alle Geschehnisse in

flüchtige Farben,
beiten, daß alle Geschehnisse, selbst die unerhörtesten und aben¬
Wünsche zur Tat we
Düfte,
hinschmelzende Klänge aufzulösen,
teuerlichsten, vollkommen gesetzmäßig vor sich gehen? Was tut es,
dem Mord sind übri
gleich einem Rausch von Sinneseindrücken vorüberfliehen, seltsame
daß es die Gesetze des Traumes, die Gesetze einer fremden über¬
Dinge ein wenig spö
rätselhafte Erinnerung zurücklassend und eine unbegreifliche
irdischen Welt sind? In dieser Schnitzlerschen Welt sind sie keine
Stärke und Kraft, di
Sehnsucht nach der bunten, traumhaften Welt, die der dichtende
Wunder, sondern Ereignisse von innerster Wahrhaftigkeit; ein
Am stärksten bei
Magier mit wenigen Strichen hingezeichnet und dann wieder fort¬
dämonischer Zwang steckt in ihnen.
Strömungen und B
gewischt hat.
Wir wundern uns ja nicht über den Sterndeuter Erasmus,
zugeben und sein in
Solcher Gaben, die die Sehnsucht reizen aber niemals befrie¬
über diesen seltsamen Wissenschaftler, der eines Nachts, da sich die
Begebenheiten in da
digen, die dem Leben sehr eigentümliche und luxuriöse Werte
Sterne vor ihm verhüllen, vor dem Bett seiner jungen Frau steht,
Novelle „Der tote Ge
geben, kann man garnicht genug haben. Schnitzler hat seine Ge¬
die ihm, obgleich seit Jahren ehelich verbunden, plötzlich wie ein
wenigsten aber ein W
meinde zu einem Luxus des Lesens erzogen, den kaum ein außer
fremdes Wesen erscheint, das ihm ferner ist als der Weltenraum,
Meisterleistung. (
ihm zu befriedigen vermag. Wenige Dichter vermögen, wie er,
den er durchforscht. Wir wundern uns ja nicht, daß er die Er¬
und absonderlichsten
gewisse Dinge auf eine ganz gewisse Weise zu sagen, noch weniger
wachende eine sich selbst Unbekannte nennt, daß er sie fortschickt
Worten eines Dialog
besitzen die delikate Kunst, über anderes mit Schweigen hinweg¬
in die Welt daß er ihr gebietet, jeder ihrer Neigungen zu folgen,
gen Mannes und ei
zugehen und es dennoch erraten zu lassen. Darum muß man ihm,
damit sie sich selber kennen lerne.
Intermezzo eines n
der seine Leser so verwöhnt hat, danken, daß er nun mit einem
Daß in diesem Moment die lockenden Weisen einer Hirtenflöte
das alles ist mit eine
neuen Werk, das soeben unter dem Titel „Masken und Wunder“
ertönen, daß die junge Frau dem Klange folgt, daß sie mit dem
gewöhnlichen, ja selb
in die Welt geht, ihren Appetit reizt, indem er ihren Hunger zu
Hirten durchs Land zieht, ihn dann, nachdem sie ihn bettelarm
unter dem Druck irg
stillen vorgibt. Und wiederum ist es ein Strauß jener phantasti¬
gemacht hat, grausam verläßt, daß sie nun zu immer wilderen
zu erfahren, was es
schen, geheimnisvoll blühenden, den süßmodrigen, halbwelken
Abenteuern emporsteigt, alle Möglichkeiten ihrer schillernden
Eindruck gemacht hat
Duf der Vergänglichkeit ausströmenden Blüten, wie nur er sie in
Weibnatur erschöpft, in grausamen Lüsten verdirbt, endlich an¬
Einmal taucht au
den exotilchen Gegenden der Seele, in den heißen, giftschwangeren I gewidert und sich selbst zum Eckel aeworden zu Erasnus zurück= I barkeiten auf, die Sch